Bei Sparbüchern ist - ähnlich wie bei Krediten - zwischen Produkten mit Fixzinssatz ("Kapitalsparbücher" - fixer Zinssatz bei Vertragsbindung) und mit variablem Zinssatz ("täglich fällige" Sparbücher und "gebundene Sparbücher" - guter aber variabler Anfangszinssatz bei Vertragsbindung) zu unterscheiden. Das Urteil betrifft nur variable Zinssätze (Es gibt auch Produkte, die bereits heute an klare Parameter gebunden sind - auch diese Produkte sind nicht betroffen).
Grundsätzlich kann eine einseitige Leistungsänderung auf drei denkbare Rechtsgrundlagen zurückgeführt werden:
a) Der Gesetzgeber läßt einseitige Leistungsänderungen durch den Unternehmer zu. (Das war das Argument der Banken - der OGH hat sich dieser Sicht ausdrücklich nicht angeschlossen! Das BWG ist keine Basis für eine gesetzliche Anordnung eines einseitigen Leistungsänderungsrechtes der Bank.)
b) Die einseitige Leistungsänderung muss vertraglich vereinbart sein. Das kann durch individuelle Absprache oder in Form von Klauseln in AGB und Vertragsformblättern, die der Verbraucher akzeptiert, geschehen.
Bei individuellen Absprachen ("wenn der Unternehmer beweist, dass sie im einzelnen ausgehalndelt worden sind") findet ein einseitiges Leistungsänderungsrecht seine Grenze im "billigen Ermessen", das aber erst nachträglich durch ein Gericht allenfalls geprüft werden kann. (Bei Sparbüchern im Massengeschäft ist der Zinssatz allenfalls individuell vereinbart - alle anderen Bedingungen sind vom Produkt vorgegeben und nicht Gegenstand einer individuellen Vereinbarung.)
Bei vorformulierten Klauseln in Verbraucherverträgen sieht das Konsumentenschutzgesetz (KSchG) vor, dass nur für den Verbraucher zumutbare, nämlich sachlich gerechtfertigte und geringfügige Leistungsänderungen vereinbart werden dürfen.
Der OGH sagt nun, dass eine Zinsänderungsklausel an Leitzinsen des Geld- und Kapitalmarktes zu orientieren sei und zweiseitig ausgestaltet sein muss; dem Recht Zinsen zu senken muss die Pflicht, Zinsen auch anzuheben gegenüberstehen.
c) Bei einer Änderungskündigung würde die Bank den Vertrag auflösen und mitteilen, dass sie ihn nur zu neuen Konditionen fortsetzen würde. Läßt sich der Sparbuchinhaber darauf ein, entsteht ein neuer Vertrag. (Eine Änderungskündigung erscheint uns aber jedenfalls bei einem "gebundenen Sparbuch" im Hinblick auf die Vereinbarungen zu den Vorschusszinsen undenkbar.)
In der Praxis kennen wir Sparurkunden, die entweder ähnliche Klauseln, wie die der BAWAG enthalten; diese sind dann ebenfalls gesetzwidrig. Oder aber es wird der Ausgangszinssatz nur mit dem Zusatz "derzeit" oder "bis auf weiteres" vereinbart. In beiden Fällen erscheint klar: Der Zinssatz soll variable sein - allein es fehlt an einer Vereinbarung, nach welchen Parametern die Bank den Zinssatz verändern darf.
In diesem Fall kommt es - so jedenfalls die Judikatur bei Zinsänderungen bei Krediten - zu einer "Lückenfüllung", indem das Gericht fragt, was die Parteien - hätten sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt - vereinbart hätten? Dazu hält es der OGH für gut möglich, dass man auf die Geld- und Kapitalmarktparameter (EURIBOR und SMR) abstellen könne.
Wenn man aber unterstellt, dass Zinsveränderungen bei Sparguthaben - ähnlich wie bei den Krediten aus der Zeit vor 1.3.1997 - willkürlich erfolgt wären, dann könnten auch Sparer gegen ihre Bank Ansprüche auf vorenthaltene Zinsen geltend machen. (Der VKI wird versuchen in Beispielsfällen diese These zu überprüfen.)
Der Anspruch auf Zahlung von Zinsen verjährt gemäß § 32 Abs 9 Bankwesengesetz (BWG) ebenso wie der Anspruch auf Auszahlung der Einlage - also binnen 30 Jahren. Die Verjährung wird demnach auch durch jede Zinszuschreibung und jede Ein- oder Auszahlung unterbrochen.
Das BWG trat am 1.1.1994 in Kraft. Zwar gab es auch davor eine idente Regelung zur Verjährung, doch war die Rechtslage was Zinsänderungen der Banken betrifft eine andere; damit setzt sich die vorliegende Entscheidung des OGH nicht auseinander.
Man kann also sagen, dass jedenfalls Sparbücher ab 1.1.1994 von der neuen Judikatur betroffen sind.