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Urteil: Einwendungsdurchgriff beim drittfinanzierten Wohnungskauf

OLG Wien bejaht Einwendungsdurchgriff, wenn Kaufvertrag einer Wohnung und Finanzierungsvertrag eine wirtschaftliche Einheit darstellen, auch wenn kein allgemeiner Vertrag zwischen Finanzierer und Verkäufer errichtet wurde. Bei Wegfall des ursprünglichen Kaufvertrages ist die Mithaftungserklärung des

Der gegenständliche Rechtsstreit entzündete sich an folgendem Sachverhalt:

Gastarbeiter möchte Wiener Wohnung kaufen

Der Beklagte ist Bauhilfsarbeiter und stammt aus Bosnien-Herzegowina. Er bekundete Interesse an einer Wohnung in Wien. Der Mitarbeiter einer Immobilienhandelsgesellschaft erklärte, dass er keine Eigenmittel benötige, die Finanzierung über ein Darlehen sei gesichert, er habe lediglich Darlehensraten in der Höhe von € 501,44 (6.900 Schilling) monatlich, bei einer Laufzeit von 20 Jahren zurückzuzahlen. Finanziererin war die Bausparkasse der österreichischen Sparkassen AG.

In weiterer Folge wurde dem Beklagten von dem Mitarbeiter der Immobilienfirma mitgeteilt, dass es bei der Finanzierung Schwierigkeiten gäbe. Zunächst wurde ein Bürge gefordert, dann nahm man davon Abstand und wollte dem Beklagten eine zweite Wohnung in Bruck/Mur verkaufen - nur "für die Finanzierung".

Ersatzwohnung in Bruck/Mur

Der Zustand der Wohnung in Bruck/Mur wurde bei der Besichtigung durch eine Vertreterin der Verkäuferseite gemeinsam mit einem Angestellten der Klägerin von diesem als sehr schlecht qualifiziert. Die Sanierung wurde zwar von der Verkäuferseite zugesagt - jedoch nie durchgeführt. Die Schätzung des Verkehrswertes der Wohnung durch die Klägerseite erfolgte ohne Besichtigung der angeblich sanierten Wohnung. Die Klägerin bezog sich bei dieser und ähnlichen Schätzungen stets auf ein Gutachten der Verkäuferseite, das angab, welche Wohnung saniert und zu schätzen sei.

Die angestrebte Wiener Wohnung (30m²) sollte € 54.504,63 (ATS 750.000,--) kosten. Hinsichtlich einer Kreditschuld des Beklagten von 10.900,93 Euro (150.000 Schilling) bei einer anderen Bank, erklärte sich die Verkäuferseite zur Übernahme bereit. Der Kaufpreis wurde daher offiziell mit 65.405,55 Euro (900.000 Schilling) beziffert.

Kein Dolmetsch und alles unterschrieben

Der nur schlecht Deutsch sprechende Beklagte unterfertigte in der Folge eine Reihe von Schriftstücken, die er nicht ausgefüllt hatte und deren Bedeutung ihm nicht klar war. Zur Geschäftsabwicklung wurde kein Dolmetsch beigezogen.

Die Verkäuferseite suchte zur Darlehensabwicklung einen Treuhänder aus. Der Treuhandverpflichtung des Treuhänders war eine Mithaftungsverpflichtung des beklagten Darlehensnehmers angeschlossen, die die Haftung für Gefahr und Zufall, Verlust und widmungswidrige Verwendung des Treuhandbetrages durch den Treuhänder auf den Darlehensnehmer abwälzen sollte.

Geld genommen, aber keine Wohnung

Die Wirksamkeit des abgeschlossenen Vertrags wurde von der Genehmigung der Ausländergrundverkehrsbehörde aufschiebend bedingt abhängig gemacht. Der Kaufpreis war beim Treuhänder zu hinterlegen, der den Auftrag hatte, daraus die Lastenfreistellung zu bewirken. Die 65.405,55 Euro (900.000 Schilling) wurden zu treuen Handen von der klagenden Bausparkasse überwiesen, die Verkäuferseite hob 64.678,82 (890.000 Schilling) ab, obwohl weder die zugesagte Lastenfreistellung, noch die Verbücherung zugunsten des Beklagten erfolgt war.

Die Grundverkehrsbehörde lehnte eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung des Kaufvertrages ab. Der Beklagte wurde nie Miteigentümer der Liegenschaft in Bruck/Mur, ebensowenig wurde er Eigentümer der in Wien angestrebten Wohnung.

Kurz darauf ging die Verkäuferin in Konkurs. Die klagende Bausparkasse konnte aus dem versteigerten Objekt in Bruck/Mur keine Deckung für das strittige Darlehen finden.

Die Verkäuferseite zahlte noch 15 Monatsraten für den Kredit des Beklagten bei der anderen Bank im Gesamtwert von 4.086,76 Euro (56.235 Schilling). Weitere Zahlungen leistete sie nicht mehr.

Nach Konkurs Käufer geklagt

Die Bausparkasse klagte den Konsumenten auf Rückzahlung des Darlehens. Der Konsument verweigerte berechtigterweise die Zahlung der vereinbarten Kreditraten. Lediglich der Anspruch von 4.086,76 Euro (56.235 Schilling) bestand zu Recht.

Bank zahlt Provision an Wohnungsverkäufer

Bereits das Erstgericht verneinte den Rückzahlungsanspruch der klagenden Partei, da der beklagte Konsument hier Einwendungen aus dem Kaufvertrag der Sparkasse entgegenhalten könne, weil es sich um einen drittfinanzierten Kauf handelte. Die wirtschaftliche Einheit zwischen Kauf und Finanzierung konkretisiert sich letztlich in der Geschäftspraxis zwischen Verkäufer- und Finanziererseite, wobei der Finanziererin fortlaufend Kreditverträge vermittelt wurden, wofür diese Provisionen an den Verkäufer bezahlte.

Ein weiterer Grund für die Bejahung der wirtschaftlichen Einheit liegt in der Tatsache, dass es die Bausparkasse völlig dem Verkäufer überlassen hatte, Anträge auf Finanzierung mittels ihrer Darlehen für den Ankauf der Liegenschaftsanteile entgegenzunehmen. Zwar wurde kein allgemeiner Vertrag zwischen der verkaufenden Gesellschaft und der Sparkasse als Finanziererin errichtet, es bestand jedoch nachweislich eine enge wirtschaftliche Verbindung mit gegenseitigen Abhängigkeiten, die insbesondere durch die Provisionszahlungen der Klägerin an die Verkäufer für zugeführte Kreditverträge aufrecht erhalten wurde.

Weiters können die Einwendungen aus dem Verkaufsgeschäft wegen Nichterfüllung und Unerfüllbarkeit des Vertrags durch die Verkäuferin, bzw. Irreführung des Beklagten durch die Verkäuferin nicht durch die Mithaftungserklärung des Beklagten umgangen werden, da die Mithaftungserklärung das Schicksal des Verkaufsvertrags teile und somit hinfällig sei. Überdies sei die Mithaftungserklärung, die die Haftung bei Nichterfüllung der Treuhandbedingungen durch den Treuhänder auf den Darlehensnehmer abwälzt, grob benachteiligend und sittenwidrig, weil der Treuhänder wesentlich die Interessen der klagenden Partei zu erfüllen hatte.

Der von der Klägerseite bestrittene Einwendungsdurchgriff besteht zu Recht und gründet sich auf die allgemeinen zivilrechtlichen Regelungen, die über § 18 KSchG hinausgehen. § 26c KSchG schließt eine analoge Anwendung des § 18 KSchG auf andere Tatbestände nicht aus. Voraussetzung ist die wirtschaftliche Einheit, die im gegenständlichen Fall als gegeben anzunehmen war.

Das Berufungsgericht hat das Urteil des Erstgerichts bestätigt. Der Konsument wurde von Rechtsanwalt Dr. Freund (Wien) vertreten.

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