Im gegenständlichen Fall wurde dem Mieter (unter anderem) ein Lagezuschlag für eine überdurchschnittlich gute Lage vom Vermieter verrechnet. Der Mieter war anderer Ansicht und ließ daher die Miethöhe gerichtlich überprüfen. Der OGH musste nunmehr entscheiden, ob bei der Ermittlung des höchstzulässigen Richtwertmietzinses ein Lagezuschlag (§ 16 Abs 2 Z 3 MRG) zu berücksichtigen ist.
Ein Lagezuschlag ist nur dann zulässig, wenn die Liegenschaft, auf der sich die Wohnung befindet, eine Lage aufweist, die besser ist als die durchschnittliche Lage ist. Als durchschnittliche Lage ist die Wohnumgebung eines typischen „Gründerzeitviertels“ anzusehen. Dass die im gegenständlichen Verfahren zu beurteilende Wohnung nicht in einem Gründerzeitviertel liegt, führt nicht automatisch dazu, dass die Lage überdurchschnittlich ist. Die Wohnung müsste eine Lage aufweisen, die „besser“ als die durchschnittliche ist. Um das festzustellen, muss ein wertender Vergleich mit anderen innerstädtischen Lagen durchgeführt werden. Es müssten Umstände vorliegen, aus denen (in ihrer Gesamtheit) eine überdurchschnittliche Lage hervorgeht. Dazu zählt auch die Erschließung der Wohnumgebung mit öffentlichen Verkehrsmitteln und Nahversorgungsmöglichkeiten. Geschäfte des täglichen Bedarfs in unmittelbarer Umgebung und die Anbindung an das öffentliche Verkehrsnetz durch U-Bahn sowie Straßenbahnstationen in erreichbarer Nähe im dicht verbauten Stadtgebiet sind jedoch zu erwarten und können daher (isoliert betrachtet) keine überdurchschnittliche Lage rechtfertigen.
Der OGH hält unter Verweis auf ältere Entscheidungen fest, dass die Lärmbelastung der Liegenschaft an sich (beachte: nicht der konkreten Wohnung, sondern des Wohnhauses) bereits mehrfach in die Beurteilung der Lagequalität eingeflossen ist. Lärm ist somit eine relevante Lagekomponente. Selbst, wenn die Lärmbeeinträchtigung bereits zu einem Mietzinsabschlag für die konkret bewohnte Wohnung führt, muss die Lärmbelastung bei der Beurteilung des Lagezu- bzw. abschlags beachtet werden: Im einen Fall geht es nämlich um die Lärmbelastung in der konkreten Wohnung (§ 16 Abs 2 Z 1 MRG); im anderen, um die Wohnumgebung (§ 16 Abs 2 Z 3, Abs 4 MRG), also das Wohnhaus, in dem die Wohnung gelegen ist und dessen unmittelbare Umgebung. Zur Verdeutlichung: Wenn eine Wohnung in Hofruhelage in einem Wohnhaus in einer sehr stark befahrenen Straße liegt, dann kann das dennoch zu einen Lageabschlag aufgrund der Wohnumgebung führen – nicht aber zu einem Abschlag wegen der Lärmbelastung in der konkreten Wohnung.
Wenn, wie im vorliegenden Fall, also eine (selbst für den innerstädtischen Bereich) überdurchschnittliche Lärmbelastung von mehr als 75 dB am Ort der Liegenschaft besteht, hat das im Lageabschlag Berücksichtigung zu finden. Sollte die Wohnung dann tatsächlich in Ruhelage liegen, wäre dies durch einen Zuschlag für Ruhelage auszugleichen. Damit kommt es auch zu keiner „Doppelverwertung“ von Lärmbeeinträchtigungen.
Der OGH hat bei der Beurteilung der Lage, neben der Lärmbeeinträchtigung folgende Faktoren berücksichtigt: Die U-Bahnhaltestelle der Linie U6 „Josefstädterstraße“ ist 160 Meter und drei Straßenbahnlinien sind nur 60 Meter entfernt. Zudem sind zwei Einkaufsstraßen, Kindergärten, Schulen, sämtliche Geschäfte des täglichen Bedarfs, Aus- und Weiterbildungseinrichtungen und auch Gesundheitseinrichtungen in unmittelbarer Nähe und fußläufig erreichbar.
Diese, in diesem Umfang selbst im dicht verbauten Stadtgebiet, nicht zu erwartenden Einrichtungen sprechen für eine überdurchschnittliche Lage, entgegen steht allerdings die massive Lärmbelastung der Wohnumgebung des Hauses durch Individual- und Schienenverkehr von über 75 dB. Zur Belastung durch Verkehr, Abgase und Lärm kommt die unmittelbare Nähe zum Gürtel und zur U-Bahnstation, die aufgrund dort vorherrschender Kleinkriminalität (Drogenhandel und Rotlicht) und der diesbezüglichen medialen Berichterstattung ein negatives Image aufweist. Auch das muss bei der Beurteilung der (Über-)Durchschnittlichkeit der Lage des Hauses berücksichtigt werden, da solche Faktoren bei anderen innerstädtischen Lagen nicht gegeben sind. Die Abwägung dieser Faktoren durch den OGH ergibt, dass die Lage des konkreten Hauses nicht als überdurchschnittlich zu beurteilen ist. Ein Lagezuschlag steht dem Vermieter daher im konkreten Fall nicht zu.
OGH 20.07.2021, 5 Ob 104/21m