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Urteil: "Neuwagen" bedeutet fabriksneu

Das OLG Wien verurteilt einen KFZ-Händler zur Preisminderung, weil die Zusage eines "Neuwagens" bedeutet, dass das Fahrzeug fabriksneu sein muss. Ein fabriksneues Fahrzeug darf nach der einschlägigen Ö-Norm bei der Übergabe nicht älter als 11 bzw. 13 Monate sein.

Der Kläger schloss am 5.9.2006 mit der Beklagten einen Kaufvertrag über einen Neuwagen erstklassigen Zustands der Type Chevrolet zum Gesamtkaufpreis von € 29.900,-. Der Listenpreis betrug € 49.900,-. Das übergebene Fahrzeug wurde am 30.1.2004 produziert, zwischen Produktion und dem Tag der Übergabe lag daher eine Zeitspanne von 32 Monaten. Der Marktpreis des übergebenen Fahrzeuges betrug im Zeitpunkt der Übergabe unter Berücksichtigung dieser Zeitspanne € 27.309,-.

Nach Übergabe stellte der Kläger diverse Mängel (vor allem diverse Korrosionen) fest. Darüber hinaus war der PKW bei der Übergabe bereits älter als 13 Monate und damit kein Neuwagen im Sinne der einschlägigen ÖNORM 5051.

Die Beklagte verweigerte den Austausch, worauf der Käufer Preisminderung in Höhe von € 11.996,- gemäß § 932 Abs 4 ABGB gerichtlich geltend machte.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Im konkreten Fall sei die Zusage eines "Neuwagens" erstklassigen Zustands ausdrücklich vereinbart worden. Darin liege die konkludente Zusicherung, dass das Fahrzeug "fabriksneu" sei. Gemäß ÖNORM V 5051 dürfen fabriksneue Fahrzeuge eine bestimmte Zeitspanne zwischen Produktion und Übergabe nicht überschreiten. Diese ÖNORM sei zwar nicht vereinbart worden, allerdings würden ÖNORMEN das Maß der gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften (§ 922 ABGB) widerspiegeln. Insofern bedürfe es auch keiner vertraglichen Verweisung auf diese ÖNORM. Nach dieser ÖNORM sei ein Fahrzeug nicht mehr als fabriksneu anzusehen, das bei Übergabe älter als 11 Monate ab Produktionsdatum eines Herstellers im EU-Raum bzw. 13 Monate ab Produktionsdatum eines anderen Herstellers ist. Das gegenständliche Fahrzeug wies bei Übergabe aber eine Zeitspanne von 32 Monaten auf, weshalb dem Fahrzeug bei Übergabe eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft fehlte. Es war daher bereits aus diesem Grund mangelhaft im Sinn des § 922 ABGB. Darüber hinaus stellten auch die Korrosionen, die bei Übergabe schon vorhanden waren, Mängel dar. Da die Beklagte den Austausch verweigerte, bestand der Anspruch des Klägers auf Preisminderung zu Recht.

Die Preisminderung war nach der relativen Berechnungsmethode vorzunehmen. Danach muss sich der vereinbarte Preis zum geminderten Preis so verhalten wie der objektive Wert der Sache ohne Mangel zum objektiven Wert der Sache mit Mangel.

Im konkreten Fall betrug der vereinbarte Kaufpreis € 29.900,-. Der objektive Wert der Sache (ohne Mangel) ergab sich aus dem Listenpreis und war mit € 49.900,- anzusetzen. Unter Berücksichtigung allein wurde ein objektiver Wert von € 27.309,- ermittelt.

Allein unter Berücksichtigung des Mangels der Zeitspanne zwischen Produktion und Übergabe wurde eine  Preisminderung von € 13.536,- für angemessen erachtet. Eine Bewertung der vorliegenden Korrosionsmängel konnte daher unterbleiben.

Nach Erstattung der Berufung und Berufungsbeantwortung wurde über das Vermögen der Beklagten der Konkurs eröffnet. Der Kläger meldete seine Forderung im Konkursverfahren an, die von der Masseverwalterin zur Gänze bestritten wurde. In weiterer Folge wurde das durch die Konkurseröffnung unterbrochene Berufungsverfahren auf Antrag des Klägers wieder fortgesetzt.

Das OLG Wien als Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Unstrittig sei, dass ein "Neuwagen" Gegenstand des Kaufvertrages war. Unter einem Neuwagen verstehe man ein Fahrzeug, das noch keinen Vorbesitzer hatte und fabriksneu ist. Im Verkauf eines Neuwagens durch den Kfz-Händler liege in der Regel daher die konkludente Zusicherung, dass das verkaufte Fahrzeug fabriksneu ist.

Die Eigenschaft fabriksneu setze nach der Ö-Norm V 5051 voraus, dass das Fahrzeug bei der Übergabe nicht älter als 11 bzw.13 Monate ab dem Produktionsdatum ist. Schon aufgrund der langen Zeitspanne zwischen Produktion und der Übergabe sei das Fahrzeug mangelhaft gewesen.

Die entsprechende Preisminderung könne dem Kläger nicht mit dem Hinweis verweigert werden, dass der Wert des mangelhaften Fahrzeuges in etwa dem Kaufpreis entspricht.

Die Gleichsetzung des Listenpreises (€ 49.900,-) sei mit dem objektiven Verkehrswert des Fahrzeuges ohne Mangel im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Das Urteil ist rechtskräftig.

HG Wien 3.3.2008, 18 Cg 21/07p
OLG Wien 30.11.2008, 1 R 86/08m
Klagevertreter: Mag. Klaus Keider, Rechtsanwalt in Wien

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