Die Beklagte bot über ihre Homepage „zupfdi.at“ an, vermeintliche Besitzstörungen durch widerrechtliches Abstellen von KFZ wahrzunehmen. Betroffene konnten eine solche Besitzstörung bei der Beklagten melden und ihren Anspruch an diese abtreten. Daraufhin übermittelte die Beklagte dem behaupteten Störer ein unpräjudizielles Angebot, von einer Besitzstörungsklage gegen Zahlung eines Pauschalbetrages Abstand zu nehmen. Dem Melder der Besitzstörung wurde eine „Provision“ iHv 50% des erzielten Betrages, maximal aber EUR 200,- in Aussicht gestellt. Die Beklagte verwendete im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern AGB, die sie den von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legte.
Der VKI beanstandete insgesamt sechs Klauseln aus dem von den Beklagten verwendeten Vertragsformblatt „Bestätigung und Zessionserklärung“ und/oder deren AGB, welche unter https://oida.zupfdi.at bzw https://zupfdi.at/agb/ abrufbar waren.
Betreffend drei dieser Klauseln erstattete die Beklagte ein prozessuales Anerkenntnis, woraufhin am 5.12.2023 ein klagsstattgebendes Teilanerkenntnisurteil erging. Dies betraf folgende Klauseln:
Klausel 1:
„Hiermit bestätige ich, den Inhalt der AGB sowie Datenschutzerklärung der Fumy - The Private Circle GmbH zu kennen, akzeptiere diese und trete hiermit meine sämtlichen, rechtlichen Ansprüche aus obig genannter und gemeldeter Besitzstörung sowie des hieraus resultierenden, behaupteten Anspruches unentgeltlich und vollständig - jedoch widerruflich (§ 2 Abs 4.2 AGB) - an die Fumy - The Private Circle GmbH - The Private Circle GmbH - als Zessionar ab (Zession - § 1392 ABGB). Nach Absenden des Formulars erhalte ich eine entsprechende, automatisierte E-Mail (Empfangsbestätigung), in welcher mir eine von Fumy - The Private Circle GmbH firmenmäßig (gegen)gezeichnete Zessionsvereinbarung übermittelt wird. Hierdurch nimmt Fumy - The Private Circle GmbH die Zession an und übernimmt diese iSd § 427 ABGB. Darüber hinaus räume ich Fumy - The Private Circle GmbH ausdrücklich Mitbesitz an meinem Besitz an obig genannten Adressen, an welchen ein Fahrzeug widerrechtlich abgestellt wurde, ein. Für den Fall, dass in Zusammenhang mit dem abgetretenen Anspruch seitens des Zessionars eine wie auch immer geartete Zahlung außergerichtlich einbringlich gemacht werden kann, erhalte ich, der Zedent, hiervon eine Provision in der Höhe von 50 % des Nettobetrages dieser Zahlung abzüglich seitens des Zessionars zur Einbringlichmachung aufgewendeter Kosten sowie Barauslagen. Ausdrücklich hingewiesen wird, dass im Falle einer gerichtlichen Durchsetzung des zedierten Anspruchs durch Fumy - The Private Circle GmbH (§ 3 Z 5 AGB) der Besitzstörung kein Provisionsanspruch wie auch keine Kosten für mich als Zedenten entstehen.“
Klausel 2:
„Im Falle, dass seitens des Melders eine Rückabwicklung der Zession begehrt wird, erklärt sich Fumy zur dieser unter der Voraussetzung der Bezahlung einer pauschalen Bearbeitungspauschale von € 200,00 bereit.“
Klausel 3:
„Für den Fall, dass Fumy von einer Klagseinbringung ohne vorherigen Erhalt einer entsprechenden, unterfertigten Unterlassungserklärung und/oder einer Zahlung (§ 3 Abs 4) absieht, bietet Fumy dem Melder die kostenfreie Rückabwicklung der Zession iSd § 2 Abs 4.2 zur selbstständigen Verfolgung respektive Geltendmachung an, welche der Melder annehmen oder ablehnen kann.
Nimmt der Melder die Rückabwicklung an, gilt § 2 Abs 4.2 mit Ausnahme des Pauschalbetrages sinngemäß.
Lehnt der Melder die Rückabwicklung aus, verbleibt Fumy Zessionar.“
Über die drei verbliebenen, nicht vom Teilanerkenntnisurteil umfassten Klauseln sprach das HG Wien mit Endurteil vom 29.2.2024 ab; im Ergebnis beurteilte das Gericht sämtliche Klauseln als rechtswidrig.
Wiederholungsgefahr:
Die Wiederholungsgefahr wurde vom HG Wien ungeachtet der von der Beklagten behaupteten grundsätzlichen Bereitschaft, ihre AGB in Abstimmung mit der Klägerin anzupassen, bejaht, zumal die Beklagte sich im Verfahren auf den prinzipiellen Standpunkt stellte, dass die Verwendung der AGB in der verfahrensgegenständlichen Fassung zulässig sei. Eine bloße Änderung der Geschäftsbedingungen bietet nämlich keine Gewähr dafür, dass sich das Unternehmen nicht für bereits bestehende Verträge auf eine frühere Fassung beruft und reicht keinesfalls aus, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen (RIS-Justiz RS0124304).
Folgende Klauseln wurden als unzulässig beurteilt:
Klausel 4:
„Von den gegenständlichen AGB abweichende Bedingungen haben keine Gültigkeit, sofern sie nicht schriftlich zwischen Fumy und den Vertragspartnern einzelvertraglich vereinbart wurden.“
Diese Klausel verstößt gegen die Bestimmung des § 10 Abs 3 KSchG, wonach die Rechtswirksamkeit formloser (zB mündlicher) Erklärungen des Unternehmers zum Nachteil des Verbrauchers vertraglich nicht ausgeschlossen werden kann. An diesem Umstand ändert auch nichts, dass es – zumindest laut Angaben der Beklagten – keine von den AGB abweichenden mündlichen Vereinbarungen gebe. Im Verbandsprozess ist auf die praktische Handhabung einer Klausel nämlich keine Rücksicht zu nehmen; es ist vielmehr die Klausel an sich auszulegen, und zwar nach dem Prinzip der kundenfeindlichsten Auslegung.
Klausel 5:
„Für den Fall, dass in Zusammenhang mit einer versandten Unterlassungserklärung iSd § 3 Abs 2 eine Zahlung eines Teils oder in der gesamten Höhe der Strafbewehrung bei Fumy eingeht, erhält der Melder hiervon eine Provision in der Höhe von 50 % des Nettobetrages dieser Zahlung abzüglich seitens Fumy zur Einbringlichmachung aufgewendeter Kosten sowie Barauslagen. Zu diesem Zwecke hat der Melder seine Bankverbindung in Zuge seiner Meldung gem § 2 anzugeben – unterlässt er dies, verfällt sein Provisionsanspruch.“
Die in Satz 1 dieser Klausel enthaltene Bestimmung ist intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, weil sich der Verbraucher kein klares Bild von seiner Vertragsposition machen kann. Insbesondere fehlt es in den AGB einer Konkretisierung, welche Kosten ‚zur Einbringlichmachung aufgewendet‘ werden; auch eine Einschränkung auf notwendige bzw zweckentsprechende Kosten lässt sich den AGB nicht entnehmen. Der in Satz 2 angeordnete völligen Entfall des Provisionsanspruches des Verbrauchers bei Unterlassung der Angabe der Bankverbindung bereits bei der Meldung ist nicht sachlich gerechtfertigt, zumal eine solche Angabe leicht nachgeholt werden kann, und daher gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB.
Klausel 6:
„Vorbehaltlich der Regelung in Abs 2 wird die Haftung von Fumy für Schadensersatz wie folgt beschränkt:
Die Haftung von Fumy für leicht fahrlässig verursachte Schäden ist ausgeschlossen.“
Entsprechend der ständigen Rechtsprechung des OGH sind umfassende Freizeichnungserklärungen für leichte Fahrlässigkeit (Personenschäden ausgenommen) gröblich benachteiligend (vgl RIS-Justiz RS0130673); auch aus § 6 Abs 1 Z 9 KSchG lässt sich Gegenteiliges nicht e contrario ableiten. Die vorliegende Klausel verstößt somit gegen § 879 Abs 3 ABGB.
HG Wien, 29.02.2024, 29 Cg 7/23h
Klagsvertreter: RA Dr. Stefan Langer
Anmerkung: Siehe zur im Provisorialverfahren gegen die Schwestergesellschaft der Fumy - die zupfdi Besitzschutz GmbH - am 25.01.2024 ergangenen Entscheidung des OGH zu 4 Ob 5/24z hier. Darin stellt der OGH klar, dass die - auch laut Teilanerkenntnisurteil des HG Wien unzulässige - Einräumung von Mitbesitz an die "Bewacherin" der Liegenschaft sachenrechtlich unwirksam ist. Da Besitzschutzansprüche ohne Übertragung des zugrunde liegenden Besitzes – wegen sonstiger Aufspaltung von Interesse und Interesseschutz – nicht abgetreten werden können, folgt daraus, dass der Antragsgegnerin im Provisorialverfahren (zupfdi Besitzschutz) bzw der im VKI-Verfahren bekl Fumy für etwaige Besitzstörungsverfahren die Aktivlegitimation fehlt.
Hier finden Sie die beiden Urteile des HG Wien im Volltext: