Gegenstand des Verfahrens war folgende den Kreditverträgen der Santander Consumer Bank zugrunde liegende Klausel:
"Freiwillige Versicherung
Hat sich der Kreditnehmer zum Abschluss einer freiwilligen Versicherung zu gegenständlichem Kredit oder zur Besicherung des Kredites durch eine bereits bestehende Versicherung entschieden, so ist diese für die Dauer des Schuldverhältnisses aufrecht zu erhalten. Der Kreditnehmer hat die Vinkulierung des Versicherungsvertrags zugunsten der BANK beim Versicherer zu erwirken. Der Kreditnehmer tritt alle ihm aus den vorbeschriebenen Versicherungen zustehenden Rechte unwiderruflich an die BANK ab. Im Schadensfall ist die BANK berechtigt, die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen und Entschädigungsquittungen auszustellen; sie ist ausschließlich berechtigt, die Zahlungen entgegenzunehmen. Der Kreditnehmer hat die Prämienzahlung direkt mit dem Versicherer zu regeln und der BANK über Verlangen die termingemäße Prämienzahlung auch durch Vorlage der Zahlungsbelege nachzuweisen. Die BANK ist berechtigt, auf Kosten des Kreditnehmers die Versicherungen aufrecht zu erhalten und die Bezahlung der Prämie samt allfälliger Kosten sofort bar zu verlangen oder mit verzinslicher Wirkung dem Kreditkonto anzulasten. Von jedem Schadensfall hat der Kreditnehmer dem Versicherer und der BANK umgehend Mitteilung zu machen."
In den Kreditverträgen mit Verbrauchern wurde ein effektiver Jahreszins angegeben, bei dessen Berechnung die Kosten einer Kreditrestschuldversicherung nicht als Teil der Gesamtkosten des Kredits berücksichtigt wurden.
Während das Berufungsgericht der auf §§ 28 und 28a KSchG gestützten Klage des VKI (auf Unterlassung der Verwendung der Klausel und der Angabe von zu niedrigen - weil die Versicherungskosten nicht berücksichtigenden - effektiven Jahreszinssätzen) nur teilweise Folge gab, sah der OGH das Begehren als berechtigt an:
Unzulässigkeit der Klausel (§ 28 KSchG)
1. Die Klausel muss demnach in ihrer Gesamtheit beurteilt werden und ist nicht - wie von der Beklagten geltend gemacht - in 6 einzelne und jeweils eigenständig zu beurteilende Klauseln zu teilen. Vielmehr fasst die Klausel Bestimmungen zusammen, die in ihrer Gesamtheit bewirken, dass die "freiwillige Versicherung" der Beklagten verpflichtend als Sicherungsmittel für ihre aushaftende Kreditforderung dient.
2. Selbst wenn - wie von der Beklagten vorgebracht - weder Abschluss noch Modalitäten des Kreditvertrags vom Abschluss der Versicherung abhängen sollten, wäre die Klausel im Verein mit der Überschrift der Klausel ("Freiwillige Versicherung") gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB und überraschend iSd § 864a ABGB. Wird ein Versicherungsvertrag freiwillig abgeschlossen, dient er dem Schutz des Versicherungsnehmers selbst und nicht jenem des Gläubigers. Dann müsste es auch der Kreditnehmer in der Hand haben, ob er ihn abschließt, wie lange er ihn aufrecht erhält, ob und wie er Zahlung leistet und ob er ihn kündigt. Dass der Kreditnehmer der Beklagten eine Sicherheit für die Kreditrückzahlung geben muss, zu der er ohne Versicherungsvertrag gar nicht verpflichtet wäre, wäre gröblich benachteiligend. Allerdings zielt die Klausel von vornherein - entgegen der Überschrift - darauf ab, den VN zur Besicherung seiner Forderung aus dem Kreditvertrag zu zwingen.
3. Aus dem Text in seiner Gesamtheit ergibt sich allerdings, dass die Versicherung von vornherein nicht "freiwillig" ist, sondern als Sicherungsmittel dienen soll. Schon der Widerspruch zwischen Regelungsinhalt und Überschrift macht die Klausel objektiv ungewöhnlich, überraschend und benachteiligend, auch wenn eine Vinkulierung oder eine Verpfändung im Bankgeschäft für sich nicht ungewöhnlich sind. Er bewirkt ferner, dass der Verbraucher über seine Vertragsposition im Unklaren gelassen wird - Verstoß gegen das Transparenzgebot § 6 Abs 3 KSchG.
4. Keine Übertragbarkeit von Grundsätzen der Feuerversicherung, weil der Kreditgeber dort bereits durch eine Hypothek gesichert ist.
Versicherungskosten fallen unter die Gesamtkosten des Kredits iSd § 2 Abs 5 VKrG (§ 28a KSchG)
1. Den Gesamtkosten gem § 2 Abs 5 VKrG kommt eine Schlüsselfunktion im Verbraucherkreditrecht zu, um einer Preisverschleierung effektiv entgegen zu steuern. Daher ist entscheidend, dass die Kosten - unabhängig davon, an wen sie zu zahlen sind - wirtschaftlich vom Verbraucher zu tragen sind und dass sie dem Kreditgeber bekannt sind.
2. Die Beklagte weiß aufgrund der Vermittlung der Versicherung vor Vertragsabschluss, dass diese abgeschlossen und nach ihrer AGB-Klausel als Sicherheit dienen wird. Sie weiß daher auch, dass der Kreditnehmer für die Dauer des Kreditvertrags verpflichtend mit der Prämie der Versicherung belastet sein wird. Ob der Versicherungsvertrag ausdrücklich zur Bedingung für den Kreditvertrag wird oder sich der Versicherungsnehmer "nur" der AGB-Klausel unterwirft (und damit genauso zur Aufrechterhaltung des Vertrags verpflichtet ist), ist für den Verbraucher wirtschaftlich gleich.
Die Versicherungsprämien gehören daher zu den Gesamtkosten nach § 2 Abs 5 VKrG, wenn bei Kreditvertragsabschluss gleichzeitig ein Versicherungsvertrag geschlossen oder ein bestehender als Sicherheit gefordert wird und sich der Verbraucher als Kreditnehmer zur Aufrechterhaltung des Versicherungsvertrags für die Dauer des Kredits unter Vinkulierung und Verpfändung der Ansprüche aus diesem verpflichtet.
OGH 18.09.2013, 7 Ob 44/13s
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Klagsvertreter: RA Dr. Stefan Langer
Anmerkung:
1. Der effektive Jahreszins, der die Gesamtkosten des Kredits als "tatsächlichen Preis" ausdrückt, dient dem Verbraucher als zuverlässige Basis für einen (europaweiten) Vergleich verschiedener Kreditangebote. Um falsche Nachfrageentscheidungen der Verbraucher, die bei unrichtiger Angabe auf falscher Basis erfolgen, hintanzuhalten und die Regelung im VKrG effektiv zu sanktionieren, sieht § 9 Abs 5 Z 2 VKrG (seit DaKRÄG, Inkrafttreten am 11.6.2010) als Rechtsfolge zu niedrig ausgewiesener effektiver Jahreszinsen eine Vertragsanpassung vor. Demnach kommt es ex lege und ohne weitere Voraussetzungen (anders als bei §§ 871 ff ABGB daher auch ohne Kausalität) dazu, dass der Kreditgeber den zu niedrigen effektiven Jahreszins gegen sich gelten lassen muss (Ersatz des Erfüllungsinteresses).
2. Die Zahlungspflichten des Verbrauchers sind dabei mittels einer Neuberechnung des Sollzinssatzes soweit zu mindern, dass der unter Berücksichtigung der getroffenen vertraglichen Vereinbarung eigentlich zu niedrige effektive Jahreszins richtig wird. Die Berechnung des neuen Sollzinssatzes (nicht des effektiven Jahreszinses!) ist mithilfe der in Teil I Anh I enthaltenen Formel für den effektiven Jahreszins zu ermitteln. Die Ersparnis des Verbrauchers aus der Reduktion des Sollzinssatzes ist dabei aufgrund der unterschiedlichen Fälligkeit der nicht berücksichtigten Kreditkosten und jener der über die gesamte Kreditlaufzeit verteilten Sollzinsen betragsmäßig größer, wenn - wie im konkreten Fall zB bei Einmalprämie für die Versicherung - die nicht berücksichtigten Kreditkosten am Beginn des Kredits anfallen (und sofern der Verbraucher den Kredit nicht vorzeitig zurück zahlt).
3. Der Kreditgeber ist nach § 9 Abs 5 VKrG verpflichtet, dem Verbraucher die aufgrund der Neuberechnung des Sollzinssatzes tatsächlich geschuldete (niedrigere !) Kreditrate zu berechnen und bekannt zu geben. Bis dahin hat der Verbraucher das Recht zur Einbehaltung fälliger Raten. Hat der Verbraucher bereits - überhöhte - Raten bezahlt, steht ihm ferner ein vertraglicher (und mittels Leistungsklage durchsetzbarer) Anspruch auf eine richtige Kontoführung zu. Der Kreditgeber hat die überhöhten Zinsanteile der bereits bezahlten Raten diesfalls rückwirkend auf Kapital zu verrechnen, wodurch es für den Verbraucher - aufgrund der gegenüber dem ursprünglichen Tilgungsplan rascheren Kapitalrückzahlung - zu einer zusätzlichen Zinsersparnis kommt.
Vgl ausführlich zu § 9 Abs 5 Z 2 VKrG, dessen Verhältnis zum allgemeinen Irrtums- und Schadenersatzrecht sowie Berechnung und Rechtsdurchsetzung Haghofer, Rechtsfolgen der Angabe eines zu niedrigen effektiven Jahreszinses, in Blaschek/Reiffenstein (Hrsg), Konsumentenpolitisches Jahrbuch 2010/2011.