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Urteil: Gemeinnütziger Wohnbau

Gemeinnützige Genossenschaften waren - auch schon vor der WRN 1999 - verpflichtet, nicht nur bei der Aufnahme eines Darlehens auf einen angemessenen Zinssatz zu achten, sondern auch später für dessen Anpassung nach unten zu sorgen. Eine Fixzinsvereinbarung entspricht dieser Verpflichtung nicht.

Gemeinnützige Bauträger unterliegen prinzipiell einem strengen gesetzlichen Regime: Allgemeine Vorschriften finden sich im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz (WGG) des Bundes, speziellere Vorgaben stellen Ländergesetze beziehungsweise darauf aufbauende Verordnungen auf, beispielsweise in Wien das Wiener Wohnbauförderungs- und Wohnhaussanierungsgesetz (WWFSG).

Auf den konkreten Sachverhalt war das WWFSG in seiner Urfassung von 1989 anzuwenden.

§ 6 Abs 2 Z 3 WWFSG lautete: "Bei Aufnahme eines Hypothekardarlehens muss gewährleistet sein, dass die Laufzeit mindestens 25 Jahre beträgt und die Möglichkeit einer Laufzeitverlängerung vorgesehen ist, dass die Berechnung der Zinsen bei halbjährlicher Vorschreibung dekursiv und netto erfolgt und dass die effektiven Kosten des Darlehens jährlich höchstens 0,5 % über der im Zeitpunkt der Zusicherung bestehenden Nominalverzinsung der letzten vor der Zusicherung im Inland zur öffentlichen Zeichnung aufgelegten Bundesanleihetranche mit einer Laufzeit von mindestens 8 Jahren liegen, wobei bei mehreren Bundesanleihetranchen diejenige mit der niedrigsten Nominalverzinsung maßgeblich ist, sowie dass dann, wenn eine Änderung des Zinssatzes vereinbart ist, eine Erhöhung nur bis zum Ausmaß einer Erhöhung der Nominalverzinsung der künftigen Bundesanleihen erfolgt und bei Herabsetzung dieser Nominalverzinsung auch der Zinssatz entsprechend gesenkt wird."

Dieser Regelung entsprach der beklagte Bauträger bei Darlehensaufnahme von über ATS 28 Mio. mit dem Kreditgeber, wobei § 6 Abs 3 2 Z 3 WWFSG als Zinsänderungsklausel in den Schuldschein aufgenommen wurde und die Verzinsung im Zeitpunkt der Aufnahme des Darlehens korrekt mit 8,25 % angegeben war.

Im Jahr 1993 änderte allerdings der Bauträger die Vereinbarung mit dem Kreditgeber dahingehend, dass ein Fixzinssatz mit 8,25 % für einen Zeitraum von 14 Jahren vereinbart wurde. Zu diesem Zeitpunkt lag der Referenzzinssatz des § 6 WWFSG bei 6,875 % (höchstens hätten also 7,375 % Zinsen anfallen dürfen). 1999 wurde eine Senkung des Fixzinssatzes auf 7,06 % vereinbart, wobei wiederum der Referenzzinssatz 4 % betragen hatte. Am 16.1.2001 betrug der Referenzzinssatz 5,25 %, am 15.1.2002 5 %.

Somit spielte sich die Verzinsung mit Beginn der Fixzinsperioden des Darlehens weit außerhalb der Vorgaben des § 6 WWFSG ab, da ab diesem Zeitpunkt der Zinssatz der Bundesanleihen wiederholt gefallen ist. Den Kunden des Bauträgers wurden freilich die tatsächlich angefallenen - fixen - Zinsen weiterverrechnet.

Der Bauträger berief sich vor Gericht darauf, dass erst mit der Wohnrechtsnovelle 1999 (WRN 1999) die ausdrückliche Verpflichtung in das WGG aufgenommen worden sei, dass nicht nur bei Aufnahme des Darlehens auf einen entsprechenden Zinssatz zu achten ist, sondern auch der Marktentwicklung Rechnung zu tragen und für eine Anpassung nach unten zu sorgen ist (§§ 23 Abs 1a und 22 Abs 1 Z 6c WGG). Dies war somit auch die Kernfrage, welche der OGH zu entscheiden hatte.

Der OGH schloss sich in dieser Frage der hL an, wonach sich die Verpflichtung der laufenden Berücksichtigung der Marktentwicklung bei Darlehen bereits nach § 23 Abs 1 WGG - also bereits vor der WRN 1999 - ergeben habe: "Geschäftsführung und Verwaltung einer gemeinnützigen Bauvereinigung müssen den Grundsätzen der Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit entsprechen". Durch die Einfügung des § 23 Abs 1a WGG habe insofern nur eine Klarstellung durch den Gesetzgeber stattgefunden.

Die Fixzinsvereinbarungen, welche ganz wesentlich über der Nominalverzinsung der Bundesanleihentranchen lagen, waren somit als gesetzwidrig zu qualifizieren und die darauf beruhende Vorschreibungen als Teil des Nutzungsentgelt an die Nutzungsberechtigen unzulässig.

OGH 8.4.2003, 5 Ob 6/03y

Tipp: Mit dieser Entscheidung hat der OGH ein neues Kapitel im "Zinsenstreit" eröffnet.

Wohnungsinhaber gemeinnütziger Genossenschaften sollten prüfen, ob bei den von der Genossenschaft aufgenommenen Darlehen, die ja letztlich die Wohnungsinhaber zurückzahlen, die Zinsen korrekt angepasst und verrechnet wurden. Das entschiedene Beispiel ist sicher ein besonders krasser Fall: Ausgerechnet dann eine Fixzinssatzvereinbarung zu treffen, wenn die Zinsen sinken müssten, ist eine klare Verletzung des WGG. Es wäre aber wohl auch eine Verletzung des WGG, wenn der Bauträger bei variable verzinsten Darlehen nicht darauf achten würde, dass die Zinsen korrekt - also in Entsprechung zu der vereinbarten Zinsanpassungsklausel bzw. zu den Bestimmungen der jeweiligen Wohnbauförderung - angepasst werden.

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