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Bild: T.-Schneider / shutterstock

VKI-Erfolg gegen Sky Österreich (Sky X): Kein Entfall des Rücktrittsrechts schon bei Streaming-Beginn

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hat die Sky Österreich Fernsehen GmbH im Auftrag des Sozialministeriums wegen einer Klausel, mit der das Rücktrittsrecht von Verbraucher:innen bei Abschluss eines Streaming-Abos ausgeschlossen wird, geklagt. Das OLG Wien gab dem VKI nun in einem - nicht rechtskräftigen - Urteil recht.

Die Beklagte bietet unter der Bezeichnung „Sky X“ einen Streamingdienst für Filme und Sportereignisse an. Beim Streaming befinden sich die digitalen Inhalte auf einem Server, auf den die Kund:innen mit ihrem Endgerät (über Link oder App) zugreifen können. Abhängig von den konkreten Lizenzgeber:innen der im Abo enthaltenen Programme sind auch Downloads möglich. Wenn ein solcher Download möglich ist, können die digitalen Inhalte auf einem eigenen Speicher abgespeichert und unabhängig von einem Online-Zugang, jedenfalls aber nur einmal, angesehen werden. Ab Beginn des Abrufs muss ein Download innerhalb von 48 Stunden zu Ende betrachtet werden.

Der Online-Abschluss eines „Sky X“-Abos ist nur möglich, wenn der Kunde folgender Vertragsbestimmung per Mausklick zustimmt: 

Bei Bestellung eines Abos: Ich nehme die Sky X Widerrufsbelehrung zur Kenntnis. Ich stimme zu, dass Sky bereits vor Ablauf der 14-tägigen Widerrufsfrist mit der Vertragsausführung beginnt und ich dadurch bei Bestellung eines Abos mein Widerrufsrecht verliere.

Der VKI begehrt im Rahmen seiner Verbandsklagebefugnis gemäß § 29 KSchG, die Beklagte zu verpflichten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbraucher:innen die Verwendung dieser Klausel und die Berufung auf die Klausel zu unterlassen sowie den VKI zur Veröffentlichung des Urteilsspruchs zu ermächtigen. Der Abschluss eines Streaming-Abos ist nach Auffassung des VKI eine digitale Dienstleistung; gemäß § 18 Abs 1 Z 1 FAGG kann bei Dienstleistungen erst deren vollständige Erbringung zum Entfall des Rücktrittsrechts (=Widerrufsrechts) führen. 

Die Beklagte wandte dagegen ein, dass es sich bei dem gegenständlichen Streaming-Abo nicht um eine digitale Dienstleistung gem § 18 Abs 1 Z 1 FAGG, sondern um einen „digitalen Inhalt“ gem § 18 Abs 1 Z 11 FAGG handle. Da auch sämtliche sonstigen Voraussetzungen dieser Ausnahmebestimmung erfüllt seien, entfalle das Rücktrittsrecht bereits mit Beginn der Vertragserfüllung. Ein Rücktritt nach Beginn der Ausführung würde dazu führen, dass Kund:innen das Angebot bis zu 14 Tage nutzen und danach ohne Gegenleistung vom Vertrag zurücktreten könnten; auch eine Rückabwicklung sei nicht möglich, weil den Kund:innen sofort alle Inhalte zur Verfügung stünden.

Das HG Wien als Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Streamingdienste seien geradezu ein Paradebeispiel für die Bereitstellung von digitalen Inhalten; die Voraussetzungen des § 18 Abs 1 Z 11 FAGG seien daher erfüllt und die Beklagte könne sich auf diesen Ausnahmetatbestand berufen.

In seinem Urteil vom 23.02.2024 gab das OLG Wien der Berufung des VKI Folge, änderte das erstinstanzliche Urteil ab und gab der Klage statt. Wir fassen die wichtigsten Erkenntnisse dieses Urteils für Sie zusammen:

 

FAGG-Rücktrittsrecht und Ausnahmen:

Nach § 11 Abs 1 FAGG kommt Verbraucher:innen (unter anderem) bei Fernabsatzverträgen ein Rücktrittsrecht ohne Angabe von Gründen binnen 14 Tagen zu. § 18 FAGG regelt, wann – trotz grundsätzlicher Anwendbarkeit des FAGG – kein Rücktrittsrecht besteht.

So besteht etwa kein Rücktrittsrecht bei Verträgen über Dienstleistungen, wenn der Unternehmer (neben anderen Voraussetzungen) die Dienstleistung vollständig erbracht hat (§ 18 Abs 1 Z 1 FAGG). 

Demgegenüber entfällt das Rücktrittsrecht nach § 18 Abs 1 Z 11 FAGG bei Verträgen über die Bereitstellung von digitalen Inhalten, die nicht auf einem körperlichen Datenträger geliefert werden sollen (wiederum neben anderen Voraussetzungen) bereits, wenn der Unternehmer mit der Vertragserfüllung begonnen hat. 

Die Abgrenzung von Dienstleistungen, konkret „digitalen Dienstleistungen“ iSd § 3 Z 6 FAGG, einerseits und „digitalen Inhalten“, also Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden (§ 3 Z 5 FAGG), andererseits, steht somit im Kern dieses Verfahrens.

 

Streaming als digitale Dienstleistung:

Unter Verweis auf die dem FAGG zugrundeliegenden EU-Richtlinien (Verbraucherrechte-RL, Modernisierungs-RL), das österreichische Schrifttum und die deutsche Rechtslage schloss sich das OLG Wien der Auffassung des VKI an, dass Streaming als „digitale Dienstleistung“ anzusehen ist. Beim Streaming geht es nämlich nicht nur um den Datentransfer, sondern auch um den Zugang und die Bereitstellung der Inhalte, wobei es den Nutzer:innen gerade auf die Verfügbarkeit und Nutzbarkeit ankommt. Vertragsgegenstand ist somit der dauerhafte Betrieb der technischen Infrastruktur, die den Nutzer:innen eine jederzeitige Zugriffs- und Wiedergabemöglichkeit auf die enthaltenen „Fernsehkanäle“ und Videos während der gesamten Vertragslaufzeit ermöglicht.

Dementsprechend ist das Streaming-Angebot der Beklagten unter § 18 Abs 1 Z 1 (nicht: Z 11) FAGG zu subsumieren.

Die Missbrauchsgefahr, dass Verbraucher:innen die Daten lokal speichern und für sich selbst dauernd verfügbar machen könnten, die zentraler Grund (unter anderem) der Ausschlusstatbestände in den Z 1 und 11 des § 18 Abs 1 FAGG ist, besteht beim Angebot „Sky X“ gerade nicht; die Sendungen können ja nur einmal abgerufen werden. Auch die von der Beklagten aufgezeigte Möglichkeit, Verbraucher:innen könnten sich zu niedrigen Preisen Zugang zu attraktiven Inhalten verschaffen, wiegt nicht so schwer, dass das grundsätzlich vorgesehene Rücktrittsrecht entfallen müsste.

 

Konsequenz: Rücktrittsrecht besteht (Entscheidung nicht rechtskräftig)

Das OLG Wien hat – mangels Rechtsprechung des OGH zur Rechtsfrage der Subsumtion von Streaming-Angeboten unter § 18 Abs 1 Z 1 oder Z 11 FAGG – die ordentliche Revision zugelassen. Das Urteil ist somit nicht rechtskräftig

Wird das Urteil rechtskräftig, bedeutet dies für Verbraucher:innen, dass beim Abschluss von Streaming-Services grundsätzlich ein 14-tägiges Rücktrittsrecht besteht. Es besteht für die Verbraucher:innen also die Möglichkeit, die Dienstleistung (das Streaming-Angebot) zu prüfen, und innerhalb von 14 Tagen nach Vertragsabschluss zu entscheiden, ob sie das Angebot weiter in Anspruch nehmen wollen. 

Für jene Verbraucher:innen, die innerhalb des letzten Jahres ein „Sky X“-Abonnement abgeschlossen haben, bedeutet dies nach unserer Ansicht, dass sie immer noch ihr Rücktrittsrecht ausüben und vom Vertrag zurücktreten können: Die an sich 14-tägige Rücktrittsfrist (§ 11 Abs 1 FAGG) verlängert sich nämlich infolge der nicht ordnungsgemäßen Belehrung über das den Verbraucher:innen zustehende Rücktrittsrecht iSd § 4 Abs 1 Z 8 FAGG um 12 Monate (§ 12 Abs 1 FAGG). Dh, Verbraucher:innen können in einem Zeitraum von maximal 12 Monaten und 14 Tagen ab Vertragsabschluss vom Vertrag zurücktreten. 

Bei fristgemäßem Rücktritt – i.e. auch gegen Ende der „verlängerten“ Frist von 12 Monaten und 14 Tagen – treffen den Verbraucher keinerlei anteiligen Zahlungspflichten für die bis zum Rücktritt erbrachten Dienstleistungen. Die anteilige Zahlungspflicht entfällt nämlich gemäß § 16 Abs 2 FAGG, wenn der Unternehmer – wie hier – seinen Informationspflichten über das Rücktrittsrecht und das Bestehen einer anteiligen Zahlungspflicht nach Beginn der Dienstleistung nicht nachgekommen ist (vgl auch zum gänzlichen Ausschluss jeder Zahlungspflicht bezüglich digitaler Inhalte § 16 Abs 3 FAGG). Verbraucher:innen, die bereits monatliche Zahlungen für das Abo geleistet haben, können diese daher zur Gänze rückfordern (§§ 1435, 1437 ABGB). 

Jenen Verbraucher:innen, deren Vertragsabschluss bereits länger als 12 Monate und 14 Tage zurückliegt, kommen ggf nach allgemeinem Zivilrecht Schadenersatzansprüche aufgrund der unrichtigen Information über den sofortigen Entfall des Rücktrittsrechts bereits „mit der Bestellung“ des Abos zu (§§ 1295 ff ABGB, § 16 Abs 1 UWG), sofern sie bei ordnungsgemäßer Information ihr Rücktrittsrecht fristgerecht ausgeübt hätten. 

 

OLG Wien, 23.02.2024, 4 R 185/23i  (nicht rk)

Klagsvertreter: RA Dr. Stefan Langer

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