Die Unicredit Bank Austria AG verwendete im Jahr 2020 folgende Klausel in ihren Kreditverträgen nach dem HIKrG: „Klargestellt wird, dass die laufzeitunabhängigen Bearbeitungsspesen nicht – auch nicht anteilig – rückerstattet werden.“
Art 25 Abs 1 der Wohn- und Immobilienkredit-RL (WIKrRL; 2014/17/EU) besagt zur vorzeitigen – vollständigen oder teilweisen – Rückzahlung eines Kredits: „In solchen Fällen hat der Verbraucher das Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits für den Verbraucher, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.“
Aus den Erwägungsgründen 19 und 20 der WIKrRL geht hervor, dass diese Richtlinie aus Gründen der Rechtssicherheit mit anderen Rechtsvorschriften im Bereich Verbraucherschutz im Einklang stehen und diese ergänzen sollte. Nach dem 22. Erwägungsgrund dieser Richtlinie muss allerdings auch den Besonderheiten von Wohnimmobilienkreditverträgen Rechnung getragen werden, die einen differenzierten Ansatz rechtfertigen.
Das in Art 25 Abs 1 WIKrRL vorgesehene Recht auf Ermäßigung zielt nicht darauf ab, die Verbraucher:innen in die Lage zu versetzen, in der sie sich befänden, wenn der Kreditvertrag für eine kürzere Laufzeit oder einen geringeren Betrag oder ganz allgemein zu anderen Bedingungen geschlossen worden wäre. Es zielt vielmehr darauf ab, diesen Vertrag an sich durch die vorzeitige Rückzahlung ändernde Umstände anzupassen. Vor diesem Hintergrund kann dieses Recht nicht die Kosten umfassen, die unabhängig von der Vertragslaufzeit den Verbraucher:innen entweder zugunsten des Kreditgebers oder zugunsten Dritter für Leistungen auferlegt werden, die zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung bereits vollständig erbracht worden sind.
Nach Art 14 Abs 1 und 2 WIKrRL hat der Kreditgeber und gegebenenfalls der Kreditvermittler oder der benannte Vertreter dem Verbraucher vorvertragliche Informationen mittels ESIS-Merkblatt mitzuteilen. Dieses Merkblatt sieht eine Aufschlüsselung der von den Verbraucher:innen zu zahlenden Kosten danach vor, ob es sich um einmalige oder um regelmäßige Kosten handelt. Eine solche standardisierte Aufschlüsselung der dem Verbraucher auferlegten Kosten verringert aber den Handlungsspielraum, über den die Kreditinstitute bei ihrer Abrechnung und ihrer internen Organisation verfügen, erheblich und ermöglicht es sowohl dem Verbraucher als auch dem nationalen Gericht, zu prüfen, ob eine Art von Kosten objektiv mit der Vertragslaufzeit zusammenhängt. Folglich kann die Gefahr eines missbräuchlichen Verhaltens des Kreditgebers es nicht rechtfertigen, dass die laufzeitunabhängigen Kosten in das in Art 25 Abs 1 WIKrRL vorgesehene Recht auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits einbezogen werden.
Art 41 lit b WIKrRL verpflichtet zur Gewährleistung des Verbraucherschutzes die Mitgliedstaaten, sicherzustellen, dass die Vorschriften, die sie zur Umsetzung dieser Richtlinie verabschieden, nicht durch eine besondere Gestaltung der Verträge in einer Weise umgangen werden können, durch die Verbrauchern der durch diese Richtlinie gewährte Schutz entzogen wird. Um diesen Schutz zu gewährleisten, haben die nationalen Gerichte dafür Sorge zu tragen, dass die Kosten, die dem Verbraucher unabhängig von der Laufzeit des Kreditvertrags auferlegt werden, nicht objektiv ein Entgelt des Kreditgebers für die vorübergehende Verwendung des vertraglich vereinbarten Kapitals oder für Leistungen darstellen, die dem Verbraucher zum Zeitpunkt der vorzeitigen Rückzahlung noch erbracht werden müssten. Der Kreditgeber muss insoweit nachweisen, ob es sich bei den betreffenden Kosten um einmalige oder um regelmäßige Kosten handelt.
==> Art 25 Abs 1 WIKrRL ist dahin auszulegen, dass er einer nationalen Regelung, die vorsieht, dass das Recht der Verbraucher:innen auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Rückzahlung des Kredits nur die Zinsen und die laufzeitabhängigen Kosten umfasst, nicht entgegensteht.