Als Folge einer Krebsoperation im Jahr 2010 muss der Konsument über eine Perkutane Endoskopische Gastrostomie-Sonde (PEG-Sonde) ernährt werden. Am 2.3.2022 buchte er einen Flug von Wien nach Miami für den 13.3.2022 samt Rückflug am 11.6.2022 und schloss im Zuge dessen eine Reiseversicherung bei dem beklagten Versicherer ab. Aufgrund einer Fehlfunktion der PEG-Sonde konnte der Versicherungsnehmer am 6.5.2022 nicht mehr über diese versorgt werden und musste zur Behebung der Fehlfunktion stationär in einem Krankenhaus in den USA aufgenommen werden.
Der Versicherer lehnte die Deckung für die entstandenen Kosten unter Berufung auf seine Versicherungsbedingungen ab: Ein technisches Gebrechen eines implantierten medizinischen Geräts bzw Hilfsmittels sei keine „plötzlich auftretende akute Erkrankung oder ein Unfall“ und somit kein Versicherungsfall iSd Art IV.A.1.1 VB-RV. Grund für die Notwendigkeit der Sonde sei ferner eine Erkrankung, die länger als 12 Monate vor dem Vertragsabschluss bzw dem Reiseantritt eingetreten und vom Versicherungsschutz ausgenommen sei (IV.B.2.1.b VB-RV). Da der Konsument vorgebracht habe, stets „für derartige Fälle“ einen „Ersatzbutton“ mitzuführen, liege auch kein „nicht vorhersehbares“ Ereignis vor, sodass der Ausschlussgrund nach IV.A.6.1.a VB-RV erfüllt sei.
Der OGH gab der Klage auf Feststellung der Deckung für den eingetretenen Schadensfall im Umfang des abgeschlossenen Reiseversicherungsvertrags nun statt:
Eintritt des Versicherungsfalls
Hat ein Defekt eines in den Körper des Versicherungsnehmers integrierten Hilfsmittels – hier eine PEG-Sonde – körperliche Beeinträchtigungen zur Folge oder führt der Defekt zu einem Krankheitszustand, so liegt ausgehend vom Maßstab des durchschnittlich verständigen Versicherungsnehmers eine „Krankheit“ iS der Versicherungsbedingungen vor.
Aufgrund der Fehlfunktion der Sonde, die dazu geführt hat, dass der Versicherungsnehmer über diese keine Nahrung mehr zu sich nehmen konnte, trat daher eine plötzlich auftretende akute Erkrankung des Versicherungsnehmers auf. Damit hat sich das versicherte Risiko nach der primären Risikoabgrenzung verwirklicht.
Keine Ausschlussgründe
Die Erkrankung ist von der beim Versicherungsnehmer zuvor bestehenden chronischen Erkrankung, die es verhindert, dass er seine Nahrung oral zu sich nimmt, zu unterscheiden; der Ausschlussgrund nach IV.B.2.1.b VB-RV („wenn die medizinische Versorgung der Behandlung einer Krankheit dient, die innerhalb von 12 Monaten vor dem Vertragsabschluss bestand und/oder die vor Antritt der versicherten Reise aufgetreten ist“) liegt nicht vor.
Aus dem Umstand allein, dass der Versicherungsnehmer einen Ersatzbutton für den Fall eines Defekts mitführt, kann – wie der OGH weiter ausführt – nicht geschlossen werden, dass dem Versicherungsnehmer Tatsachen bekannt waren, die für eine erhebliche Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines Defekts sprachen. Aus einer Vorsichtsmaßnahme lässt sich laut OGH kein Rückschluss auf die Eintrittswahrscheinlichkeit ziehen.
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien
