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Urteil: Verständigungspflicht der Bank vor Eintragung in Warnliste

Der OGH sprach einem Bankkunden einen Ersatzanspruch auf materiellen und immateriellen Schaden zu, da dieser in eine Gläubigerwarnliste aufgenommen wurde, ohne vorher entsprechend benachrichtigt worden zu sein.

Ein Rechtsanwalt übernahm die Haftung als Bürge und Zahler als Käufer einer Wohnung zur Besicherung eines vom Verkäufer aufgenommenen Kredites. Im Bürgschaftsvertrag war eine Datenschutzklausel enthalten, nach der sich der Bürge und Zahler einverstanden erklärte, "dass alle ihn betreffenden und im Rahmen dieses Kreditvertrages bekanntwerdenden Daten in banküblicher Form, insbesondere im Interesse des Gläubigerschutzes oder zur Abwicklung von Bankgeschäften gemäß der ihm ausgehändigten Datenschutzerklärung, weitergegeben werden. ... Dies gilt auch als Ermächtigung für eine allgemein gehaltene Auskunft über die wirtschaftliche Lage".  Nachdem über das Vermögen des Kreditnehmers der Privatkonkurs eröffnet wurde, forderte die Bank den Rechtsanwalt zur Zahlung auf.

Da der Rechtsanwalt jedoch eine Rückzahlung des fällig gestellten Betrages nicht vorgenommen hatte, veranlasste die Bank die Eintragung des Rechtsanwaltes in die vom KSV (Kreditschutzverband von 1870) geführte "Warnliste der österreichischen Kreditinstitute zum Zweck des Gläubigerschutzes und der Risikominimierung durch Hinweis auf vertragswidriges Kundenverhalten". Der Rechtsanwalt wurde nicht über die Aufnahme in diese Warnliste informiert.

Der OGH sprach aus, dass der in § 6 Abs 1 Z 1 DSG verankerte Grundsatz, wonach Daten nur nach Treu und Glauben verwendet werden dürfen, eine entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen erfordert, um ihm die Möglichkeit zu geben,  sich gegen eine seiner Meinung nach nicht gerechtfertigte, seine Kreditwürdigkeit aber massiv beeinträchtigende Datenverwendung zur Wehr zu setzen. Die Ankündigung der Bank, für den Fall nicht fristgerechter Zahlung eine Eintragung in die Warnliste zu veranlassen, ist nicht nur ein Druckmittel des Gläubigers, sondern soll es dem Schuldner zugleich ermöglichen, alle Konsequenzen einer Nichtzahlung abzuwägen. Erfolgt eine Eintragung ohne entsprechende Benachrichtigung des Betroffenen, ist die gegen den in § 6 Abs 1 Z 1 DSG verankerten Grundsatz von Treu und Glauben verstoßende Eintragung in die Warnliste durch ein überwiegendes Gläubigerschutzinteresse nicht mehr gerechtfertigt und somit rechtswidrig; sie ist der Bank auch subjektiv vorwerfbar. Dass die fehlende Aufklärung des Rechtsanwalts kausal war, liegt laut OGH auf der Hand, weil er als Rechtsanwalt mit Sicherheit alles unternommen hätte, diese Einschaltung zu verhindern.

Den Einwand der Bank, dass der Rechtsanwalt mit der Unterfertigung der Datenschutzklausel der Aufnahme in die Warnliste zugestimmt hätte, verwarf der OGH mit der Begründung, dass diese Datenschutzklausel nicht die Voraussetzungen einer Zustimmung im Sinne des § 4 Z 14 DSG erfülle. Sie bezeichnet weder das Informationsmedium "Warnliste", noch führt sie einen konkreten Anlassfall an, der zur Eintragung in diese Liste führen werde, noch gibt sie ausreichend konkret an, welche Daten für die Eintragung in die Warnliste verwendet werden. Sie kann daher auch die anlässlich der Fälligstellung des Kredits erforderliche Aufklärung des Betroffenen nicht ersetzen.

Der Schadenersatzanspruch richtet sich gemäß § 33 Abs 1 DSG nach den allgemeinen Bestimmungen des bürgerlichen Rechts. Dem Rechtsanwalt steht sowohl ein materieller als auch ein immaterieller Schadenersatz zu. Die Eintragung in die Warnliste stellt eine öffentlich zugängliche Verwendung dar und zwar von schutzwürdigen Geheimhaltungsinteressen, weil der Rechtsanwalt aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit etwa als Treuhänder oder Masseverwalter einer besonderen Kreditwürdigkeit bedarf. Damit steht dem Rechtsanwalt nicht nur ein materieller Schadenersatz für den Verdienstentgang zu, sondern auch ein immaterieller Schadenersatz für die erlittene Kränkung (s § 33 Abs 1 iVm § 18 Abs 2 Z 1 bis 3 DSG).

Da eine ziffernmäßige Bestimmung des materiellen und des immateriellen Schadens im Verfahren noch nicht vorgenommen wurde, ist die Höhe des Schadenersatzanspruches vom Erstgericht noch festzustellen. Bei Bemessung der Höhe des immateriellen Schadens wird auch zu berücksichtigen sein, dass der Rechtsanwalt durch Nichtzahlung bei Fälligkeit grundsätzlich Anlass für die Aufnahme in die Warnliste gegeben hat und der Verstoß der Bank gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen (nur) darin bestand, dass sie dem Rechtsanwalt keine Möglichkeit geboten hatte, vor Aufnahme in die Warnliste Zahlung zu leisten oder sich dagegen zur Wehr zu setzen.

OGH 15.12.2005, 6 Ob 275/05t

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