Folgen beim Zahlungsverzug
„Zahlungsverzug: Für ausbleibende Zahlungen verrechnen wir Ihnen zusätzlich zum jeweiligen Zinssatz 4,75 % p.a. Überziehungsprovision. Darüber hinaus können wir für von Ihnen verschuldete Schäden Ersatz fordern. Das gilt insbesondere für die Kosten außergerichtlicher Betreibungs- oder Einbringungsmaßnahmen. Voraussetzung: Die Kosten müssen zweckentsprechend sein und in einem angemessenen Verhältnis zur betriebenen Forderung stehen.“ (K 1)
Die Beklagte argumentierte, dass es sich hierbei um mehrere Klauseln handelt. Dies verwarf der OGH: Die Annahme von zwei Regelungen setzt voraus, dass der Verbraucher erkennen kann, dass zwei unterschiedliche Fragen einer Vereinbarung unterworfen werden sollen. Jede der beiden Regelungen muss für sich allein verständlich sein und einen eigenen (anderen) Regelungsinhalt haben. Die Klausel ist daher einer Gesamtbetrachtung zu unterziehen.
Nach der Rechtsprechung wird der Vereinbarung von Verzugszinsen mit einem die üblichen Zinsen erheblich übersteigenden Zinssatz der Charakter einer Vertragsstrafe zuerkannt. Dies ist bereits dann der Fall, wenn Zinsen vereinbart werden, die über dem dispositiven Zinssatz liegen. Der dispositive Verzugszinssatz beträgt 4 %, sodass der hier vorliegenden Vereinbarung einer „Überziehungsprovision“ von 4,75 % pa für ausbleibende Zahlungen Pönalcharakter zukommt. Damit muss im Hinblick auf § 1336 Abs 3 Satz 2 ABGB der Ersatz von weiteren Schäden (neben der Vertragsstrafe) in Verbraucherverträgen im Einzelnen ausgehandelt werden. Dies ist im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Klausel ist damit rechtswidrig.
Vorzeitige Kreditrückzahlung
„EUR 300,00 einmalig, unabhängig von der Laufzeit Ihrer Finanzierung. Das heißt für Sie, dass diese auch bei einer vorzeitigen Rückzahlung Ihrer Finanzierung nicht zurückerstattet wird.“ (K 4)
Die Beklagte verwendet jedenfalls seit 1.1.2021 diese Klausel nicht mehr. Die Beklagte beruft sich seit diesem Zeitpunkt auch gegenüber Kunden, die Kreditverträge zwischen dem 11. 9. 2019 und dem 31. 12. 2020 geschlossen haben, nicht mehr auf diese Klausel und zahlt denjenigen, die vor Laufzeitende die offene Kreditsumme zurückzahlen, einen Teil der Bearbeitungsprovision zurück. Gegenüber Kunden, die bis zum 11. 9. 2019 Kreditverträge abgeschlossen haben, beruft sich die Beklagte weiterhin auf die Klausel 4.
Vorgeschichte
§ 16 Abs 1 aF VKrG lautete: „Die vom Kreditnehmer zu zahlenden Zinsen verringern sich bei vorzeitiger Kreditrückzahlung entsprechend dem dadurch verminderten Außenstand und gegebenenfalls entsprechend der dadurch verkürzten Vertragsdauer; laufzeitabhängige Kosten verringern sich verhältnismäßig.“
Der OGH judizierte vor der Entscheidung des EuGH vom 11. 9. 2019, C-383/18, Lexitor, aus einem Umkehrschluss aus § 16 Abs 1 VKrG ergebe sich, dass laufzeitunabhängige Entgelte bei vorzeitiger Tilgung nicht aliquot zu reduzieren sind. Auch in der Literatur wurde die Formulierung des § 16 Abs 1 aF VKrG ganz überwiegend als eindeutig betrachtet und ohne weiteres e contrario auf die Nichtreduzierbarkeit laufzeitunabhängiger Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung geschlossen.
In der Rs C-383/18, Lexitor, sprach der EuGH aus, Art 16 Abs 1 VKrRL sei dahin auszulegen, dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegte Kosten umfasse.
Aufgrund dieser EuGH-Entscheidung entschied sich der Gesetzgeber zu einer Novellierung des § 16 Abs 1 letzter Satz VKrG, mit der – im Ergebnis – das Wort „laufzeitunabhängige“ in Satz 3 HS 2 entfiel.
Gemäß § 29 Abs 12 VKrG trat § 16 nF mit 1. 1. 2021 in Kraft und ist auf Kreditverträge und Kreditierungen anzuwenden, die nach dem 11.9.2019 geschlossen beziehungsweise gewährt werden, sofern die vorzeitige Rückzahlung nach dem 31.12.2020 geleistet wird. Die in § 29 Abs 12 VKrG statuierte Beschränkung der Rückwirkung der neuen Fassung des § 16 Abs 1 VKrG auf bestimmte Altfälle ist nicht verfassungswidrig (VfGH G 221/2021).
OGH
Die ErläutRV zum DaKRÄG (650 BlgNR 24. GP 36) führten zu § 26 Abs 4 VKrG ua Folgendes aus: „Der Verbraucher soll sich eine Vorstellung darüber machen können, welche Kostenkomponenten von ihm trotz der verkürzten Vertragsdauer zur Gänze und welche von ihm nur anteilig zu tragen sind und welche allenfalls vollständig entfallen. Daher ist ihm eine detaillierte Aufklärung darüber zu geben, welche Kosten laufzeitunabhängig anfallen und welche nicht.“ Es war damit klare Absicht des Gesetzgebers, aus der Bestimmung des § 16 Abs 1 Satz 3 HS 2 aF VKrG, wonach sich die laufzeitabhängigen Kosten bei vorzeitiger Rückzahlung verhältnismäßig verringern, in Bezug auf laufzeitunabhängige Kosten einen Umkehrschluss zu ziehen und für diese eine „verhältnismäßige Verringerung“ gänzlich auszuschließen.
Eine richtlinien-konforme Interpretation der geltenden nationalen Rechtsvorschriften ist unzulässig, wenn diese zu einer Auslegung contra legem führen würde. Ebenso darf es nicht über diesen Umweg zu einer – sonst unzulässigen – unmittelbaren Wirkung von Richtlinienbestimmungen im horizontalen Verhältnis kommen.
Nach stRsp des OGH darf eine richtlinienkonforme Interpretation den normativen Gehalt der nationalen Regelung nicht grundlegend neu bestimmen. Sie kommt allein dann zur Anwendung, wenn das nationale Recht dem Rechtsanwender einen Spielraum einräumt. Einen solchen Spielraum eröffnet der bloße Verweis im Allgemeinen Teil der Erläuterungen eines Umsetzungsgesetzes, dieses diene der Umsetzung einer Richtlinie (sogenannter genereller Umsetzungswille), nicht. Ansonsten wäre bei jeder irrigen Umsetzung einer Richtlinie durch den Gesetzgeber bei noch so klarem Gesetzeswortlaut und noch so klaren, für den Gesetzeswortlaut sprechenden Gesetzesmaterialien sowie noch so klarem mit der Gesetzesbestimmung verfolgten Zweck grundsätzlich immer eine richtlinienkonforme Interpretation möglich. Solches widerspräche aber der stRsp, dass es– schon aus Gründen der Rechtssicherheit – unzulässig ist, im Wege einer richtlinienkonformen Interpretation den normativen Gehalt der nationalen Regelung grundlegend neu zu bestimmen.
Normativer Gehalt des § 16 Abs 1 aF VKrG war nach einhelliger Rsp des OGH und ganz überwiegender Literatur, dass sich laufzeitunabhängige Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung aufgrund eines Umkehrschlusses aus der Bestimmung nicht reduzieren. Die Gesetzeslage (§ 16 Abs 1 aF VKrG) ist aufgrund der bewussten Entscheidung des Gesetzgebers, die laufzeitunabhängigen Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung nicht zu reduzieren, nicht lückenhaft. Folglich ist eine Rechtsfortbildung durch Analogie ausgeschlossen.
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
Anmerkung: Bereits vom zweitinstanzlichen Gericht OLG Wien 4.10.2021, 3 R 62/21s wurden folgende drei Klauseln rechtskräftig für unzulässig erklärt:
„Mit Beträgen, die auf das Kreditkonto eingezahlt werden, decken wir zuerst offene Beträge ab und danach die Raten entsprechend dem Tilgungsplan.“ (K 2) Vgl schon 6 Ob 17/16t K 10.
„Diese Rücktrittsfrist beginnt mit dem Tag, an dem dieser Kreditvertrag abgeschlossen wurde.“ (K 3) Die Klausel enthält den Verbraucher:innen die Information vor (§ 6 Abs 3 KSchG), dass die Rücktrittsfrist uU erst später beginnt, nämlich dann wenn die Verbraucher:innen die Vertragsbedingungen und Informationen gemäß § 9 VKrG erst nach dem Abschluss des Kreditvertrages bekommen; in diesem Falle beginnt die Frist erst mit dem Tag der Erhalt der Vertragsbedingungen und Informationen gemäß § 9 VKrG.
„Diese Rücktrittserklärung ist an die auf der ersten Seite dieser Finanzierungszusage unter ,Ihr Ansprechpartner:‘ genannte Person mit dort bezeichneter Adresse/Telefonnummer/Faxnummer/E-Mail-Adresse zu richten.“ (K 5) VKrRL und VKrG gehen davon aus, dass die Rücktrittserklärung wirksam ist, wenn sie dem Kreditgeber (nach den allgemeinen Regeln) zugegangen ist (s § 12 Abs 2 VKrG). Die Einschränkung der Empfangszuständigkeit widerspricht auch § 6 Abs 1 Z 4 KSchG.