Zum Inhalt

Urteil: OLG Wien: Haftung für Fehlberatung bei Reefer-Flottenfonds

Das OLG Wien bejaht die Haftung der vermittelnden Vermögensberaterin für die Fehlberatung bei Erwerb der Beteiligung am Reefer-Flottenfonds und bestätigt damit die Entscheidung des Erstgerichts.

Das OLG Wien bejaht die Haftung der vermittelnden Vermögensberaterin für die Fehlberatung bei Erwerb der Beteiligung am Reefer-Flottenfonds und bestätigt damit die Entscheidung des Erstgerichts.

Im Anlassfall hatte die klagende Anlegerin über Beratung und Empfehlung der beklagten Vermögensberaterin im Mai 2007 eine Beteiligung am Reefer-Flottenfonds iHv Euro 25.000 gezeichnet. Die Vermögensberaterin hatte ihr erklärt, der investierte Betrag werde im Jahr 2018 zurückgezahlt und bis dahin werde es zu jährlichen Ausschüttungen iHv 7-8 % kommen. Die Anlegerin ging fälschlich davon aus, dass es sich dabei um jährliche Zinserträge handelt. In Wahrheit handelt es sich aber um (nicht gewinngedeckte) Kapitalrückzahlungen auf die geleistete Kommanditeinlage, die zum Wiederaufleben der Außenhaftung führen. Als die Anlegerin am 28.10.2012 ein Schreiben der TVP Treuhandgesellschaft mit dem Vorschlag einer Kapitalerhöhung erhielt, wurde ihr das mit der Beteiligung einhergehende Risiko bewusst und sie klagte auf Zahlung des investierten Kapitals abzüglich der bereits erhaltenen Ausschüttungen (iHv rund Euro 1.800) und Feststellung der Haftung für künftige Schäden.

Nach den Feststellungen des Erstgerichts hätte die klagende Anlegerin die Veranlagung nicht gewählt, wenn sie gewusst hätte, dass es sich bei den Ausschüttungen um keine Zinserträge, sondern rückforderbare Beträge handelt. Nach Ansicht des OLG Wien ist diese Feststellung lebensnah und der Vorgangsweise eines durchschnittlichen Anlegers entsprechend. Auch in rechtlicher Hinsicht hat das OLG Wien die Einwände der beklagten Vermögensberaterin zur Gänze verworfen:

  • Die potentielle Verpflichtung zur Rückzahlung der Ausschüttungen ist eine wesentliche Eigenschaft der Veranlagung, die von der Aufklärungspflicht umfasst ist. Die Vermögensberaterin hätte sich daher nicht darauf beschränken dürfen, nur auf das Totalverlustrisiko als worst-case-Szenario hinzuweisen. Vielmehr ist der Anleger - konkret nach den Wohlverhaltensregeln des WAG 1997 - vollständig über alle weiteren Risiken der Veranlagung aufzuklären und darüber, wie groß die Wahrscheinlichkeit ist, dass sich ein bestimmtes Risiko verwirklicht. Darunter fällt auch die Information, ob es bereits während der Laufzeit zu echten Erträgen kommt, die im Insolvenzfall behalten werden können und die damit das Totalverlustrisiko mit zunehmender Dauer der Veranlagung mindern, oder ob das nicht der Fall ist.

  • Die Naturalrestitution (Zahlung des Erwerbspreises Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte aus dem Treuhandvertrag) ist weder unmöglich noch untunlich. Die Beweislast für Unmöglichkeit oder Untunlichkeit trifft die beklagte Vermögensberaterin. Dass die Übertragung der Kommanditbeteiligung der Zustimmung der übrigen Gesellschafter bzw der Fondsgesellschaft bedarf, führt nicht zur Unmöglichkeit der Abtretung, solange kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die erforderlichen Zustimmungen auf Dauer verweigert und damit endgültig nicht erwirkt werden können.

  • Das Nichtlesen der Risikohinweise auf der Rückseite des unterfertigten Anlegerprofils begründet kein Mitverschulden. Da die beklagte Vermögensberaterin nicht einmal andeutungsweise darüber aufgeklärt hat, dass es sich bei den jährlichen Ausschüttungen bloß um Kapitalrückzahlungen und keine Zinsen handelt, ist es der Anlegerin nicht vorwerfbar, dass sie keine Notwendigkeit zum Lesen der kleingedruckten Risikohinweise erkannt hat. Dort wäre aber ohnehin auch keine ausreichend verständliche Aufklärung über die im Insolvenzfall schlagend werdende Rückzahlungsverpflichtung erfolgt; der Hinweis unter dem Punkt "Ausschüttungen", dass "gemäß §§ 169 ff deutsches HGB Einlagen gegenüber Gläubigern als nicht geleistet angesehen werden, sofern das Kapitalkonto bei Entnahmen nach vorhergegangenem Verlust den Stand der Einlage nicht wieder erreicht hat, und dass Entnahmen bei negativem Kapitalkonto zu einem Wiederaufleben der beschränkten Haftung der Kommanditisten in Höhe der Entnahmen führen" ist nach Ansicht des OLG Wien nicht ausreichend verständlich. Der Anleger, der davon ausgeht, dass es sich bei den Ausschüttungen um Zinserträge handelt, muss daraus nämlich nicht schließen, dass unter den dort erwähnten Entnahmen die Ausschüttungen zu verstehen sind.

  • An den Schadens- und Kausalitätsnachweis durch den Anleger sind keine strengen Anforderungen zu stellen. Gesondertes Vorbringen zur hypothetischen Alternativanlage bei ordnungsgemäßer Aufklärung sind nicht erforderlich. Im Begehren auf Zahlung des veranlagten Betrags Zug um Zug gegen Rückgabe der Papiere oder im Ansatz dieses Betrags als Minuend bei der Ermittlung des rechnerischen Schadens ist iaR die Behauptung enthalten, dass eine Alternativanlage (zumindest) das Kapital erhalten hätte. Bestreitet der Beklagte dann nicht konkret, liegt ein unstrittiger Sachverhalt vor. Daher ist auch hier davon auszugehen, dass eine Alternativanlage der Klägerin zumindest das investierte Kapital erhalten hätte.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand 8.8.2014). Die ordentliche Revision wurde vom OLG Wien aber nicht zugelassen.

OLG Wien 23.07.2014, 4 R 27/14s
Klagsvertreter: Dr. Max Leitner & Dr. Wolfgang Leitner, RA in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

This could also be of interest:

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Unzulässige Ausschlussklausel der Generali Versicherung AG

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die Generali Versicherung AG wegen einer Klausel geklagt, die den Versicherungsschutz für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen im Zusammenhang mit Akten der Hoheitsverwaltung ausschließt. Das Handelsgericht Wien gab dem VKI recht und erklärte die eingeklagte Klausel für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

OLG Wien: 48 unzulässige Timesharing-Klauseln bei Hapimag

Der VKI hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Das OLG Wien erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung.

Unterlassungserklärung der HDI Versicherung AG

Der VKI hat – im Auftrag des Sozialministeriums – die HDI Versicherung AG wegen einer Klausel in deren ARB 2018 idF vom 01.05.2021 abgemahnt. Diese Klausel sah zwar eine Anpassung der Versicherungssumme und der Versicherungsprämie an den VPI vor, nahm aber unter anderem die im Vertrag vorgesehenen Höchstentschädigungsleistungen von einer solchen Wertanpassung aus. Die HDI Versicherung AG gab am 15.07.2024 eine Unterlassungserklärung ab.

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

OLG Wien: Dauerrabattklausel des Versicherers Allianz unzulässig

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich die Allianz Elementar Versicherungs AG wegen deren Dauerrabattklausel und deren Kündigungsklausel. Das OLG Wien gab dem VKI Recht und erklärte die Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig. Versicherungsnehmer:innen, die aufgrund der Dauerrabattklausel eine Nachforderung bezahlt haben, können diese nun zurückfordern.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang