In den AGB der vormals "AvW Management-Beteiligungs AG" findet sich folgende Passage: "Das Genussrechtskapital in der Höhe von insgesamt bis zu EUR 420.000,- wird, soweit sich aus den folgenden Absätzen nichts anderes ergibt, der Gesellschaft auf die Dauer ihres Bestehens unter Verzicht auf die außerordentliche und ordentliche Kündigung zur Verfügung gestellt. (§ 8 Abs 1). … Die Gesellschaft ist berechtigt, die Genussrechte unter Einhaltung einer sechsmonatigen Verständigungsfrist zum Ende eines jeden Wirtschaftsjahres der Gesellschaft, frühestens jedoch zum 31.12.2004 zurückzukaufen (§ 8 Abs 2)."
Bei den Genussscheinen handelt es sich um Genussrechte iSd § 174 Abs 3 AktG (§ 2.1. der Genussscheinbedingungen). Durch ihre Begebung werden keine Gesellschaftsrechte - sondern Dauerschuldverhältnisse begründet. Liegen den Genussrechten formularmäßige Geschäftsbedingungen zugrunde, unterliegen diese AGB daher uneingeschränkt einer Inhaltskontrolle nach den Bestimmungen des § 879 Absatz 3 ABGB und des KSchG (OGH 24.1.2006, 10 Ob 34/05f).
Außerordentliche Kündigung:
In der Entscheidung 10 Ob 34/05 (VRInfo 2/2006) hat der OGH sogar einen Kündigungsausschluss in Genussscheinbedingungen sowohl hinsichtlich des außerordentlichen als auch hinsichtlich des ordentlichen Kündigungsrechtes als gesetzwidrig iSd §§ 879 Absatz 3 ABGB und 6 Absatz 1 Z 1 KSchG beurteilt, der vollständig zweiseitig ausgestaltet (bei dem daher auch die Gesellschaft auf ihre Kündigungsrechte verzichtete) und der nur zeitlich befristet (bis zum 1.1.2025) vereinbart war. Der OGH ging trotz dieser gegenüber der gegenständlichen Klausel für die Genussscheininhaber erheblich weniger nachteiligen Ausgestaltung davon aus, dass der Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechtes iSd § 879 Absatz 3 ABGB unwirksam ist, weil die Möglichkeit einer Kündigung aus wichtigem Grund allen Dauerschuldverhältnissen immanent ist und ein Ausschluss dieses Rechtes bis zum 1.1.2025 - selbst wenn er für beide Vertragsparteien gilt - die Anleger gröblich benachteiligt.
Ausgehend von dieser OGH -Entscheidung ist der Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechtes im vorliegenden Fall jedenfalls als rechtswidrig iSd § 879 Abs 3 ABGB zu beurteilen.
Ordentliche Kündigung:
Hinsichtlich des Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechtes sah der OGH (10 Ob 34/05f) trotz des zweiseitigen Verzichts eine für den Verbraucher iSd § 6 Absatz 1 Z 1 KSchG unzumutbare lange Vertragsbindung als gegeben an.
Da somit selbst zweiseitige und zeitlich (für einen Zeitraum von mehr als 10 bis 15 Jahren) befristete Kündigungsausschlüsse in Genussscheinbedingungen gesetzwidrig sind, kann kein Zweifel daran bestehen, dass der gegenständliche einseitige und zeitlich unbefristete Kündigungsausschluss aus den vom OGH in seiner Entscheidung zu 10 34/05d angeführten Gründen gegen die §§ 879 Absatz 3 ABGB und 6 Absatz 1 Z 1 KSchG verstößt.
Im Sinne dieser Entscheidung wäre der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechtes nur dann zulässig, wenn die Übertragbarkeit ausreichend abgesichert ist ( insbesonders über die Börse) und dem Anleger damit eine der Kündigung gleichwertige Beendigungsmöglichkeit geboten wird.
Im vorliegenden Fall kann der Kündigungsausschluss aus folgenden Gründen auch nicht mit dem Argument gerechtfertig werden, der Genussscheininhaber könne die Wertpapiere bei Bedarf ohnehin an der Börse an einen Dritten verkaufen:
Erstens enthalten die Genussscheinbedingungen keine Verpflichtung der Gesellschaft, für eine Börsennotierung zu sorgen, sondern es existiert nur eine "Kann-Bestimmung" im § 10 3.
Zweitens können die Genussscheine derzeit nicht mehr an der Börse verkauft werden, so dass von einem funktionierenden Börsehandel ohnehin keine Rede sein kann.
Abgesehen von den Erwägungen in dieser OGH-Entscheidung liegt überdies eine Ungleichbehandlung vor, da "AvW" in der Klausel des § 8.1. selbst nicht auf ihre Kündigungsrechte verzichtet und sie sich im § 8.2. Satz 1 der Genussscheinbedingungen sogar ausdrücklich ein erstmals zum 31.12.2004 ausübbares jährliches (ordentliches) Kündigungsrecht einräumen lässt, für die keine sachliche Rechtfertigung erkennbar ist. Der Ausschluss eines ordentlichen Kündigungsrechtes ist daher auch aus diesem Grund gemäß § 879 Absatz 3 ABGB unwirksam (OLG Wien 4.8.2008, 5 R 63/08h).