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Urteil: Kündigung Heimvertrag wegen Verhaltens eines Angehörigen?

Der OGH setzte sich in diesem Verfahren mit der Frage auseinander, ob auch das Verhalten eines Angehörigen (bzw Sachwalters) die Kündigung des Heimvertrages durch den Heimträger rechtfertigen kann.

Die Klägerin leidet unter einer beträchtlichen geistigen und körperlichen Behinderung. Beklagte ist die Heimträgerin, in dem die Klägerin betreut wurde. Seit Beginn des Betreuungsverhältnisses kam es immer wieder zu Konflikten zwischen der Mutter und zugleich Sachwalterin der Heimbewohnerin einerseits und den Mitarbeiterinnen der Beklagten andererseits. 2014 kündigte die Beklagte das Betreuungsverhältnis mit der Klägerin; begründet wurde dies mit dem enormen Spannungsverhältnis zwischen Heimträger und Mutter, das eine konstruktive Zusammenarbeit nicht zuließe.

Gegen diese Kündigung richtete sich die Klage inkl einstweiliger Verfügung.

§ 27i KSchG regelt die Kündigung des Vertrags durch den Heimträger. Gemäß § 27i Abs 1 Satz 1 KSchG kann der Heimträger das Vertragsverhältnis nur aus wichtigen Gründen schriftlich unter Angabe der Gründe unter Einhaltung einer Kündigungsfrist kündigen. Ein wichtiger Grund liegt nach § 27i Abs 1 Satz 1 Z 3 KSchG insbesondere dann vor, wenn … der Heimbewohner den Heimbetrieb trotz einer Ermahnung des Trägers (§ 27e Abs 2 KSchG) und trotz der von diesem dagegen ergriffenen zumutbaren Maßnahmen zur Abhilfe fortgesetzt derart schwer stört, dass dem Träger oder den anderen Bewohnern sein weiterer Aufenthalt im Heim nicht mehr zugemutet werden kann.

In § 27i Abs 1 KSchG werden die praktisch bedeutsamen Kündigungsgründe – demonstrativ – aufgezählt. Dies bedeutet nicht, dass es in den im Gesetz nicht ausdrücklich geregelten Fällen einer Analogie aus den genannten Kündigungsgründen bedarf. Vielmehr hat das Gericht zu werten, ob den gesetzlich nicht geregelten Fällen dieselbe Bedeutung zukommt wie den gesetzlich geregelten Kündigungstatbeständen. Die Bestimmung dient dazu, die Kündigung wegen sonstiger, im Gesetz nicht geregelter, von ihrem Gewicht aber den ausdrücklich genannten Gründen gleichwertiger Sachverhalte zu ermöglichen.

Der in der Kündigung angeführte Grund nähert sich (ansatzweise) dem Kündigungsgrund nach § 27i Abs 1 Z 3 KSchG. § 27i Abs 1 Z 3 KSchG geht freilich davon aus, dass es der Heimbewohner selbst ist, der diesen unzumutbaren Zustand herbeiführt, doch könnte dieser Kündigungsgrund allenfalls auch für Fälle erwogen werden, in denen ein Angehöriger/Vertreter des Heimbewohners eine solche Störung des Heimbetriebs herbeiführt.

Dem Rechtsschutz des betroffenen Heimbewohners wird aber zum ersten dadurch Rechnung getragen, dass ihn der Träger mündlich in Anwesenheit seiner Vertrauensperson und seines Vertreters und dann auch noch schriftlich zu ermahnen hat (s § 27e Abs 2 KSchG). Unterlässt er diese Ermahnung, so ist die Kündigung nicht wirksam. Zum zweiten setzt die wirksame Kündigung voraus, dass der Träger alle ihm zumutbaren Maßnahmen gegen die Störung des Heimbetriebs durch den betreffenden Bewohner ergriffen hat. Zum dritten ist die Kündigung nur dann wirksam, wenn der Bewohner nach der Ermahnung den Heimbetrieb weiter schwer stört; das ist mit dem Ausdruck „fortgesetzt“ gemeint. Zum vierten wird sich der Träger auf diesen Kündigungsgrund nicht berufen können, wenn er sich vertraglich zu besonderen Pflegeleistungen dem betreffenden Bewohner gegenüber verpflichtet hat.

Von diesen Grundsätzen zur Kündigungsmöglichkeit des Heimträgers ausgehend ist der aufrechte Bestand des Heimvertrags und das Fehlen eines tauglichen Kündigungsgrundes der Beklagten bescheinigt:

Sieht man in einer extremen Störung des Heimbetriebs durch einen Angehörigen/Vertreter des Heimbewohners einen in seiner Bedeutung und Auswirkung dem § 27i Abs 1 Z 3 KSchG gleichkommenden Kündigungsgrund, fehlt auch für die dafür notwendigen hohen Anforderungen eine taugliche Bescheinigungsgrundlage. Es fehlt zunächst jeder Hinweis dafür, dass die Beklagte die Mutter der Klägerin in einer dem § 27e Abs 2 KSchG und der Bedeutung der Rechtsfolgen entsprechenden Form abgemahnt hat. Da die Mutter der Klägerin den Kontakt zur Beklagten nicht zuletzt in ihrer Funktion als Sachwalterin wahrnimmt, ist als „zumutbare Maßnahme zur Abhilfe“ iSd § 27i Abs 1 Z 3 KSchG auch das Sachwalterschaftsgericht einzubeziehen. Dafür, dass die Beklagte diese naheliegende Abhilfemaßnahme wahrgenommen hätte, fehlt ebenfalls jeder Anhaltspunkt.

 Als Zwischenergebnis folgt daher, dass die Klägerin den in der Hauptsache auf die Unwirksamkeit der Kündigung gestützten Anspruch, der Beklagten die Beendigung vertragskonformer Leistungserbringung zu untersagen, bescheinigt hat.

Einstweilige Verfügung: Gefahrenbescheinigung

Die Erlassung einer einstweiligen Verfügung setzt die Behauptung und Bescheinigung von Umständen voraus, die die Annahme eines drohenden unwiederbringlichen Schadens rechtfertigen. Eine Beeinträchtigung der Gesundheit fällt auch unter den Begriff des Schadens. Ein Schaden ist dann unwiederbringlich, wenn eine Zurückversetzung in den vorigen Stand nicht tunlich ist und Geldersatz entweder nicht geleistet werden kann oder die Leistung eines Geldersatzes dem Schaden nicht völlig adäquat ist. Gerade die Gefährdung der Gesundheit kann ein solcher „unwiederbringlicher“ Schaden iSd § 381 Z 2 EO sein.

Die Klägerin ist beträchtlich geistig und körperlich behindert. Dass der Klägerin bei dieser Ausgangslage im Fall einer kurzfristigen Änderung der langjährig gewohnten Betreuungs- und Versorgungsverhältnisse eine Gefährdung der Gesundheit droht ist offenkundig. Ihr droht daher ein unwiederbringlicher Schaden.

OGH 6.7.2016, 7 Ob 102/16z

Das Urteil im Volltext.

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