Der Erstkläger ist seit 1987 Hauptmieter einer unmöbliert angemieteten Wohnung. Der Mietzins betrug Euro 225,70 brutto. Der Beklagte ist derzeitiger Eigentümer des Mietobjekts, zuvor stand es im Eigentum der Nebenintervenientin. Nach Erwerb des Hauses durch die Nebenintervenientin im Jahr 2009 wurde der schlecht deutsch sprechende Erstkläger von deren Geschäftsführern zweimal in dessen Wohnung aufgesucht. Dabei wurde ihm mitgeteilt, dass das Haus verkauft worden sei und der alte Mietvertrag keine Gültigkeit mehr habe. Es müsse ein neuer Mietvertrag abgeschlossen werden, wodurch sich aber - mit Ausnahme des Namens des neuen Hauseigentümers - nichts ändere. Wenn er nicht unterschreibe müsse er ausziehen. Über die Höhe der neuen Miete, über eine Möbelmiete, eine Kaution oder Betriebskosten wurde nicht gesprochen. Daraufhin unterfertigte der Erstkläger eine Vereinbarung über die einvernehmliche Auflösung des bestehenden Mietvertrages und einen neuen Mietvertrag über die schon bisher bewohnte Wohnung. Über Rücktrittsrechte wurde der Erstkläger dabei nicht informiert. Durch den neuen Mietvertrag erhöhte sich der Mietzins neben einer zu zahlenden Möbelmiete von Euro 20,00 monatlich auf Euro 320,45 brutto. Es wurde eine Kaution von Euro 300,00 vereinbart und bei Vertragsunterfertigung übergeben.
Nach Erwerb des Hauses durch den Beklagten trat der Erstkläger unter Berufung auf das Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG sowohl gegenüber dem Beklagten als auch gegenüber der Nebenintervenientin von der Zustimmung zur einvernehmlichen Auflösung und vom neuen Mietvertrag zurück.
Sowohl der Erst- wie auch der Zweitkläger, der ebenfalls seit 2001 Hauptmieter im selben Haus war, begehrten die Feststellung, dass sie Hauptmieter aufgrund der ursprünglichen Mietverträge sind. Der Beklagte bestritt das Bestehen eines Rücktrittsrechts bzw dessen Wirksamkeit.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. In seiner Begründung kam es allerdings zur Auffassung, dass sich die Kläger bei der Unterzeichnung der Vereinbarungen in einem Geschäftsirrtum befunden hätte, der zur Anfechtung berechtige. Das Rücktrittsrecht nach § 3 Abs 1 KSchG stehe den Klägern nicht zu, weil Mietverträge nicht in den Anwendungsbereich der "Haustürgeschäfte-RL" fielen. Daher komme im Weg der Analogie § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG zur Anwendung, sodass das Rücktrittsrecht der Kläger einen Monat nach Abschluss der Vereinbarungen erloschen sei.
Der OGH korrigierte die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes. Das KSchG finde auf Bestandverträge Anwendung, wenn sich ein Unternehmer und ein Verbraucher gegenüber stünden. Von einer das Rücktrittsrecht ausschließenden Anbahnung nach § 3 Abs 3 Z 1 KSchG könne nach den Feststellungen keine Rede sein, auch wenn die Geschäftsführer der Nebenintervenientin zweimal (unaufgefordert) in der Wohnung des Erstklägers erschienen. § 3 Abs 1 KSchG sei auch auf Dauerschuldverhältnisse wie Mietverträge anzuwenden. Das besondere Rücktrittsrecht im Zusammenhang mit der Besichtigung von Immobilien nach § 30a KSchG stehe neben dem Rücktrittsrecht nach § 3 KSchG zu.
§ 3 Abs 1 KSchG komme nicht nur bei Vertragsabschlüssen, sondern auch bei Änderungen oder der Aufhebung eines Vertrages zur Anwendung. Das Rücktrittsrecht stehe jedenfalls dann zu, wenn solche Erklärungen die gleiche wirtschaftliche Tragweite hätten, wie der Vertragsabschluss selbst. Vertragserklärungen, die die Miete einer Wohnung beträfen, hätten in der Regel große wirtschaftliche Tragweite für den Verbraucher. So auch im vorliegenden Fall, würde doch der Mieter zur Zahlung eines um rund 30% höheren Mietzins und zur Zahlung einer Kaution verpflichtet.
Entgegen der Rechtsansicht des Berufungsgerichts sei die Sonderregelung des § 3 Abs 1 letzter Satz KSchG (Erlöschen des Rücktrittsrechts bei Versicherungsverträgen einen Monat nach Vertragsabschluss) auf andere Dauerschuldverhältnisse nicht analog anzuwenden. Der Gesetzgeber habe andere Dauerschuldverhältnisse als Versicherungsverträge bewusst nicht von der Grundregel des § 3 Abs 1 KSchG ausgenommen. Die Bestimmung beziehe sich daher nur auf Versicherungsverträge.
Weil daher eine Belehrung über das Rücktrittsrecht nicht erfolgte, sei der Rücktritt unbefristet möglich gewesen, sodass die Rücktrittserklärungen wirksam seien.
Letztlich führte der OGH aus, dass die Veräußerung einer Liegenschaft eine gesetzliche Vertragsübernahme auf Vermieterseite nach § 1120 ABGB iVm § 2 Abs 1 MRG bewirke, der den Inhalt des Schuldverhältnisses nicht ändere.
OGH 27. 07.2013 8 Ob 130/12v
Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, RA in Wien