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Urteil: Gesetzwidrige Klauseln in Teilschuldverschreibungen

Der VKI ging im Auftrag des BMSK gegen die R-Quadrat Capital Gamma GmbH mit Verbandsklage vor. Diese Gesellschaft emittierte Teilschuldverschreibungen, denen rechtswidrige Klauseln zugrunde gelegt wurden. Der VKI klagte - im Auftrag des BMSK - erfolgreich auf Unterlassung.

Das HG Wien hatte in erster Instanz 6 von 7 beanstandeten Klauseln für gesetzwidrig erklärt. Nur hinsichtlich Klausel 2) wurde das Unterlassungsbegehren abgewiesen. Wir und auch die Gegenseite haben gegen das Urteil Berufung erhoben. Unserer Berufung wurde Folge gegeben; jener der beklagten Partei nur teilweise.

Konkret ging es um folgende Klauseln:

1. Erfüllung: Die Emittentin wird durch Leistung von Zahlungen aus den Teilschuldverschreibungen an die Zahlstelle oder deren Order von ihrer Zahlungspflicht befreit. Eine Zahlung aus den Teilschuldverschreibungen gilt als rechtzeitig, wenn sie am Fälligkeitstag nicht später als 12 Uhr auf dem Konto der bestellten Zahlstelle einlangt. (§ 6 Abs 4 AGB)

Wir sahen darin eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB, weil es nicht zulässig sein kann, dass eine bloße Zahlung des Schuldners an seinen eigenen Erfüllungsgehilfen schuldbefreiende Wirkung haben soll. Ebenso wenig könne es zulässig sein, für die Frage der Rechtzeitigkeit der Zahlung den Zeitpunkt des Einlangens beim Erfüllungsgehilfen des Schuldners anzusehen. Der VKI argumentierte damit, dass durch diese Klausel das Insolvenzrisiko der Zahlstelle auf den Anleihegläubiger übertragen wird.

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht folgten dieser Argumentation. Das Insolvenzrisiko einer Bank sei nicht völlig ausgeschlossen, so das OLG Wien.  In der Überwälzung des Insolvenzrisikos der Zahlstelle auf den Anleihegläubiger liege eine gröbliche Benachteiligung, zumal sich die Emittentin die Änderung der Zahlstelle vorbehalte. Wegen dieses Änderungsvorbehaltes sei nicht gewährleistet, dass der  Anleihegläubiger die Bonität der Zahlstelle zum Zeitpunkt der Zeichnung prüfen könne. Auf der anderen Seite gebe es auch gar keine Notwendigkeit, dass die Zahlung der Beklagten an die Zahlstelle vorbehaltlos schuldbefreiend wirken müsse.

2. Jeder Anleihegläubiger ist jedoch berechtigt, seine Teilschuldverschreibungen zu kündigen und deren sofortige Rückzahlung zum Ausgabekurs gemäß § 4 Abs (1) dieser Bedingungen, zuzüglich aliquoter Verzinsung gemäß § 5 Abs (2), bis zum Tage der Kündigung zu verlangen, falls:
(i) die Emittentin ihre Zahlungen einstellt oder ihre Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung allgemein bekannt gibt, oder ihren Gläubigern eine allgemeine Regelung zur Bezahlung ihrer Schulden anbietet; oder
(ii) ein Gericht ein Insolvenzverfahren gegen die Emittentin eröffnet oder ein solches Insolvenzverfahren mangels kostendeckenden Vermögens abgelehnt wird.
Das Kündigungsrecht erlischt, falls der Kündigungsgrund vor wirksamer Ausübung des Rechts gemäß Abs (2) geheilt wurde.
In den Fällen gemäß Abs (1) wird eine Kündigung erst wirksam, wenn bei der Zahlstelle Kündigungserklärungen von Anleihegläubigern im Nominale von mindestens 1/10 der dann ausstehenden Teilschuldverschreibungen eingegangen sind. (§ 7 Abs 1 und 2 AGB)

Der VKI argumentierte, dass das bei allen Dauerschuldverhältnissen bestehende unabdingbare Kündigungsrecht aus wichtigem Grund eingeschränkt wird. Zum einen soll dem Anleihegläubiger ein außerordentliches Kündigungsrecht erst und ausschließlich dann zustehen, wenn die Emittentin bereits zahlungsunfähig geworden ist. Zum anderen soll eine außerordentliche Kündigung selbst im Fall einer bereits eingetretenen Zahlungsunfähigkeit der Emittentin erst und nur dann wirksam werden, wenn bei der Zahlstelle Kündigungserklärungen von Anleihegläubigern im Nominale von mindestens 1/10 der dann ausstehenden Teilschuldverschreibungen eingegangen sind.
Das Erstgericht hingegen erklärte die Klausel für rechtmäßig. Es führte aus, dass das Recht auf sofortige Vertragsauflösung durch die Klausel nicht beschränkt werde. Bei Dauerschuldverhältnissen sei nämlich zu unterscheiden zwischen der "Kündigung" und der "sofortigen Vertragsauflösung aus wichtigem Grund" bzw "außerordentlicher Kündigung". Im vorliegenden Fall sei in der Klausel ausschließlich der Begriff "Kündigung" verwendet worden; nicht umfasst sei damit die "außerordentliche Kündigung".

Das Berufungsgericht hingegen sah darin zweifelsfrei die Umschreibung außerordentlicher Kündigungsgründe, weshalb die Klausel für rechtswidrig erklärt wurde. Es sei ständige Rechtsprechung, dass Dauerschuldverhältnisse aus wichtigen Gründen (insbesondere Vertragsverletzungen, der Verlust des Vertrauens in der Person des Schuldners, schwerwiegende Änderungen der Verhältnisse) vorzeitig aufgelöst werden können. Die vorliegende Klausel würde das außerordentliche Kündigungsrecht auf die aufgezählten Fälle einschränken wollen. Bei kundenfeindlichster Auslegung sei die Klausel nämlich so zu verstehen, dass dem Anleihegläubiger lediglich in den darin aufgezählten Fällen ein Kündigungsrecht zustehe.

3. Alle Mitteilungen der Anleihegläubiger an die Zahlstelle, insbesondere eine Kündigung der Teilschuldverschreibungen gemäß Abs (1), sind schriftlich in deutscher Sprache per Einschreiben an die Zahlstelle zu übermitteln. Mitteilungen werden (vorbehaltlich Abs (2)) mit Zugang an die Zahlstelle wirksam. Der Mitteilung ist ein Nachweis darüber beizufügen, dass der betreffende Anleihegläubiger zum Zeitpunkt der Mitteilung Inhaber der betreffenden Teilschuldverschreibungen ist. Der Nachweis kann durch eine Bescheinigung der Depotbank oder auf andere geeignete Weise erbracht werden. (§ 7 Abs 3 AGB)

Die Klausel widerspricht eindeutig dem Wortlaut von § 6 Abs 1 Z 4 KSchG. Eine strengere als die Schriftform darf durch Vereinbarung mit Konsumenten nicht statuiert werden. Die Klausel wurde daher für rechtswidrig erklärt.

4. Kündigung durch die Emittentin: Die Emittentin ist berechtigt, die Teilschuldverschreibungen während der Laufzeit jeweils zum 30. Juni eines jeden Kalenderjahres, erstmalig jedoch zum 30. Juni 2009, mit Wirkung und Fälligkeit jeweils zum 1. August desselben Kalenderjahres durch Bekanntmachung gemäß § 11 der Bedingungen zu dem sich aus § 7 Abs (5) der Bedingungen ergebenden Kurs zu kündigen, mit welchem sämtliche Ansprüche des Anleihegläubigers abgefunden sind. (§ 7 Abs 4 AGB)

Das Erstgericht sah im Zugeständnis einer einseitigen Kündigungsmöglichkeit für die Emittentin ohne äquivalentes Kündigungsrecht für die Anleihegläubiger eine sachlich nicht gerechtfertigte gröbliche Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB vor.

Das Berufungsgericht folgte dieser Rechtsansicht: Der Anleihegläubiger nehme durch Zeichnung der Teilschuldverschreibung das Insolvenzrisiko (das von der Beklagten selbst als hoch eingestuft wurde) und Verlust des Kapitals in Kauf; dieses Risiko sei ausschließlich durch die erzielbare Rendite zu rechtfertigen, die weit über derjenigen konservativer Veranlagungen liege. Ausgehend vom Prospekt der Beklagten würden die Ausgabeaufschläge bei bis zu 5% liegen; diese hohen Anfangskosten könnten sich erst nach einer längeren Vertragslaufzeit amortisieren, was bei einer vorzeitigen Kündigung nach zwei Jahren nicht möglich wäre. Eine vorzeitige Kündigung würde den Effektivzinssatz auf bis zu 4,4261 % p.a. sinken lassen.  Durch die Möglichkeit der vorzeitigen Kündigung könne die Emittentin auf den Kapitalmarkt Geld beschaffen und im Fall florierender Geschäftstätigkeit die Anleihegläubiger vorzeitig auszahlen, um den eigenen Gewinn zu maximieren;  das sei eine gröbliche Benachteiligung  der Anleger.

5. Änderung der Bedingungen: Die Versammlung der Anleihegläubiger fasst ihre Beschlüsse mit einfacher Mehrheit des anwesenden oder gültig vertretenen Nominales, wobei Nominale EUR 100,-- jeweils eine Stimme gewähren. Beschlüsse, die eine Änderung der Bedingungen zum Gegenstand haben, können nur auf Vorschlag der Geschäftsführung der Emittentin und nur mit einer Mehrheit von 75 % des anwesenden oder gültig vertretenen Nominales gefasst werden, wobei Nominale EUR 100,-- jeweils eine Stimme gewähren. (§ 12 Abs 5 AGB)

Beanstandet wurde, dass die Klausel für jene Anleger, die nicht an der Versammlung teilnehmen oder gegen eine Änderung stimmen, eine einseitige Vertrags- bzw. Leistungsänderung bewirke und der Änderungsvorbehalt nicht auf zumutbare Vertragsänderungen eingeschränkt sei. Die Klausel verstoße daher gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. Überdies sei die Klausel intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, da dem Verbraucher nicht offengelegt sei, unter welchen Voraussetzungen welche Änderungen vorgenommen werden können.

Mit dieser Klausel sollte eine Vertragsänderungsmöglichkeit während aufrechtem Dauerschuldverhältnis statuiert werden.  Die Möglichkeit einer Vertragsänderung, die unter Umständen Verschlechterungen für den einzelnen Anleihegläubiger mit sich bringen könne, sei gröblich benachteiligend für die Anleihegläubiger, so das Erstgericht. Während die Emittentin nicht dazu gezwungen werden könne, eine Vertragsänderung gegen ihren Willen zu akzeptieren (weil diese nur auf ihren Vorschlag überhaupt zur Abstimmung gelangen), wäre dies für Anleihegläubiger sehr wohl vorgesehen.

Das Berufungsgericht folgte dieser Rechtsansicht und ging von einer gröblichen Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB aus. Die Mehrheitserfordernisse würden nicht berücksichtigen, dass durch Beschlüsse der Anleihegläubiger auch zentrale Vertragsbedingungen geändert werden könnten; es werde nicht differenziert, ob es wichtige oder weniger wichtige Bestimmungen seien. Insbesondere könne die festgesetzte ¾ Mehrheit (ausgehend von einem erforderlichen Anwesenheitsquorum von 25%) nicht ausreichen, um gravierende Vertragsänderungen - wie zB Kündigung, Verzinsung und Fälligkeit - herbeizuführen. Solche Änderungen dürften nicht gegen den Willen oder trotz Abwesenheit einer Mehrheit der Gläubiger durchgesetzt werden.

6. Gerichtsstand: Für alle Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit den Teilschuldverschreibungen ist das für Handelssachen jeweils zuständige Gericht in Wien, Innere Stadt, ausschließlich zuständig. (§ 13 Abs 2 AGB)

Gemäß § 14 Abs 1 KSchG kann mit Verbrauchern nur ein Gerichtsstand vereinbart werden, wenn damit die Zuständigkeit eines Gerichtes begründet wird, in dessen Sprengel der Konsument seinen Wohnsitz, seinen gewöhnlichen Aufenthalt oder den Ort seiner Beschäftigung hat. Da die vorliegende Klausel eine derartige Einschränkung nicht vorsieht, wurde sie für rechtswidrig erklärt.

7. Teilnichtigkeit: Sollten irgendwelche Bestimmungen dieser Bedingungen ganz oder teilweise rechtsunwirksam sein oder werden, so bleiben die übrigen Bestimmungen dieser Bedingungen in Kraft. Unwirksame Bestimmungen sind dem Sinn und Zweck dieser Bedingungen entsprechend durch wirksame Bestimmungen zu ersetzen, die in ihren wirtschaftlichen Auswirkungen denjenigen der unwirksamen Bestimmungen so nahe kommen wie rechtlich möglich. (§ 13 Abs 3 AGB)

Das Erstgericht sah in dieser Klausel einen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KSchG. Schon eine geltungserhaltende Reduktion nichtiger AGB-Bestimmungen sei gegenüber Konsumenten unzulässig, umso mehr eine Vertragsbestimmung, die derartiges vorsehe.

Das Berufungsgericht bestätigte die Rechtsansicht des Erstgerichtes nur hinsichtlich Satz 2. Bezüglich dem 1. Satz dieser Klausel wurde der Berufung der Gegenseite Folge gegeben und das Klagebegehren abgewiesen. Die Begründung lautete, dass der 1. Satz dieser Klausel nicht den Erhalt der unwirksamen Bedingungen durch Umdeutung derselben auf ihr rechtlich zulässiges Verständnis vorsehe sondern lediglich den Erhalt der übrigen Bestimmungen. Die Bestimmung einer quantitativen Teilnichtigkeit der Bedingungen würde weder gegen § 879 Abs 3 ABGB noch gegen § 6 Abs 3 KSchG verstoßen. Der 2. Satz sei hingegen intransparent iSd § 6 Abs 3 KSchG, weil der Anleihegläubiger bei kundenfeindlichster Auslegung damit einer Ersatzbestimmung zustimme, die ihm im Zeitpunkt der Einverständniserklärung nicht bekannt sei.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig; die Gegenseite hat ordentliche Revision erhoben.

HG Wien 29.01.2008, 11 Cg 208/07mj
OLG Wien 4.8.2008, 5 R 63/08h
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Klagevertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

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