Laut den Rechtsschutzbedingungen der Generali besteht kein Versicherungsschutz „für die Wahrnehmung rechtlicher Interessen in unmittelbarem oder mittelbarem Zusammenhang mit hoheitsrechtlichen Anordnungen, die aufgrund einer Ausnahmesituation an eine Personenmehrheit gerichtet sind“ (Ausnahmesituationsklausel).
Das HG Wien beurteilte diese Klausel sowohl als gröblich benachteiligend als auch als intransparent:
Die Prüfung der Klausel durch das HG Wien ergab, dass schon kein Versicherungsschutz für Rechtstreitigkeiten besteht, die in einem wie auch immer gearteten „Zusammenhang“ mit jeglicher Form von „hoheitlichen Maßnahmen“ stehen, die in einer bloß vom „Normfall“ abweichenden Situation erlassen werden und von der mehrere betroffen sind. Dieser überaus weite Ausschluss weicht nach Ansicht des HG Wien von den berechtigten Erwartungen der Versicherungsnehmer:innen ab, die Rechtsschutz benötigen. Eine sachliche Rechtfertigung für einen derart unbestimmten Ausschluss erkennt das HG Wien nicht. Es ist nicht ersichtlich, welche Zusammenhänge übrig bleiben, wenn sowohl unmittelbare als auch mittelbare ausgeschlossen sind. Das HG Wien sah die Klausel daher als gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB an.
Das HG Wien pflichtete dem VKI zudem bei, dass die Begriffe „mittelbarer oder unmittelbarer Zusammenhang“, „hoheitsrechtliche Anordnungen“, „Ausnahmesituation“ und „Personenmehrheit“ sowohl für sich als auch im Gesamtzusammenhang unbestimmt sind und die Klausel insgesamt nicht den Anforderungen des Transparenzgebots genügt. Im Ergebnis ist daher die Klausel nach Auffassung des HG Wien insgesamt wegen Intransparenz iSd § 6 Abs 3 KSchG zu verbieten, weil den Verbraucher:innen damit ein unklares Bild ihrer vertraglichen Position vermittelt und sie dadurch uU von der Durchsetzung ihrer Rechte abgehalten werden.
Eine weitere Klausel sieht vor, dass sich der Versicherungsvertrag auf unbestimmte Zeit verlängert, wenn die Kündigung der Versicherungsnehmer:innen nicht spätestens einen Monat vor Ablauf der Vertragsdauer beim Versicherer einlangt. Damit sich ein Vertrag durch ein „Nicht-Tätigwerden“ wirksam verlängern kann, muss sich der Unternehmer bereits in der zugrundeliegenden Klausel dazu verpflichten, die Verbraucher:innen rechtzeitig auf die Bedeutung ihres Verhaltens hinzuweisen. Die vorliegenden Rechtsschutzbedingungen enthalten eine solche Hinweispflicht über die Folgen des Schweigens der Versicherungsnehmer:innen nicht. Die Klausel verstößt laut HG Wien daher gegen § 6 Abs 1 Z 2 KSchG.
Des Weiteren beurteilte das HG Wien eine Klausel als unzulässig, wonach kein Versicherungsschutz besteht, wenn der/die Versicherte bereits mindestens einmal rechtskräftig wegen eines einschlägigen Vorsatzdeliktes verurteilt wurde. Nach dem Tilgungsgesetz gelten Verurteilte als „gerichtlich unbescholten“, wenn eine Verurteilung getilgt ist. Dies bedeutet, dass die Tat und die Verurteilung dem/der Verurteilten im Rechtsverkehr nicht mehr vorgehalten und nicht mehr zum Nachteil eines/einer Verurteilten verwendet werden dürfen. Aus getilgten Verurteilungen dürfen keine dem Täter nachteiligen Konsequenzen mehr abgeleitet werden. Die Klausel wurde vom HG Wien als gröblich benachteiligend und intransparent beurteilt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 05.04.2022).
HG Wien 14.03.2022, 53 Cg 18/21z
Klagsvertreter: Dr. Stefan LANGER, Rechtsanwalt in Wien
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