Der Beklagte schloss am 2003 mit einer gemeinnützigen Wohnungsgenossenschaft einen Nutzungsvertrag über eine Wohnung mit folgender Klausel: "Das Mitglied verpflichtet sich, innerhalb von sechs Monaten ab Vertragsbeginn bestehende Miet- oder sonstige Rechte an einer anderen Wohnung nachweislich aufzugeben ... . Sollte das Mitglied dieser Verpflichtung nicht nachkommen, wird dies ausdrücklich als wichtiger Kündigungsgrund im Sinne des § 30 Abs 1 und Abs 2 Z 13 MRG vereinbart." Der Beklagte war zur Zeit des Vertragsschlusses und ist nach wie vor gemeinsam mit seiner Frau Hauptmieter einer im selben Wiener Bezirk gelegenen Wohnung. Der Beklagte verbringt etwa zwei Drittel der Zeit in der Genossenschaftswohnung, die er zu Wohnzwecken benützt (Essen, Schlafen, Wäsche). In der zu Wohnzwecken von seiner Frau benützten Mietwohnung hat er seine Proberäume und seinen "Home-Office-Bereich".
Die auf § 30 Abs 2 Z 13 MRG gegründete gerichtliche Aufkündigung der Genossenschaftswohnung wurde für rechtswirksam erklärt. Nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG ist es ein wichtiger Grund, der eine Kündigung seitens des Vermieters rechtfertigt, wenn ein im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarter Umstand eintritt, der in Bezug auf die Kündigung oder die Auflösung des Mietverhältnisses für den Vermieter wichtig und bedeutsam anzusehen ist.
Die vorliegende Klausel lehnt sich an § 28 Abs 1 Z 1 WFG an. Warum der vereinbarte Kündigungsgrund nicht objektiv wichtig und bedeutsam iSd § 30 Abs 2 Z 13 MRG sondern vielmehr gröblich benachteiligend sein soll, ist nicht ersichtlich.
Im vorliegenden Fall knüpft der vereinbarte Kündigungsgrund nicht an einer Aufgabe eines anderen Hauptwohnsitzes an, sondern explizit an die (Nicht-)Aufgabe "bestehende[r] Miet- oder sonstige[r] Rechte an einer anderen Wohnung". Es kommt also nicht darauf an, ob der Beklagte in der aufgekündigten Wohnung seinen Hauptwohnsitz hat und wofür er die andere Wohnung gebraucht, nämlich zu Wohnzwecken oder "nur" als Proberaum und "Home-Office".
Die Wendung, dass "bestehende Miet- oder sonstige Rechte an einer anderen Wohnung" aufgegeben werden müssen, ist nicht unbestimmt.
Der Begriff "Mietrechte an einer anderen Wohnung" ist nicht weiter auslegungsbedürftig; dieser Fall liegt hier vor. Hinsichtlich "sonstiger Rechte" kann die Klausel im Übrigen redlicherweise (§ 914 ABGB) nur dahin verstanden werden, dass sonstige Wohnungsgebrauchsrechte gemeint sind, wie es etwa bei einer Dienstbarkeit der Wohnung nach § 521 ABGB der Fall ist. Ein Verständnis dahingehend, dass der Beklagte verpflichtet wäre, etwa ein Pfandrecht an einer anderen Wohnung aufzugeben, wäre keine dem redlichen Verkehr entsprechende Auslegung.
Im - hier gegebenen - Individualprozess ist die Auslegung nicht "im kundenfeindlichsten Sinn" vorzunehmen, sondern es ist der Parteiwille nach den Grundsätzen der §§ 914, 915 ABGB zu ermitteln.
OGH 15.5.2019, 9 Ob 21/19g