Gute Lage aber Risse in der Mauer
Die Wohnung, die der Konsument erwarb, befand sich in einem Haus aus den sechziger Jahren, Hanglage und beste Wiener Wohnlage. Was der Konsument aber nicht wusste, war die Tatsache, dass es sich bei jenem Haus um ein wahres Problemhaus handelte. Bereits zwei Jahre nach Baufertigstellung traten die ersten Mauerrisse auf. Der beigezogene Sachverständige stellte fest, dass an der Rissbildung horizontale und vertikale Bewegungen des Gebäudes Schuld seien.
Dauerhafte Sanierung kaum möglich
Eine Gefahr für die Standsicherheit des Hauses würde zwar nicht bestehen. Eine dauerhafte Sanierung sei jedoch aufgrund des hohen wirtschaftlichen Aufwandes nicht möglich. Die Hausbewohner müssen sich damit abfinden, "mit den Schäden zumindest eine unbestimmte Zeit hinaus noch zu leben, wolle man allenfalls hohe verlorene Aufwendungen aller vermeiden". Vom ersten Schadensfall an, war der Sachverständige ein regelmäßiger Gast. Immer wieder auftretende Risse wurden kosmetisch auf Kosten der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer beseitigt. Eine Besserung des Zustandes trat nicht ein.
Nur ein "optisches Problem"
Als 1991 der Konsument die Wohnung erwarb, wurde ihm versichert, dass die Mauerrisse ein rein optisches Problem seien, die durch Übermalen behoben werden könnten. Kurz nach dem Kauf traten wieder größere Schäden auf, eine umfangreiche Sanierung wurde notwendig. Erst zu diesem Zeitpunkt wurde der Konsument mit dem wahren Ausmaß des Problems vertraut.
Klage auf Rückabwicklung
Der Konsument erhob daraufhin Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrages wegen Irreführung. Wäre er nämlich vom Verkäufer bei Vertragsabschluss über die Ursache und das Ausmaß der immer wieder auftretenden Mauerrisse aufgeklärt worden, hätte er das Geschäft nicht abgeschlossen .
Berufungsgericht wies Klage ab
Während das Erstgericht der Klage stattgab, wies das Berufungsgericht das Begehren unter anderem mit folgender Begründung ab: Der Wohnungskauf sei als "wirtschaftliches Umsatzgeschäft" zu qualifizieren. Typisch sei dabei, dass die Vertragspartner widerstreitende Interessen verfolgen würden und dass bei derartigen Geschäften kein persönliches Vertrauensverhältnis wie etwa bei einem Dienst- oder Gesellschaftsvertrag bestehen würde. Deshalb käme es zu einer realitätsfernen Überspannung der Aufklärungspflichten des Verkäufers, würde man diesem zumuten, "die Eigenschaften des Vertragsobjektes so negativ darzustellen, dass er keinesfalls einen über den Marktwert liegenden Preis erzielen" könne. Der Käufer sei selber dazu angehalten, eine Bewertung des Kaufgegenstandes vorzunehmen.
OGH entschied für den Kläger
Der klagende Konsument ging in die Revision, der vom OGH stattgegeben wurde. Der OGH führte aus, dass ein Käufer im redlichen Geschäftsverkehr gemäß § 922 ABGB darauf vertrauen könne, dass der Kaufgegenstand die gewöhnlich vorausgesetzten Eigenschaften aufweisen würde. Entgegen der Beurteilung des Berufungsgerichtes sei der Verkäufer auch bei wirtschaftlichen Umsatzgeschäften verpflichtet, den Käufer hinsichtlich der Beschaffenheit des Kaufobjektes aufzuklären, wenn dieses die nach Verkehrsübung erwartbaren Eigenschaften nicht aufweisen würde. Die Eigenschaften, die verkehrsüblich vorausgesetzt werden können, seien nicht abstrakt, sondern unter Berücksichtigung der Rechtsnatur des Wohnungseigentums (WEG) zu ermitteln. Die Mauerschäden seinen nach dem WEG als ernste Schäden des Hauses zu werten, die von der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu beheben seien. Somit müsse der Konsument auch die Schadensbehebung in anderen Wohnungen mitfinanzieren, was eine ungewöhnliche Eigenschaft des Kaufobjektes darstelle, über die er nicht aufgeklärt wurde. Eine Rückabwicklung des Vertrages wegen Geschäftsirrtums sei deshalb zulässig.