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Vor einem Laptop, der Verkaufsstatistiken zeigt steht ein kleiner Einkaufswagen mit zwei Paketen darin.
Bild: Panachev E / stock.adobe.com

HG Wien: Erfolg gegen Coaching-Plattform CopeCart

Der VKI klagte im Auftrag der Arbeiterkammer Oberösterreich (AK OÖ) die Online-Coaching-Plattform CopeCart GmbH (im Folgenden CopeCart) wegen unrichtiger Informationen über das gesetzliche Rücktrittsrecht und systematischer Verweigerung des Rücktritts der Verbraucher:innen. Zusätzlich wurde CopeCart wegen 2 unzulässiger Klauseln in den AGB geklagt. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) gab dem Klagebegehren nun zur Gänze statt. Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

CopeCart ist eine Online-Verkaufsplattform mit Sitz in Deutschland und bietet als Reseller in Kooperation mit sogenannten „Business-Coaches“ oder „Mentor:innen“ unter anderem Verträge über Online-Coachings an. Vielen Verbraucher:innen ist nicht klar, dass CopeCart als Vertragspartner fungiert, wenn sie über Anzeigen in sozialen Medien vermeintlich mit Anbieter:innen („Coaches“) eine Vereinbarung schließen. Diese Angebote entpuppen sich in der Folge oftmals als Coaching-Falle und sorgen für zahlreiche Beschwerden betroffener Konsument:innen bei der AK OÖ, dem VKI und dem Europäischen Verbraucherzentrum sowie der Internet Ombudsstelle. 

So hatte CopeCart Verbraucher:innen unrichtig über ihr Rücktrittsrecht informiert und berief sich gegenüber Betroffenen darauf, sie hätten durch einen Klick bei Beginn der Vertragsausführung auf ihr Rücktrittsrecht verzichtet und solcherart dem Verlust des Rücktrittsrechts zugestimmt. CopeCart verweigerte den Verbraucher:innen daher einen Rücktritt vom Vertrag und hielt an weiteren Zahlungsforderungen fest. Die nach einem Rücktritt vom Vertrag nach dem FAGG geschuldeten Rückzahlungen an betroffene Konsument:innen wurden verweigert. Gegen diese Praktiken sowie gegen 2 Klauseln in den AGB von CopeCart ging der VKI im Auftrag der AK OÖ mit Verbandsklage vor. Das HG Wien gab der Klage nun zur Gänze statt. 

Rücktritt darf nicht verweigert werden

Gemäß § 4 Abs 1 Z 8 FAGG sind Verbraucher:innen vor Vertragsabschluss klar und verständlich über das Bestehen eines Rücktrittsrechts, die Bedingungen, die Fristen und die Vorgangsweise für die Ausübung des Rücktrittsrechts zu informieren. Nach Ansicht des HG Wien handelt es sich bei Online-Coachings um Beratungsleistungen, die nicht einmalig bereitgestellt werden, sondern als sog digitale Dienstleistungen einzuordnen sind; das Rücktrittsrecht des Verbrauchers erlischt daher nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG nicht bereits mit Beginn der Vertragserfüllung, sondern erst, wenn die Leistung vollständig erbracht wurde. Die Rücktrittsbelehrung von CopeCart stellt daher die Rechtslage unrichtig dar und verschafft Verbraucher:innen einen unrichtigen Eindruck von ihrer Rechtsposition. 

Konsequenz: Der Vertragsrücktritt bleibt gemäß § 11 Abs 1 FAGG zulässig und darf genauso wenig verweigert werden wie die infolge des Rücktritts gebotenen Rückzahlungen bereits geleisteter Entgelte an den Verbraucher gemäß § 14 Abs 1 FAGG. 

Das Urteil des HG Wien verpflichtet CopeCart zur Unterlassung der gesetzwidrigen Praktiken, dh CopeCart wird verpflichtet, korrekt über das Rücktrittsrecht zu belehren, von Verbrauchern erklärte Rücktritte anzuerkennen und den Verbraucher:innen die bereits geleisteten Zahlungen zu erstatten.

Unzulässige Klauseln

Als unzulässig wurden vom HG Wien ferner folgende 2 Klauseln in den AGB von CopeCart qualifiziert:

K1: "Sofern dem Kunden Ratenzahlung eingeräumt wurde, wird unsere aus dem jeweiligen Vertrag gegen den Endkunden bestehende Forderung insgesamt sofort fällig, wenn der Endkunde mit der Zahlung einer Rate mehr als 30 Tage in Verzug ist."

Die Klausel ist nach dem HG Wien gröblich benachteiligend iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil sie in mehrfacher Weise gegen § 14 Abs 3 VKrG (per analogiam, vgl § 13 KSchG) verstößt. Wurde dem Verbraucher Ratenzahlung eingeräumt, darf der Unternehmer die gesamte noch offene Schuld bei Zahlungsverzug des Verbrauchers nur dann fordern, wenn er sich dieses Recht vorbehalten hat, seine Leistung bereits erbracht hat, eine rückständige Leistung des Verbrauchers mindestens 6 Wochen fällig ist und der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlusts und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens 2 Wochen erfolglos gemahnt hat. Demgegenüber verkürzt die vorliegende Klausel die Fälligkeitsfrist von 6 Wochen auf 30 Tage und sieht weder eine Androhung des Terminsverlusts noch die Setzung einer Nachfrist von mindestens 2 Wochen vor. 

 

K2: "Bei einfach fahrlässiger Verletzung wesentlicher Vertragspflichten ist die Haftung der Höhe nach beschränkt auf vorhersehbare und vertragstypische Schäden. Wesentliche Vertragspflichten sind solche, deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrages überhaupt erst ermöglicht und auf deren Einhaltung die verletzte Partei regelmäßig vertrauen darf. […]

Im Übrigen ist die Haftung – gleich aus welchem Rechtsgrund – ausgeschlossen."

Die Formulierung, die Haftung für leichte Fahrlässigkeit sei auf vorhersehbare und vertragstypische Schäden aus der Verletzung von wesentlichen Vertragspflichten beschränkt, „deren Erfüllung die ordnungsgemäße Durchführung des Vertrags erst ermöglicht und auf deren Einhaltung die verletzte Partei regelmäßig vertrauen darf“, beurteilt das HG Wien als intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, weil sie für einen durchschnittlichen Verbraucher unverständlich ist. Durch den Satz „Im Übrigen ist die Haftung — gleich aus welchem Rechtsgrund — ausgeschlossen.“ sei überhaupt nicht klar, welche Fälle der Haftung übrigbleiben sollen. Es erfordert erheblichen Auslegungsbedarf und eine konkrete Kenntnis des gesamten Klauselwerks, um jene Fälle zu erfassen, in denen auch für leicht fahrlässig verursachte Schäden im Zusammenhang mit wesentlichen Vertragspflichten gehaftet wird. Die Beschränkung der Haftung auf vorhersehbare und vertragstypische Schäden ist ferner geeignet, dem Verbraucher ein unklares bzw unvollständiges Bild seiner Rechte zu vermitteln (vgl 1 Ob 124/18v). 

Das Urteil ist nicht rechtskräftig (Stand: 22.10.2025). 

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Anmerkung

Aus dem Urteil folgt, dass Konsument:innen, die Online-Coaching-Verträge mit CopeCart abgeschlossen haben, ein Rücktrittsrecht nach § 11 FAGG zusteht. Weil CopeCart über dieses Rücktrittsrecht falsch belehrt hat, beträgt die Rücktrittsfrist 12 Monate und 14 Tage ab Vertragsabschluss (§ 12 FAGG). Nach Erklärung des Rücktritts hat CopeCart den Verbraucher:innen unverzüglich sämtliche bereits geleisteten Zahlungen zu erstatten (§ 14 FAGG). Dies gilt aufgrund der mangelhaften Belehrung durch CopeCart auch hinsichtlich der verrechneten Entgelte für etwaig bereits erbrachte Leistungen; eine anteilige Zahlungspflicht des Verbrauchers entfällt (§ 16 FAGG), künftigen Zahlungsaufforderungen muss nicht nachgekommen werden. 

Im Rahmen der EU-Verbraucherbehördenkooperation ist auch das deutsche Umweltbundesamt (UBA) aufgrund einer Warnmeldung des Europäischen Verbraucherzentrums (EVZ) Österreich jüngst wegen unlauterer Geschäftspraktiken gegen CopeCart vorgegangen. Das UBA hat es CopeCart mit rechtskräftigem Bescheid vom 4.6.2025 untersagt, gegenüber österreichischen Verbraucher:innen Fernlehrgänge anzubieten, die nicht ordnungsgemäß nach dem deutschen Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) zugelassen sind (Geschäftszeichen: VS 09 960/00087). So hatte CopeCart gegenüber österreichischen Verbraucher:innen den Eindruck erweckt, bestimmte Fernlehrgänge in rechtmäßiger Weise anbieten zu können, obwohl diese nicht über die notwendige Zulassung nach dem FernUSG verfügten. 

Der vom UBA festgestellte Verstoß führt unserer Rechtsansicht nach dazu, dass sich Verbraucher:innen nach dem Normzweck des FernUSG bei nicht ordnungsgemäß zugelassenen Coaching-Lehrgängen – neben dem Rücktritt vom Vertrag nach FAGG – auf die relative Nichtigkeit des Vertrags berufen können (§ 7 Abs 1 FernUSG). Auch auf dieser Grundlage bestehen bereicherungsrechtliche Ansprüche auf Rückzahlung der geleisteten Zahlungen gegen CopeCart. Diese verjähren binnen einer Frist von 30 Jahren ab Zahlung (§ 1478 ABGB) und können daher auch nach Ablauf der Rücktrittsfrist von 12 Monaten und 14 Tagen geltend gemacht werden. 

Ferner kann eine Rückzahlung der geleisteten Zahlungen aus dem Titel des Schadenersatzes (§ 16 Abs 1 UWG, culpa in contrahendo; vgl § 2 Abs 1 Z 6, § 2 Abs 2 iVm Z 9 Anh UWG) und infolge einer Anfechtung wegen Irrtums (§§ 871, 873 S 2 iVm § 877 ABGB) begehrt werden. 

Schadenersatzansprüche gegen CopeCart wegen der Irreführung über die Zulassung nach dem FernUSG unterliegen einer Verjährungsfrist von drei Jahren ab Kenntnis der Verbraucher:innen über ihre Ansprüche (§ 1489 S 1 ABGB). Das Anfechtungsrecht wegen Irrtums über die rechtmäßige Zulassung verjährt in 3 Jahren ab Vertragsabschluss.    

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