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OGH zum Zurückhalten der Kaufpreiszahlung bei Mängel

Einzelne Wohnungseigentümer hatten die Zahlung der Restkaufpreisforderung (fast 30.000 EUR) zurückgehalten, da es Mängel an den allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage ab. Fraglich war nun, ob es sich um eine schikanöse Rechtsausübung handelte, da der Anteil des Behebungsaufwandes für die Wohnungseigentümer 559 EUR ausmachte (für alle Eigentümer: über 30.000 EUR). Der OGH sprach nun aus, dass bei der gebotenen Abwägung zwischen offener Kaufpreisforderung und Verbesserungsaufwand die gesamten Behebungskosten miteinzubeziehen sind und nicht der Anteil einzelner Wohnungseigentümer.

Die Beklagten erwarben von der Klägerin, einer Bauträgergesellschaft, Wohnungseigentum an einer Wohnung. Die Klägerin begehrte die Zahlung von 29.736,91 EUR (vor allem letzte Kaufpreisrate). Zum Zeitpunkt der Klagseinbringung gab es ua Mängel an allgemeinen Teilen der Liegenschaft. Insgesamt beläuft sich der Behebungsaufwand auf 30.194 EUR, wovon 559 EUR auf die Anteile der Beklagten entfallen. Die Beklagten machten die Einrede des nicht erfüllten Vertrags geltend und behielten den restlichen Kaufpreis zurück.

Dem Gläubiger steht neben der aktiven Verfolgung des Anspruchs auf Mängelbeseitigung bis zur völligen Erfüllung der Verbindlichkeit des Schuldners, also bis zur Verbesserung bestehender Mängel, auch das auf der Einrede des nicht gehörig erfüllten Vertrags (§ 1052 ABGB) beruhende Leistungsverweigerungsrecht zu.

Der Besteller (Käufer) kann nach stRsp grundsätzlich den gesamten Werklohn (Kaufpreis) zurückbehalten und nicht nur den der Höhe nach auf die Behebung des Mangels entfallenden Teil des Deckungskapitals. Das Leistungsverweigerungsrecht steht grundsätzlich auch bei Vorliegen geringfügiger Mängel zu, es sei denn, die Ausübung dieses Rechts artet zur Schikane aus. Letzteres ist nach der Rsp nicht nur dann der Fall, wenn die Schädigungsabsicht den einzigen Grund der Rechtsausübung bildet, sondern auch dann, wenn zwischen den vom Handelnden verfolgten eigenen Interessen und den beeinträchtigten Interessen des anderen ein ganz krasses Missverhältnis besteht. Bei dieser Beurteilung wird einerseits auf das Verhältnis zwischen dem noch offenen Werklohn bzw Kaufpreis und dem Verbesserungsaufwand (und nicht auf dessen Verhältnis zum gesamten Werklohn bzw Kaufpreis) abgestellt, ohne dass es eine „fixe Prozentsatzgrenze“ im Verhältnis zwischen (restlichem) Werklohn bzw Kaufpreis und Verbesserungsaufwand gibt. Andererseits ist auch auf die Wichtigkeit der Behebung des Mangels für den Besteller (Käufer) Bedacht zu nehmen.

Dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts steht die Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zu, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern allgemeine Teile des Hauses betreffen. Nach stRsp können einzelne Wohnungseigentümer solche Gewährleistungs- und Schadenersatzansprüche auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer geltend machen.

Dass hier ein Leistungsverweigerungsrecht der Beklagten besteht, ist nicht strittig.

Bei einer bloß anteilsmäßigen Berücksichtigung der Mängelbehebungskosten könnte es dazu kommen, dass keiner der die Leistung verweigernden Wohnungseigentümer über die „Schikanegrenze“ hinaus käme und der Mangel dann bei voller Leistungspflicht der Erwerber bestehen bliebe. Das Leistungsverweigerungsrecht dient den Zwecken des Gläubigers und nicht jenen des vorleistungspflichtigen Schuldners und soll Druck auf den Schuldner ausüben, den Vertrag zu erfüllen. Dieser Zweck käme bei einer Gesamtberücksichtigung des Leistungsverweigerungsrechts verstärkt zur Geltung. Der einzelne Wohnungseigentümer könnte vor allem bei größeren Objekten seinen allgemeine Teile betreffenden Verbesserungsanspruch umso effizienter sichern.

Dafür spricht auch die Judikatur, wonach dem Erwerber eines Wohnungseigentumsobjekts die (aktive) Sachlegitimation zur Geltendmachung der Rechte aus seinem individuellen Vertrag mit dem Bauträger auch dann (allein) zusteht, wenn die Mängel nicht (nur) sein eigenes Wohnungseigentumsobjekt, sondern allgemeine Teile des Hauses betreffen, und zwar grundsätzlich auch ohne Zustimmung der übrigen Wohnungseigentümer.

Der Zweck des Leistungsverweigerungsrechts spricht dafür, bei der Beurteilung, ob dessen Ausübung durch den einzelnen Wohnungseigentümer wegen Mängel an allgemeinen Teilen der Wohnungseigentumsanlage als Schikane zu werten ist, die gesamten Behebungskosten heranzuziehen.

Die Beklagten sind daher weiterhin berechtigt, den Restkaufpreis einzubehalten.

Allerdings haben sie sowohl den darin enthaltenen Haftrücklass einbehalten als auch den dafür aus der Garantie abgerufenen Betrag. Eine solche doppelte Einbehaltung entspricht weder dem gesetzlichen Leistungsverweigerungsrecht noch dem Vertrag. Infolge des berechtigten Leistungsverweigerungsrechts der Beklagten ist nur das Zurechtbestehen der Klageforderung im Umfang des zu Unrecht einbehaltenen Haftrücklasses (da weiterhin Mängel bestehen, ist dagegen der Einbehalt des dafür gestellten Garantiebetrags, der vereinbarungsgemäß vor Ablauf der Gewährleistungsfrist abgerufen wurde, zulässig), und der um den Bauträgeraufschlag verminderten Rechnung für Sonderwünsche auszusprechen.

OGH 27.1.2022, 2 Ob 34/21w

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