Der VKI hat - im Auftrag des BMASK - gegen die AvW Gruppe AG Verbandsklage wegen gesetzwidriger Kündigunsausschlüsse eingebracht und diese nunmehr in 2.Instanz zur Gänze gewonnen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
In den Genussscheinbedingungen der AvW Gruppe AG (früher: AvW Management Beteiligungs AG) wird den Genussrechtsinhabern weder ein außerordentliches noch ein ordentliches Kündigungsrecht zugestanden. So sollen die Genussscheininhaber sich auch dann nicht vom Vertrag lösen können, wenn das Genusskapital etwa vertrags- oder zweckwidrig verwendet oder gar durch kriminelle Machenschaften geschmälert würde. Der Ausschluss des Rechtes auf außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund ist insoweit gröblich benachteiligend und gesetzwidrig (siehe auch OGH 10 Ob 34/05f). Aber auch der Ausschluss der ordentlichen Kündigung auf die Dauer des Bestehens der Gesellschaft ist eine unzumutbar lange Vertragsbindung; und zwar deshalb, da eine ausreichend abgesicherte Übertragbarkeit der Genussscheine - etwa über die Börse - nicht gewährleistet ist (die Gegenseite hat sich nämlich zu einer Börsennotierung vertraglich nicht verpflichtet). Sich selbst hat die Gegenseite aber sehr wohl das Recht zur ordentlichen Kündigung eingeräumt.
Das Erstgericht (LG Klagenfurt) hielt nur den Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechtes für rechtswidrig; hingegen wurde die Klage hinsichtlich des Ausschlusses des ordentlichen Kündigungsrechtes im wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass durch die faktisch gegebene Börsennotierung ein zur Kündigung des Vertragsverhältnisses gleichwertiges alternatives Lösungsrecht gegeben sei.
Das OLG Graz hingegen erklärte beide Klauseln für rechtswidrig.
Das OLG begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
Zum Ausschluss der außerordentlichen Kündigung
Die Gegenseite argumentierte, dass bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen auch der Ausschluss einer außerordentlichen Kündigung zulässig sei. Im vorliegenden Fall seien die Genussrechte streng aktienähnlich ausgestaltet; die Inhaltskontrolle der Genussscheinbedingungen sei daher zwingend am Maßstab des Aktienrechtes und der Bestimmungen des Bankwesengesetztes (BWG) und des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) zum Partizipationskapital vorzunehmen. Aufgrund des Eigenkapitalcharakters der Genussscheine müsse eine Rückzahlung zwingend ausgeschlossen sein. Überdies sei durch die tatsächliche Börsennotierung der Gewinnscheine deren jederzeitige Veräußerbarkeit gegeben; der Ausschluss des außerordentlichen Kündigungsrechtes sei somit zulässig.
Das OLG Graz teilte diese Rechtsauffassung nicht. Dem Unternehmer werde für längere Zeit Kapital zur Verfügung gestellt; es sei von einem Vertrag sui generis und einem Dauerschuldverhältnis auszugehen. Die AvW-Genussscheine seien stimmrechtslosen Vorzugsaktien zwar ähnlich, aber nicht gleich. Auch bei aktienähnlicher Ausgestaltung würden sie schuldrechtlichen Charakter aufweisen und keine Mitgliedschaftsrechte begründen. Genussscheinbedingungen würden insbesondere der Inhaltskontrolle gemäß § 879 Abs 3 ABGB unterliegen. Bei der Angemessenheitskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB sei objektiv auf den Zeitpunkt des Vertragsabschlusses abzustellen. Die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung von Dauerschuldverhältnissen sei in Rechtsprechung und Lehre unbestritten. Ohne Rücksicht auf die vereinbarte Dauer könne ein solches Dauerschuldverhältnis stets durch außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund (bei Unzumutbarkeit der Fortsetzung) aufgelöst werden. Ein völliger Ausschluss des Kündigungsrechtes sei daher jedenfalls sittenwidrig und als Verstoß gegen § 879 ABGB anzusehen (10 Ob 34/05f). Für die Frage der Unwirksamkeit des Ausschlusses des außerordentlichen Kündigungsrechtes durch die inkriminierte Vertragsklausel sei auch die konkrete Ausgestaltung allfälliger Mitwirkungs-, Teilnahme- oder Informationsrechte der Gewinnscheininhaber nicht entscheidend.
Auch der Hinweis der Gegenseite auf die einschlägigen Bestimmungen betreffend Partizipationskapital würde keine andere Beurteilung rechtfertigen. Nach diesen Bestimmungen sei Partizipationskapital Kapital, das auf Unternehmensdauer unter Verzicht auf die ordentliche und außerordentliche Kündigung zur Verfügung gestellt werde. Diese Bestimmungen bezwecken im Interesse einer funktionsfähigen Kredit- bzw. Versicherungswirtschaft, die Zahlungsfähigkeit von Banken und Versicherungsunternehmen durch verpflichtende Eigenkapitalquoten abzusichern. Die Ausgabe von Partizipationskapital sei aber ausschließlich Banken und Versicherungen vorbehalten - somit Unternehmen, die einer besonderen staatlichen Aufsicht zum Schutz der Kunden vor Insolvenz des Unternehmens unterliegen.
Zum Ausschluss der ordentlichen Kündigung
Die offenkundige Nachteiligkeit des einseitigen Kündigungsausschlusses zu Lasten des Genussscheininhabers führe nur dann zu keiner gröblichen Benachteiligung im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, wenn dieser Nachteil durch andere, vorteilhafte Vertragsbestimmungen ausgeglichen werde. Die bloß faktische Verkaufsmöglichkeit an der Börse sei ohne entsprechende rechtliche Absicherung durch vertragliche Bestimmungen jedenfalls nicht ausreichend. Doch selbst wenn die Börsennotierung rechtlich verpflichtend vorgesehen sei, wäre dies kein gleichwertiger Ersatz für das der Gesellschaft, nicht aber den Genussscheininhabern zustehende ordentliche Kündigungsrecht. Im Gegensatz zu einer ordentlichen Kündigung samt Berechnung des Abschichtungsguthabens sei durch den Verkauf an der Börse nicht gewährleistet, dass der Genussscheininhaber den ihm vertraglich zustehenden Wert erhalte. Die Gesellschaft hingegen habe sich sehr wohl die Möglichkeit eingeräumt, das Rechtsverhältnis mit dem Genussscheininhaber zu einem günstigen Zeitpunkt zu lösen und das Genussscheinkapital abzuschichten, ohne dass diese Möglichkeit auch dem Genussscheininhaber zugestanden werde. Insofern bestehe auch ein Ungleichgewicht zwischen den Rechten der Gesellschaft und der Genussscheininhaber, was eine gröbliche Benachteiligung im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB bewirke. Diese zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses bestehende Ungleichbehandlung der Anleger hätte durch weitere vorteilhafte Vertragsbestimmungen, wie die rechtliche Absicherung der Börsennotierung und ein Rückgaberecht der Anleger ausgeglichen werden müssen. Im vorliegenden Fall sei somit eine unangemessene Beeinträchtigung der Interessen der Anleger iSd §§ 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 1 Z 1 KSchG zu sehen.
Es bleibt nunmehr abzuwarten, ob die Gegenseite Revision an den Obersten Gerichtshof erheben wird.
OLG Graz 11.8.2009, 4 R 71/09g
Klagevertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien