Als gesetzwidrig erachtete das Gericht die Klauseln mit folgendem Inhalt:
1. Stornierung bereits vereinbarter Leistungen
Nach § 1168 ABGB, der auf Werkverträge anwendbar ist, bleibt der Entgeltanspruch des Heimträgers auch dann aufrecht, wenn der Heimbewohner die gebuchten Leistungen storniert, ein gesetzliches Rücktrittsrecht kommt ihm nicht zu.
Allerdings muss sich der Werknehmer bzw. der Heimträger das anrechnen lassen, was er sich durch das Unterbleiben seiner Leistung erspart.
§ 27a Konsumentenschutzgesetz (KSchG) sieht für Verbraucherverträge zusätzlich vor, dass der Heimträger/Werkunternehmer dem Verbraucher/Bewohner die Gründe dafür mitzuteilen hat, dass er sich infolge des Unterbleibens der Leistung weder etwas erspart noch durch anderweitige Verwendung erworben, noch zu erwerben absichtlich versäumt hat.
Das Gericht argumentiert nun, dass die gegenständliche Klausel den § 27a KSchG umgeht, weil sie den Anschein erwecke, dass den Heimträger eine solche Mitteilungspflicht gar nicht treffen würde. Das Wort "grundsätzlich" würde eine Anrechnung des Ersparten zwar durchaus zulassen, sei aber zu wenig konkret, um die Anrechnungsregel des § 1168 ABGB für einen Laien verständlich zu vermitteln. Dieses Verschleiern der Rechtslage und die fehlende Bestimmtheit der Formulierung machten die Klausel intransparent iSd §§ 6 Abs 3 und § 27d Abs. 4 KSchG.
Nachdem aufgrund der Formulierung "grundsätzlich" anzunehmen sei, dass eine Anrechnung dessen, was sich der Heimträger erspart, im konkreten Heimvertragsverhältnis so gut wie immer ausgeschlossen, eine solche Anrechnung aber gemäß § 1168 ABGB gesetzlich angeordnet sei, benachteilige die Klausel den Bewohner iSd § 879 Abs 3 ABGB gröblich.
2. Abwesenheitsvergütung
Die Klausel widerspricht nach Ansicht des HG Wien dem § 27f KSchG, weil sie hinsichtlich der Höhe der Abwesenheitsvergütung (der Teil des monatlichen Entgelts, den der Bewohner rückerstattet erhält, weil er abwesend war und somit dem Heimträger eine Kostenersparnis bringt) auf die jeweils gültige Tarifliste, in der die Rückvergütung konkret angegeben ist, verweist.
Dem Gericht schien der dort vorgesehene Betrag von 8,55 €/Tag angesichts von 11,03 €/Tag, die der Bewohner für die Verpflegung, und 4€ /Tag, die er für die Grundbetreuung zu zahlen hat, als zu niedrig bemessen. Es sei von einer Mindestersparnis iHv 11,03 € auszugehen, weil der Bewohner während seiner Abwesenheit gar nicht verpflegt werden müsse. Die Auseinandersetzung mit der Frage des tatsächlichen Ausmaßes der Ersparnis, die sich zB auch aus einem verminderten Pflegeaufwand ergibt (die dem Bewohner eine bedeutende Rückerstattung brächte) und die wohl betriebswirtschaftlich zu erheben wäre, überließ das Gericht damit den Instanzen.
3. Preisgleitklausel
Die Klausel widerspricht nach Ansicht des Gerichts dem § 6 Abs 1 Z 5 KSchG einerseits, weil die Voraussetzungen der Entgeltänderung nicht unabhängig vom Willen des Heimträger sind. Lohnänderungen würde der Heimträger als Arbeitgeber jedenfalls beeinflussen. Auf Standardanhebungen aufgrund von gesetzlichen Vorgaben und das "Förderverhalten Dritter" nämlich der Stadt Wien, habe die Beklagte jedoch keinen Einfluss.
Insofern die Klausel er eine Preiserhöhung für die ersten zwei Vertragsmonate vorsehe (z.B. könnte der Bewohner im Dezember einziehen und im Jänner den erhöhten Preis zahlen müssen), verstoße sie aber gegen § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, die eine solche Erhöhung nur erlaubt, wenn sie im Einzelnen ausgehandelt worden ist. Die Beklagte spreche ihre Vertragsformulare zwar mit den Bewohnern anfangs durch, nachdem aber Änderungen des Vertragsinhaltes nicht möglich seien, könne selbst bei einem konkreten Durchbesprechen einzelner Klauseln von "Ausverhandeln" im Sinne des KSchG nicht die Rede sein. Ein solches setze zumindest eine gewisse Bereitschaft voraus, auf die Gestaltungswünsche der anderen Partei einzugehen und von der eigenen Position, wenn auch nur geringfügig, abzugehen. Die außerdem enthaltene Formulierung "gemäß den Bestimmungen des Konsumentenschutzgesetzes" suggeriere tatsächlich, dass die Klausel dem KSchG entspricht. Dies verschleiere aber die wahre Rechtslage und sei daher intransparent iSd § 6 Abs 3 und § 27d Abs 4 KSchG.
4. Benützungsentgelt nach Vertragsende
Das Gericht beanstandete hier die Höhe des Benützungsentgelts (bzw besser Lagerentgelts), das der Heimträger nach dem Vertragsende für das Verbleiben der Fahrnisse des Bewohners in seinem Appartement verlangt. Wie bei der Abwesenheit werden hier 8,55 € rückvergütet. Das Gericht verweist in seiner Begründung auf die Abwesenheitsminderungsklausel. Es liege daher hier ein Verstoß gegen § 27g Abs 5 KSchG vor.
5. Räumung durch den Heimträger
Zwar erblickt das Gericht in der einwöchigen Räumungsfrist nach Tod des Bewohners keine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil der Heimträger ein Interesse an der raschen Weitervergabe des Appartements habe. Der Verweis auf die unangemessen hohe Räumungspauschale laut Tarifliste jedoch führe zu einer gröblichen Benachteiligung iSd
§ 879 Abs. 3 ABGB.
6. Räumungspauschale
Diese qualifizierte das Gericht als unangemessen hoch, weil es sich zwar um einen zulässigerweise pauschalen, aber im Marktvergleich mit gewinnorientierten Räumungsunternehmen weit überhöhten und daher unangemessenen Betrag handle.
7. Umzugspflicht des Bewohners in ein Einzelzimmer
Das Gericht meinte, dass an sich ein Zimmerwechsel des überlebenden Ehepartners gemäß § 6 Abs 2 Z 3 KSchG eine geringfügige, sachlich gerechtfertigte, und daher zumutbare Leistungsänderung darstelle.
Dies vor allem in Hinblick auf die knappe Zahl an Heimplätzen und deren idente Ausstattung. Auch sei es grundsätzlich in Ordnung, dafür eine Räumungspauschale zu verrechnen, zumal der Bewohner oder dessen Angehörige die Räumung ja selbst durchführen oder beauftragen könnten. Allerdings führe die unangemessene Höhe der Räumungspauschale zur Ungültigkeit der Klausel.
Auch hier argumentiert das Gericht bedauerlicherweise sehr (altenheim)realitätsfremd. Die Zimmer sind keineswegs ident ausgestattet, und vor allem für alte Bewohner stellt ein Zimmerwechsel eine große Umstellung dar.
8. Einseitige Leistungs(AGB) -Änderung
Das Gericht erblickte hier einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG und § 6 Abs 2 Z 4 KSchG, weil die Klausel schon grundsätzlich nicht ausgehandelt wurde.
Daneben verstoße sie auch gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG und § 6 Abs 3 KSchG. Die Regelung, wonach der Bewohner zwar einen Widerspruch gegen die Vertragsänderungen erheben kann, dieser aber faktisch wirkungslos ist, weil die Änderungen dennoch in Kraft treten, ist zunächst klar intransparent. Einerseits würden dem Konsumenten Rechte suggeriert, deren Ausübung keinerlei Wirkung nach sich zögen, außer der eines Sonderkündigungsrechts, das der Bewohner laut Gesetz ohnehin habe.
Andererseits würden die Kündigungsschutzbestimmungen des § 27i KSchG umgangen, weil der auf seinen Heimplatz angewiesene Bewohner, sollte er mit der Vertragsänderung nicht einverstanden sein, gezwungen wird, zu kündigen. Die Regelung laufe damit dem Zweck des Heimvertragsgestzes, dem Bewohner eine dauerhafte Grundlage für Unterkunft und Betreuung zu schaffen, zuwider. Dies führe auch zur gröblichen Benachteiligung des Konsumenten iSd § 879 Abs 3 ABGB. Es sei der Beklagten wohl zumutbar, gleichzeitig Verträge mit unterschiedlichen AGB zu führen, wie dies in so gut wie allen Branchen der Wirtschaft Realität sei.
9. Einseitige Leistungsänderung
Eine Klausel, die den Heimträger zur einseitigen Änderung seines Leistungsangebotes berechtigte, soweit die Änderung dem Bewohner "zumutbar" sei, erachtete das Gericht als zu unbestimmt, weil eine weitere Konkretisierung des Wortes "zumutbar" fehlte, weswegen es einen Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3, sowie auch gegen das Transparenzgebot annahm.
10.Geltungserhaltende Reduktion - Verstoß gegen das Transparenzgebot
Die Klausel sah eine Aufrechterhaltung des Restvertrages beim Wegfall einzelner gesetzwidriger Vertragsbestimmungen vor. Die - in dieser Form sehr oft in Verträgen vereinbarte- Klausel verschleiere die wahre Rechtslage, nämlich dass der Wegfall wesentlicher Klauseln durchaus zu einer Nichtigkeit des gesamten Vertrags führen kann.
11.Haftungsausschluss - Verwahrung von Wertgegenständen
Das Gericht stellte fest, dass den Heimträger grundsätzlich die Haftung für eingebrachte Wertsachen trifft, weil er der Gastwirtehaftung des § 970 ff ABGB unterliegt.
Bei Pensionistenwohnhäusern mit Appartementvermietung, wie sie die Beklagte betreibe, sei die Beherbergung von Senioren wesentlicher Inhalt und Zweck des Betriebes. Die Gefahr des offenen Hauses sei durch die jeweils fremden anderen Besucher, Appartementbesitzer, das Reinigungspersonal, das Küchenpersonal etc. gegeben. Da § 970 ff ABGB auf die Wohnhäuser der Beklagten anwendbar sei, verstoße die Klausel gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG, die eine Überwälzung der Beweislast, die ihn von Gesetzes wegen nicht trifft, auf den Verbraucher verbietet. Das Gesetz habe eben eine über § 1298 ABGB hinausgehende Beweislastumkehr vorgesehen (mit Verweis auf OLG Wien, 4 R 73/04s).
Daneben hatte die konkrete Klausel (die Aufbewahrung der Wertsachen "obliegt Ihrer Sorgfalt") auch die Haftung für Sachschäden für vorsätzliches und grob fahrlässiges Verhalten des Heimträgers ausgeschlossen und damit gegen § 6 Abs 1 Z 9 KSchG, durch den Widerspruch zur Hausordnung in diesem Punkt aber außerdem noch gegen das Transparenzgebot verstoßen.
12. Vertragserrichtungsgebühr
§ 27g Abs 5 KSchG verbietet Leistungsverpflichtungen des Heimbewohners, denen keine gleichwertige Gegenleistung entspricht. Die Vertragserrichtungsgebühr von über 50 Euro sollte nach dem Vorbringen des Heimträgers den Zeitaufwand von 1-3 Stunden der im Zuge der Besichtigung des künftigen Heimes und den Gesprächen mit ihm entsteht, abgelten.
Nachdem dieser Betrag Interessenten, mit denen es dann nicht zum Vertragsabschluss kam, nicht verrechnet wird, folgerte das Gericht, dass offensichtlich die Besprechung und Besichtigung nicht die Gegenleistung der Gebühr darstellten. Weitere Gegenleistungen, die eine Vertragserrichtungsgebühr rechtfertigen würden, nannte die Beklagte nicht, weshalb das Gericht einen Verstoß gegen § 27g Abs 5 KSchG, sowie auch eine Verletzung des Transparenzgebotes annahm.
13. Kostenpflichtige Wäsche
Die Klausel sieht Preise für die Wäschepflege vor. Das Wiener Sozialhilfegesetz regelt, dass die Wäschepflege bei Sozialhilfebeziehern von der Grundleistung umfasst und daher schon von der Sozialhilfezahlung, die an den Heimträger geht, abgedeckt ist. Eine nochmalige Verrechnung der Wäschepflege an den Bewohner wäre daher eine unzulässige Doppelzahlung.
Das Gericht meinte hier, dass sich im Zusammenhang mit der Hausordnung ergebe, dass bei Unterbringung im stationären Bereich keine zusätzlichen Kosten für die Wäsche anfallen. Daher kritisierte es die Klausel nur als intransparent. Mangels eines ausdrücklichen Verweises auf die Hausordnung gehe aus der Tarifliste nämlich nicht hervor, dass bei stationärer Pflege die Wäschepflege nicht verrechnet werde. Dem Heimbewohner sei nicht zuzumuten, dass er in der Hausordnung nach Ausnahmeregeln für die Entgeltbestimmungen der Tarifliste suche.
Abgewiesene Klauseln:
1. Kautionsvereinbarung
Die Formulierung entspricht nach Ansicht des Gerichts der heimvertragsgesetzlichen und lasse nach allgemeinem, laienhaftem, und natürlich streng juristischen Grundsätzen nur den Ersatz bei vom Heimbewohner verursachten und verschuldeten Schäden zu.
2. Kündigung durch den Heimträger aus wichtigem Grund
Das Gericht erachtet die Kündigungsgründe "erheblich nachteiliger Gebrauch" und "gröbliche Verstöße gegen die Hausordnung" als gleichwertig mit den wichtigen Gründen des § 27i KSchG. Im Gegensatz zum Mietvertrag enthalte der Heimvertrag zwar auch Fürsorge- und Pflegeelemente, jedoch stelle die Unterkunft einen zentralen Punkt dar und rechtfertige daher die Verwendung eines Kündigungsgrundes aus dem Mietrecht. Zwar sollten Heimverträge dem Bewohner einen langfristigen, im Idealfall lebenslangen Heimplatz verschaffen, doch könne dem Heimträger nicht zugemutet werden, jedes nachteilige Verhalten des Bewohners dulden zu müssen, ohne ihm die Möglichkeit der vorzeitigen Vertragsauflösung zu geben. Auch von vornehmlich älteren Personen könne und müsse erwartet werden dürfen, dass sie von ihrem Appartement einen bestimmungsmäßigen Gebrauch machen und sich an die Hausordnung halten.
Die vorgeschaltete Mahnung durch die Direktorin des Hauses würde überraschende Vertragsauflösungen hintanhalten.
Problematisch bei dieser Begründung des Gerichtes ist unter anderem, dass die Mahnung im gegenständlichen Heimvertrag, auf die sich das Handelsgericht hier bezieht, nicht dem Heimvertragsgesetz entspricht, das diesbezüglich äußerst genaue Formvorschriften normiert. Ob tatsächlich die Kündigungsgründe des Mietrechts, das rein auf die Unterkunftskomponente abstellt, auch auf Heimverträge (Alten- und Behindertenheime) anwendbar sind, ist mehr als fraglich. Mieter können relativ rasch ihre Wohnung wechseln, Heimbewohner sind im Regelfall auf den Heimplatz angewiesen. So ist die Nachfrage nach einem Platz etwa bei der Beklagten sehr groß, wie auch das Gericht an anderer Stelle (siehe Benützungsentgelt nach Vertragsende) festgestellt hat. Abgesehen davon, dass gerade für ältere Menschen die gewohnte Umgebung wichtiger ist als für jüngere.
3. Betretungsrecht des Personals
Das Gericht verneinte den Vorwurf der Intransparenz, weil man auch bei kundenfeindlichster Auslegung unter "wichtigem Grund" vernünftigerweise nicht jeden Grund verstehen, und dem Heimträger hier keine Willkür unterstellt werden könne. Um seiner Fürsorgepflicht nachzukommen, müsse es in einem Altenheim möglich sein, die Appartements zu betreten. Auch unter Berücksichtigung der Privat- und Intimsphäre der Bewohner liege darin keine gröbliche Benachteiligung.
Diese Argumentation überzeugt nicht, zumal gerade die kundenfeindlichste Auslegung von der Willkür des Unternehmers ausgehen muss. Die im Heimvertragsgesetz erwähnten Persönlichkeitsrechte des Bewohners sind Grundrechte, deren Einschränkung einer besonders strengen Prüfung unterliegen, solche Regeln dürfen daher keinen allzu großen Ermessensspielraum gewähren. Eine zumindest beispielhafte Konkretisierung, was einen solchen wichtigen Grund - abgesehen von sicherlich zulässigem Betreten wegen eines Notfalls- darstellt, wäre kaum eine übermäßige Anforderung an den Heimträger.
4. Kostenbeteiligung der Angehörigen
Das Gericht meint, die beanstandete Klausel habe nur informativen Charakter, weil die Ankündigung bloßer Gespräche über eine Kostenbeteiligung der Angehörigen keine einseitige Verpflichtungsmöglichkeit erkennen lasse.
Fraglich bleibt dann allerdings, welchen Sinn die Ankündigung von Gesprächen in einem Vertragsformular haben soll.
5. Wäschepflegeklausel
Auch diese Klausel diene nur der Information des Bewohners über die angebotenen Dienstleistungen.
Das Gericht sprach dem klagenden VKI die Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung in der bundesweiten Ausgabe der Kronenzeitung zu, weil die angesprochenen Verbraucher, als Gesamtheit quasi durch den VKI vertreten, ein berechtigtes Interesse an der Aufklärung über das gesetz- und sittenwidrige Verhalten der Beklagten haben, insbesondere daran, die wahre Sach- und Rechtslage aufzuklären.
HG Wien vom 22.10.2008, 18 Cg 174/07p
Klagsvertreter: Mag. Nikolaus Weiser, RA in Wien