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zupfdi.at: „Besitzschützer“-Geschäftsmodell laut OGH unzulässig

Eine Rechtsanwaltskanzlei hatte eine einstweilige Verfügung (eV) gegen die Zupf di Besitzschutz GmbH begehrt, wonach diese die von ihr kommerziell betriebene Abmahnpraxis bei behaupteten Besitzstörungen zu unterlassen habe. Die Antragsgegnerin hatte eine Website (zupfdi.at) betrieben, bei der Betroffene eine Besitzstörung durch das widerrechtliche Abstellen von Kfz melden und deren Ansprüche an die Antragsgegnerin abtreten konnten, woraufhin diese Abmahnschreiben an die (vermeintlichen) Besitzstörer versandte. Der OGH gab der Antragstellerin mit Beschluss vom 25.01.2024 recht und erließ die eV; das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin in der betriebenen Form ist somit unzulässig. Der Beschluss des OGH ist rechtskräftig. 

Die Antragsgegnerin ist im Bereich des Sicherheitsgewerbes sowie der Datenverarbeitung und Informationstechnik tätig und verfügt über entsprechende Gewerbeberechtigungen. Über ihre Homepage „zupfdi.at“ bietet die Antragsgegnerin an, vermeintliche Besitzstörungen durch widerrechtliches Abstellen von KFZ wahrzunehmen. Betroffene können eine solche Besitzstörung online melden und ihren Anspruch an die Antragsgegnerin abtreten. Daraufhin forscht die Antragsgegnerin dem (vermeintlichen) Falschparker bei der Behörde aus und übermittelt diesem ein unpräjudizielles Angebot, von einer Besitzstörungsklage gegen Zahlung eines Pauschalbetrages Abstand zu nehmen. Dem Melder der Besitzstörung wird eine „Provision“ iHv 50% des erzielten Betrages in Aussicht gestellt. Nach den AGB der Antragsgegnerin räumt der Kunde der Antragsgegnerin „Mitbesitz an der gestörten Liegenschaft“ ein. 

Die Antragstellerin, eine Rechtsanwaltskanzlei, begehrt die Erlassung einer eV, wonach die Antragsgegnerin es zu unterlassen habe, im geschäftlichen Verkehr im Auftrag Dritter Aufforderungsschreiben an (potentielle) Besitzstörer zu versenden, mit denen diese zur Abgabe von Unterlassungserklärungen, Zahlung von Geldbeträgen oder zum Abschluss eines Vergleiches aufgefordert werden. Die Vorgangsweise der Antragsgegnerin sei als vorprozessuales Einschreiten für Dritte in Rechtsangelegenheiten zu qualifizieren. Diese Tätigkeit ist jedoch gem § 8 RAO Rechtsanwälten vorbehalten. Dadurch verstoße die Antragsgegnerin auch gegen § 1 Abs 1 Z 1 UWG („Vorsprung durch Rechtsbruch“), weil sie die Tätigkeit eines Rechtsanwaltes ausübe, ohne an das restriktive anwaltliche Berufsrecht gebunden zu sein.

Die Antragsgegnerin wandte ein, ihr komme Mitbesitz an den betroffenen Parkplätzen zu, weswegen sie eigene Ansprüche geltend mache; eine Tätigkeit iSd § 8 RAO liege daher nicht vor.

Die Unterinstanzen folgten der Auffassung der Antragsgegnerin und wiesen den Antrag ab. In seinem Beschluss vom 25.01.2024 gab der OGH dem Revisionsrekurs der Antragstellerin statt und erließ die beantragte eV.

Sachenrechtlich unwirksame Einräumung von Besitz:

Die Antragsgegnerin bietet ihren Kunden an, dass deren Besitz geschützt wird; dies korrespondiert auch mit den zentralen Werbebotschaften der Antragsgegnerin. Den Kunden wird empfohlen, nicht selbst zu klagen, sondern die Antragsgegnerin zu beauftragen. Das Geschäftsmodell der Antragsgegnerin zielt somit darauf ab, die Interessen der Kunden (und nicht ihre eigenen Interessen) gegenüber dem Besitzstörer zu vertreten und sich daraus ergebende Ansprüche außerprozessual durchzusetzen. Rechtsbesitz der Antragsgegnerin an den betroffenen Liegenschaften scheitert daher schon daran, dass kein Gebrauch im eigenen Namen (§ 312 ABGB) vorliegt. Darüber hinaus hat die Antragsgegnerin als bloße Bewacherin weder Sach- noch Rechtsbesitz an der bewachten Sache (Liegenschaft), weil sie keinen Willen hat, die Sache für sich zu haben (vgl § 309 ABGB). Eine sachenrechtlich wirksame Einräumung von Mit- bzw Rechtsbesitz an die Antragsgegnerin liegt daher nicht vor. 

Verstoß gegen das anwaltliche Vertretungsmonopol:

Ungeachtet des Umstandes, dass die Antragsgegnerin rein formal nicht als Vertreterin der Kunden auftritt, bejahte der OGH einen Verstoß gegen das anwaltliche Vertretungsmonopol durch die „verdeckte Parteienvertretung“ seitens der Antragsgegnerin. Auch eine solche verdeckte Parteienvertretung ist von der ratio legis des § 8 Abs 2 RAO umfasst, zumal die gewählte Konstruktion primär dazu dient, zu verschleiern, dass die Interessen der von der Antragsgegnerin betreuten Kunden durchgesetzt werden sollen. Diese Vorgangsweise, die gerade darauf abzielt, § 8 Abs 2 RAO zu umgehen, ist damit auch lauterkeitsrechtlich nicht vertretbar. 

Erfolg des VKI in Parallelverfahren:

Das Geschäftsmodell von „zupfdi.at“ beschäftigt derzeit auch den VKI. In einem Verbandsverfahren (§ 28 KSchG) gegen die Fumy – The Private Circle GmbH (vormals Mutter-, nunmehr Schwestergesellschaft der Antragsgegnerin dieses Verfahrens) im Auftrag des Sozialministeriums wurde die Fumy vom HG Wien (29 Cg 7/23h) teilweise rechtskräftig zur Unterlassung von sechs Klauseln verurteilt. Nähere Informationen zu diesem Verfahren finden Sie hier.

Konsequenzen der Entscheidung:

Die Klarstellung der Unwirksamkeit der Einräumung von (Mit-)Besitz an die Antragsgegnerin ist unter anderem deshalb bedeutsam, weil Besitzschutzansprüche ohne Übertragung des zugrunde liegenden Besitzes (wegen sonstiger Aufspaltung von Interesse und Interesseschutz) nicht wirksam abgetreten werden können. Daraus folgt, dass der Antragsgegnerin (und sonstigen Personen, die dieses Geschäftsmodell betreiben) für etwaige Besitzstörungsverfahren die Aktivlegitimation fehlt. Gleiches folgt aus dem Teilanerkenntnisurteil des HG Wien (29 Cg 7/23h), da die beklagte Fumy darin zur Unterlassung der Verwendung ua jener Klausel (K1) verurteilt wird, die regelt, dass Kund:innen der Fumy Mitbesitz an den betroffenen Liegenschaften einräumen und der Fumy ihre Besitzschutzansprüche abtreten.

 

OGH 25.01.2024, 4 Ob 5/24z 

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