Zum Inhalt

Kündigung des Studentenheimzimmers wegen Ausbruch der Pandemie

Der OGH bejahte das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Kündigung eines Studentenheimvertrages einer slowakischen Studentin im Sommersemester 2020. Wegen der Pandemie wurde der Lehrbetrieb der Fachhochschule auf Distance Learning umgestellt. Der Studentin war die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses mit der beklagten Vermietungsgesellschaft nicht mehr zumutbar.

Eine Studentin schloss mit einer Vermietungsgesellschaft einen befristetet (1.10.2019 bis 30.9.2020) geltenden Benützungsvertrag über ein Studentenheimzimmer im Studentenheim der Beklagten in Wien ab.

Aufgrund der pandemiebedingen Schließung der Fachhochschule und der Umstellung auf Distance Learning am Mitte März 2020 kehrte die Studentin nach Bratislava zurück und wollte am 1.4.2020 den Mietvertrag kündigen. Im Zuge der Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung wurden am 13. 3. 2020 internationale Bus- und Zugverbindungen zwischen Wien und Bratislava gestrichen

Die Bundesarbeiterkammer klagte für die Studentin auf Rückzahlung der Benützungsentgelte für die Monate April bis Juni 2020 sowie der Reinigungspauschale von 77,40 EUR (448 x 3 + 77,40) im Gesamtbetrag von 1.421,40 EUR, gestützt auf § 12 Abs 3 StudentenheimG (StudHG), der eine außerordentliche Kündigungsmöglichkeit wegen einer plötzlich auftretenden sozialen Notlage vorsieht. Weiters macht sie die Coronakrise als wichtigen Grund zur vorzeitigen Auflösung des Bestandvertrags geltend.

Der OGH gab der Klage weitgehend statt:

Die Vermietung von Studentenheimplätzen ist vom Anwendungsbereich des MRG explizit ausgenommen (§ 1 Abs 2 Z 1 MRG). Das Rechtsverhältnis zwischen Studentenheimbetreiber und Bewohner des Studentenheims wird vom StudHG geregelt. Die Kündigungsbestimmungen des § 12 StudHG ändern aber nichts an der Anwendbarkeit des § 1117 ABGB auf den gegenständlichen Benützungsvertrag.

Über den Wortlaut von § 1117 ABGB hinaus berechtigen den Bestandnehmer auch andere wichtige Gründe, die die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unzumutbar machen, zur vorzeitigen Auflösung. Im vorliegenden Fall liegt der die vorzeitige Vertragsauflösung rechtfertigende wichtige Grund in der Coronapandemie und der daraus folgenden Schließung der Hochschule und Umstellung auf Distance Learning samt den Reisebeschränkungen zwischen dem Studienort und dem Wohnsitz der Studentin. Dabei handelt es sich um eine schicksalhafte Entwicklung, die nicht in der Sphäre der Studentin begründet liegt.

Die Vermietung von Studentenheimplätzen hat den Zweck, den nicht am Studienort wohnhaften Studenten die Möglichkeit zu bieten, vor Ort im persönlichen Austausch mit den Lehrenden und anderen Studierenden am Unterricht an einer Hochschule teilzunehmen. Dieser Zweck des Benützungsvertrags wurde unter diesen Umständen nicht erreicht. Der Studentin war es nicht zumutbar, ihr Studentenheimzimmer zu benützen. Es war damit kein bloß subjektives, in der Person der Bestandnehmerin liegendes Nutzungshindernisse gegeben.

Zusammenfassend liegt somit eine wirksame Auflösungserklärung vom 1. 4. 2020 mit sofortiger Wirkung vor. Die Klägerin fordert damit zu Recht das Entgelt für den Zeitraum 2. April bis Ende Juni zurück (448 EUR x 3 minus 14,93 EUR). Für den Tag des Zugangs der Auflösungserklärung (1. 4. 2020) besteht der Anspruch nicht zu Recht, weil an diesem Tag der Bestandvertrag noch aufrecht war. Die Rückforderung der (der Höhe nach unbestrittenen) Reinigungspauschale von 77,40 EUR erfolgte nicht zu Recht, da diese vertragsgemäß bei Vertragsbeendigung zu jeglichem Zeitpunkt zu zahlen ist, unabhängig davon, ob der Benützungsvertrag durch ordentliche oder außerordentliche Kündigung aufgelöst wird.

Da somit die vorzeitige Beendigung des Vertrags schon auf Basis des § 1117 ABGB zu Recht erfolgte, bedarf es keiner Auseinandersetzung mit den (ebenfalls geltend gemachten) Auflösungsgründen iSv § 12 Abs 3 StudHG (soziale Notlage).

OGH 23.2.2022, 4 Ob 191/21y

Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

Unzulässige AGB-Klauseln der SelfStorage-Dein Lager LagervermietungsgesmbH (MyPlace SelfStorage)

Unzulässige AGB-Klauseln der SelfStorage-Dein Lager LagervermietungsgesmbH (MyPlace SelfStorage)

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die SelfStorage-Dein Lager LagervermietungsgesmbH (MyPlace SelfStorage) wegen unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt, wobei nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung durch MyPlace SelfStorage noch 8 Klauseln gerichtlich beanstandet wurden. Das Handelsgericht Wien erklärte sämtliche angefochtenen Klauseln für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

OGH zum Zurückhalten der Kaufpreiszahlung bei Mängel

Einzelne Wohnungseigentümer hatten die Zahlung der Restkaufpreisforderung (fast 30.000 EUR) zurückgehalten, da es Mängel an den allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage ab. Fraglich war nun, ob es sich um eine schikanöse Rechtsausübung handelte, da der Anteil des Behebungsaufwandes für die Wohnungseigentümer 559 EUR ausmachte (für alle Eigentümer: über 30.000 EUR). Der OGH sprach nun aus, dass bei der gebotenen Abwägung zwischen offener Kaufpreisforderung und Verbesserungsaufwand die gesamten Behebungskosten miteinzubeziehen sind und nicht der Anteil einzelner Wohnungseigentümer.

Unzulässiger Genehmigungsvorbehalt zur Kleintierhaltung

Eine Vertragsklausel mit einem generellen Genehmigungsvorbehalt der Vermieterin zur Haltung von Hunden und Kleintieren durch eine Mieterin ist gröblich benachteiligend. Im Verbrauchergeschäft hat die Klausel daher zur Gänze zu entfallen, sodass die Mieterin einen Hund halten darf.

Keine Genehmigungspflicht bei Airbnb-Nutzung bei Wohnungsgebrauchsrecht

Die Rechtsprechung, wonach bei Airbnb-Nutzung eine genehmigungspflichte Widmungsänderung notwendig ist, ist nicht anzuwenden, wenn dem Bewohner einer anderen Wohnung nicht das Wohnungseigentumsrecht zusteht, sondern nur ein – grundbücherlich gesichertes – Wohnungsgebrauchsrecht.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang