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OLG Graz: „Dauerrabatt“-Klausel der Grazer Wechselseitigen unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Grazer Wechselseitige Versicherung AG (Grazer Wechselseitige) wegen deren „Dauerrabattklausel“. Das Oberlandesgericht (OLG) Graz gab dem VKI Recht und erklärte die Klausel – wie auch schon das Erstgericht – für unzulässig. Das Urteil ist rechtskräftig.

Schon in der Vergangenheit beschäftigten Dauerrabattklauseln die Gerichte. Viele vom VKI beanstandeten Klauseln wurden dabei als unzulässig beurteilt.

Nunmehr hatte das OLG Graz neuerlich über eine Dauerrabattklausel, genauer gesagt eine Laufzeitrabattklausel, zu entscheiden.

Gegenstand des Rechtsstreits ist folgende Klausel in den Bedingungen der Grazer Wechselseitigen:

Besondere Bedingung der Grazer Wechselseitigen Versicherung AG - Laufzeitrabatt: (LZ10 / Stufe 5)

Für die Prämie dieses Vertrages (= dieser Sparte) gilt folgende Vereinbarung: Die auf Grund der vereinbarten zehnjährigen Vertragsdauer entstehenden kalkulatorischen Kostenvorteile werden als Laufzeitrabatt berücksichtigt. Es ist somit die Prämie in diesem Dokument die ermäßigte Prämie nach Abzug des Laufzeitrabatts.

Im Fall vorzeitiger Vertragsauflösung entfällt die Grundlage für den Laufzeitrabatt, daher verpflichtet sich der Versicherungsnehmer zu einer entsprechenden Nachzahlung. Bemessungsgrundlage für die Nachzahlung ist die in diesem Dokument ausgewiesene ermäßigte Jahresprämie. Die Nachzahlung berechnet sich bei Vertragsende

nach vollen 1 -  2  -  3  -  4  -  5  -  6  -  7 -   8  -  9 -  10 Jahren

mit           90 - 80 - 70 - 60 - 50 - 40 - 30 - 20 - 10 -  0  Prozent der Bemessungsgrundlage,

bei Vertragsauflösung im ersten Jahr ebenfalls nur mit 90 % der Bemessungsgrundlage.

Eine solche Nachzahlung kann nicht gefordert werden, wenn der Versicherer die Leistung der fälligen Entschädigung zu Unrecht verweigert oder nach Eintritt eines Versicherungsfalls den Versicherungsvertrag kündigt. Bei Wegfall des versicherten Interesses beträgt die Nachzahlung jedenfalls nicht mehr als die Differenz zwischen den tatsächlich bezahlten und jenen Prämien, die der Versicherer hätte erheben können, wenn die Versicherung nur bis zu jenem Zeitpunkt beantragt worden wäre, in dem der Versicherer vom Wegfall des versicherten Interesses Kenntnis erlangt hat.

Das OLG Graz verwies dabei zunächst auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des erstgerichtlichen Urteiles, in dem dem VKI ebenfalls bereits Recht gegeben wurde.

Wie das Erstgericht laut OLG Graz bereits zutreffend ausgeführt hat, entspricht die hier zu beurteilende Klausel über einen Laufzeitrabatt den vom Obersten Gerichtshof bereits mehrfach beurteilten Dauerrabattklauseln. Der:die Versicherungsnehmer:in ist bei vorzeitiger Vertragsauflösung innerhalb von 10 Jahren ab Vertragsbeginn zu einer Nachzahlung des Laufzeitrabatts verpflichtet und verliert dadurch in der Prämie enthaltene Kostenvorteile. Wie die Dauerrabattklauseln verpflichtet auch diese Klausel den:die Versicherungsnehmer:in zum Ersatz von (monetären) Vorteilen, die ihm:ihr wegen einer vorgesehenen längeren Laufzeit des Vertrags gewährt wurden (7 Ob 154/22f).

Eine Dauerrabattklausel ist nur unter der Voraussetzung zulässig, dass der Rückforderungsanspruch des Versicherers an eine vorzeitige Auflösung des Vertrags durch den:die Versicherungsnehmer:in geknüpft ist. Außerdem ist sie unzulässig, wenn der:die Versicherungsnehmer:in einen wichtigen Grund für die Vertragsauflösung hat, gibt es doch keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass bei Kündigung durch den Versicherer oder Vertragsauflösung wegen eines vom Versicherer gesetzten wichtigen Grundes der:die Versicherungsnehmer:in dennoch zur Nachzahlung verpflichtet wäre (7 Ob 154/22f).

Bei der gebotenen kundenfeindlichsten Auslegung sieht die in Rede stehende Klausel nur eine teilweise Ausnahme von der Nachzahlungspflicht vor, nämlich im Fall, dass der Versicherer den Vertrag nach Eintritt des Versicherungsfalles kündigt und wenn der Versicherer die Leistung der fälligen Entschädigung zu Unrecht verweigert.

Das OLG Graz erachtete das Argument des VKI zutreffend, dass es sich um eine von der Beklagten vorgenommene taxative Aufzählung handelt. Zumindest muss sie von Konsument:innen so verstanden werden. Dass damit allenfalls auch eine – schuldhafte – Verzögerung der Auszahlung einer Leistung durch den Versicherer gemeint sein könnte, die die:den Versicherte:n ebenso in erhebliche Schwierigkeiten, etwa bei Vorfinanzierung von Leistungen, die vom Versicherer abzudecken wären, bringen kann, ist aus der Klausel nicht so ohne weiteres abzuleiten. Der:die Versicherungsnehmer:in wird unter dem Begriff „Verweigerung“ regelmäßig eine endgültige Ablehnung der Deckung durch den Versicherer verstehen.

Für das OLG Graz stellt sich die Frage, weshalb die Grazer Wechselseitige die Klausel einschränkend formuliert und nicht die Formulierung wählt, dass eine Nachzahlung nicht gefordert werden kann, wenn der Versicherungsnehmer den Vertrag wegen eines vom Versicherer gesetzten wichtigen Grundes auflöst.

Wie das OLG Graz weiter ausführt, widerspricht die Klausel aber auch dem Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG.

Da dem:der Verbraucher:in aufgrund der Formulierung der Klausel – wie das OLG Graz ausführt – nicht klar sein kann, dass er:sie den Vertrag auch im Falle einer Zahlungsverzögerung auflösen kann, ohne dass es zu der Nachverrechnung kommt, ist er:sie gegenüber der Beklagten in seiner:ihrer Rechtsposition beeinträchtigt.

Demgemäß ist das Erstgericht laut OLG Graz zutreffend davon ausgegangen, dass die in Rede stehende Klausel schon aus diesen Gründen gröblich benachteiligend ist.

Es bedarf daher für das OLG Graz auch keines Eingehens mehr auf die Frage, ob die Klausel streng degressiv gestaltet ist oder nicht, weshalb auch aus diesem Grund eine Unwirksamkeit gemäß § 879 Abs 3 ABGB anzunehmen wäre.

Das Urteil ist rechtskräftig.

OLG Graz 20.03.2024, 7 R 71/23z

Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

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