Die Beklagte betreibt in 12 Häusern in Wien Heime für Menschen mit geistiger und mehrfacher Behinderung. Die im Betreuungsvertrag im "Vollbetreuten Wohnen" beanstandete Klausel über das Pauschalentgelt für Zusatzleistungen verstößt gegen das KSchG und ist unzulässig.
Das OLG Wien erklärte folgende Klausel für gesetzwidrig:
Entgelt für die im Vertrag enthaltenen Zusatzleistungen:
Die Kosten für diese Zusatzleistungen sind vom Bewohner aus den laufenden monatlichen Zuwendungen (zB Familienbeihilfe, Pension, Sozialhilfetaschengeld, Pflegegeldtaschengeld, Einkünfte aus Vermietung, Erträgnisse aus dem Vermögen, etc. - hingegen werden Sonderzahlungen aus dem laufenden Einkommen oder das Einkommen aus der Beschäftigungstherapie nicht in die monatlichen Zuwendungen eingerechnet) zu tragen, da ein allfälliger Kostenträger, zB der Fonds Soziales Wien, diese Kosten nicht übernimmt. Das Pauschalentgelt für diese Zusatzleistungen beträgt monatlich im Jahr 2011: Euro 280,- (inkl 10% MWST).
Die im Verfahren vertretene Rechtsansicht der Lebenshilfe Wien, dass das (Pauschal-) Entgelt für die im Vertrag enthaltenen Zusatzleistungen zulässig wäre, ist verfehlt.
Um welche Zusatzleistungen es sich dabei handelt, war in Punkt 8 (Zusatzleistungen) der AGB geregelt. Weil der Beklagten mit rechtskräftigem Teilanerkenntnis die Verwendung der Klausel unter Punkt 8 untersagt wurde, fehlt für die Pauschalentgeltvereinbarung jede Angabe, für welche konkreten Zusatzleistungen dieses Pauschalentgelt zu zahlen sein soll, so das OLG Wien. Somit entspricht die Klausel nicht den Anforderungen des § 27 Abs 4 KSchG, umfassend und genau zu umschreiben, wofür der Heimbewohner das darin genannte Pauschalentgelt zahlen soll.
Schon das HG Wien stellte treffend fest, dass hier unspezifisch auf den Vertrag verwiesen wird. Damit ist weder festgelegt, welche konkreten "Zusatzleistungen" nun zu Rede stehen, noch, wie sich das Pauschalentgelt auf diese Leistungen verteilt. Die Regelung ist schon deshalb intransparent, weil sie als einziges konkretes Faktum die Höhe des monatlichen Pauschalentgelts nennt. Mangels nachvollziehbarer Spezifizierung der entsprechenden Gegenleistung der Beklagten liegt jedenfalls ein Verstoß gegen § 27 Abs 1 Zif 6 KSchG vor, der eben eine Aufschlüsselung des Entgelts verlangt.
Das Erstgericht hat zu folgender - gesetzwidriger - Klausel ein (rechtskräftiges) Teilanerkenntnisurteil gefällt. Die Regelung ist - wie die Beklagte selbst eingeräumt hat - intransparent.
Zusatzleistungen:
Es gilt als vereinbart, dass die Zusatzleistungen im gesamten und mit dem in Punkt 7 beschriebenen Gesamtpaket bestellt sind. Leistungsumfang:
Sachleistungen:
Anteilige Fahrtkosten der Betreuerinnen für die individuelle Betreuung und Begleitung im Rahmen von Freizeit- , Arzt- oder Amtswegen. Teilweise Instandhaltung bzw Wiederbeschaffung von Investitionsgütern.
Betreuungsleistungen im Ausmaß bis zu 10 Mitarbeiterstunden pro Monat:
Individuelle Einzelbetreuung bei Krisen, bzw Krankheit (inklusive Besuche im Krankenhaus), die über das übliche Ausmaß hinausgehen; Dokumentation und Abrechnung des Taschengeldes in tabellarischer Form (Einnahmen-Ausgabenrechnung); individuelle Betreuung und Begleitung im
Rahmen von Amtswegen über das übliche Ausmaß hinaus; Unterstützung, Organisation und Mithilfe bei der individuellen Einrichtung und Ausgestaltung der Zimmer; individuelle Begleitung bei Freizeitveranstaltungen und bei persönlichen Einkäufen über das übliche Ausmaß hinaus.
Diese Annahme der Zusatzleistungen wurde mit dem FSW besprochen und gilt solange, bis nicht vom FSW detailliert festgelegt wird, welche einzelne Leistungen im Rahmen der Gesamtbetreuung als Grundbetreuung angesehen und bezuschusst werden.
Für den Bewohner besteht kein Anspruch, dass ihn bzw seinem Sachwalter gegenüber diese Zusatzleistungen einzeln abgerechnet werden, da der damit verbundene Verwaltungsaufwand die Kosten für die Zusatzleistungen erheblich erhöhen würde. Hingegen besteht der Anspruch, dass diese Leistungen in ihrer Gesamtheit ordnungsgemäß erbracht und nachgewiesen werden. Ein Einzelleistungsnachweis muss von der Einrichtung nicht erbracht werden. (...)
Das Berufungsurteil ist nicht rechtskräftig (Stand 20.7.2015)
OLG Wien 20.06.2015, 5 R 80/15v
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Klagesvertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien
Anmerkung:
In einem Musterverfahren des VKI - im Auftrag des Sozialministeriums - entschied der OGH 29.1.2014, 7 Ob 232/13p bereits, dass es nicht möglich sei zu unterscheiden, ob es sich bei den Zusatzleistungen nicht ohnehin um Leistungen handelt, die der Grundbetreuung zuzurechnen sind. Für die Zahlungen der Zusatzleistungen der Heimbewohnerin fehlte somit auf Grund der Intransparenz des Heimvertrages die vertragliche Grundlage. Diese sind daher zurück zu zahlen.
Anspruch auf Zusatzleistungen ohne Entgeltverpflichtung:
Nach der EuGH Judikatur (EuGH 14.6.2012, C-618/10 Banco Espanol de Credito) bleiben missbräuchliche Klauseln gegenüber Verbrauchern zwar schlicht weg unangewendet. Der gänzliche Wegfall gilt aber dann nicht, wenn dies zum Nachteil der Verbraucher führen würde. Daraus ergibt sich unserer Ansicht, dass trotz Wegfalls des Entgeltanspruchs (dieser Teil der Klausel bleibt unangewendet) der voller Leistungserbringung bestehen bleibt (weil geltungserhaltende Reduktion zum Vorteil der Verbraucher). Daher besteht keine Teilnichtigkeit hinsichtlich der vereinbarten Leistungen, sondern nur eine solche hinsichtlich des Entgeltes
Hinweis für betroffenen Heimbewohner bzw. Sachwalter:
Sollten Sie einen derartigen Vertrag abgeschlossen haben, lassen Sie sich nicht überreden den Vertrag zu ändern indem zB. eine unzulässige Klausel gestrichten wird. Es besteht die Gefahr, dass Sie dadurch weiter unzulässiger Weise die Zusatzleistungen pauschal bezahlen müssen.