Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ging im Auftrag des Sozialministeriums gegen die Lebenshilfe Tirol wegen ihrer gesetzwidrigen Praxis - keine schriftlichen Verträge mit den Heimbewohnern abzuschließen - mit einer Verbandsklage vor.
Das Landesgericht Innsbruck hatte sich mit der Frage zu befassen, ob zwischen der Lebenshilfe Tirol in seiner Tätigkeit als Dienstleistungsträger für geistig und mehrfach behinderte Menschen einerseits und dem Heimbewohner andererseits ein privatrechtliches Rechtsverhältnis entsteht.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass die Bestimmungen des KSchG weder teilweise noch zur Gänze Anwendung finden würden. Sie sei eine gemeinnützige Einrichtung, die aufgrund der Bestimmungen des Tiroler Rehabilitationsgesetzes mit verwaltungsrechtlichem Vertrag seitens des Landes Tirol beauftragt worden sei. Es würden keine Alters- und Pflegeheime vorliegen. Sie erbringe an die betroffenen Personen Rehabilitationsleistungen, die zum Teil auch mit Bescheid nach § 18 TirRehaG zuerkannt würden. Es liege kein klassischer Heimvertrag vor, das Entgelt und die Dauer der Maßnahme würden von der Behörde hoheitlich per Bescheid bestimmt.
Diese Einwände ließ das LG Innsbruck nicht gelten und gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt:
Die Beklagte verstößt gegen das Schriftformgebot bei Heimverträgen. Das Rechtsverhältnis der Beklagten mit den Bewohnern unterliegt §§ 27b KSchG. Sie hat ihre gesetzwidrige Praxis zu unterlassen, keine schriftlichen Heimverträge zu errichten und den Heimbewohnern bzw. dessen Vertreter keine Abschrift der Vertragsurkunde auszufolgen.
Das Gericht stellte dazu Folgendes fest:
Die Beklagte ist ein sozialer Dienstleistungsträger für geistig und mehrfach behinderter Menschen. Sie steht mit dem Land Tirol in privatrechtlicher Rechtsbeziehung und übernimmt grundsätzlich auch Rehabilitationsmaßnahmen nach dem Tiroler Rehabilitationsgesetz.
Die Sonderregeln der §§ 27b ff gelten für auf Dauer oder auf bestimmte Zeit abgeschlossene Verträge über die Unterkunft, die Betreuung und die Pflege in einem Alten- oder Pflegeheim oder einer vergleichbaren Einrichtung. Beruhen die Aufnahme und der weitere Aufenthalt einer Person in solchen Einrichtungen allein auf öffentlich-rechtlichen Vorschriften, so kommen die §§ 27b ff KSchG nicht zur Anwendung. Wohl aber gilt Verbraucherrecht, wenn sich an eine öffentlich rechtliche Zuweisung ein vertragsrechtliches Verhältnis knüpft.
Die Sonderregeln der §§ 27b ff KSchG können auch für andere Institutionen, die mit einem Heim nur mehr wenig gemeinsam haben, Bedeutung erlangen, etwa für Behinderteneinrichtungen oder auch für "Pflegestellen" in landwirtschaftlichen Betrieben, die mehr als drei Menschen aufnehmen können.
Bedient sich ein Sozialhilfeträger zur Erfüllung der öffentlich-rechtlichen Heimunterbringung eines Dritten (hier die Lebenshilfe Tirol), der mit dem Bewohner über die Grundversorgung hinausgehende Zusatzleistungen vereinbart, so unterliegt dieses Rechtsverhältnis den Bestimmungen der §§ 27b ff KSchG.
Unabhängig von solchen Zusatzleistungen ist das Rechtsverhältnis zwischen Heimträger und Bewohner nach Zivilrecht zu beurteilen, wenn die Unterbringung, die Betreuung und die Pflege nicht ausschließlich öffentlich rechtlich geregelt sind.
In Anwendung dieser Grundsätze für den vorliegenden Fall ergibt sich, dass die Beklagte den Bewohnern über die Grundversorgung hinausgehende Zusatzleistungen anbietet, sodass dieses Rechtsverhältnis den Bestimmungen der §§ 27b KSchG unterliegt.
Ausnahmetatbestand greift nicht:
Auch den Einwand, die Beklagte betreibe eine stationäre Einrichtung für medizinische Rehabilitationsmaßnahmen im Sinne des Ausnahmetatbestandes des § 27b Abs 1 KSchG, überzeugte das Gericht nicht. Medizinische Rehabilitation versteht sich nämlich anders, als jene "Rehabilitationsleistungen", die die Beklagte nach ihrem Verständnis erbringe. Es fehlten u.a. der ursächliche und zeitliche Zusammenhang mit der akutmedizinischen Versorgung und die zeitliche Begrenzung der Rehabilitation. Die Beklagte biete Dauerwohnplätze, welcher Umstand mit den Grundsätzen der Rehabilitation nicht vereinbar ist.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Stand 10.2.2015)
LG Innsbruck 27.01.2015, 6 Cg 115/14v
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien