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Urteil: "Gratis" muss tatsächlich gratis sein

In seinem Urteil vom 16.11.2009 bestätigte das OLG Wien die Ansicht des Vereins für Konsumenteninformation (VKI), dass es wettbewerbswidrig ist, mit Finanzierungsangeboten zu "0% Zinsen" zu werben, wenn tatsächlich Bearbeitungs- und Kontoführungsgebühren verrechnet werden und es dadurch zu einem Effektivzinssatz von 1,9% oder 5,02% kommt. Die ordentliche Revision an den OGH ist zugelassen.

Kika hatte in seinen Werbeprospekten mit einer Finanzierungs-Aktion geworben, Z.B. "4 Jahre - 0% Zinsen!", wobei im Kleingedruckten auf die Details der Aktion hingewiesen wurde. So etwa auf das Faktum, dass Bearbeitungs- und Kontoführungsgebühren anfielen, womit es beispielsweise zu einem Effektivzinssatz von 5,02% p.a. kommen konnte.

Der VKI ging gegen diese Werbung - im Auftrag des BMASK - vor und klagte auf Unterlassung. Einerseits mit dem Argument, dass die Bewerbung eines Produktes als "gratis", wenn tatsächlich Kosten anfallen, gegen das Per-se-Verbot der Ziffer 20 im Anhang des Gesetzes gegen Unlauteren Wettbewerb verstößt, andererseits, dass die Blickfangwerbung auch zur Irreführung der KonsumentInnen geeignet sei.

Das LG St.Pölten wies die Klage zunächst ab, das OLG Wien gab dem VKI nun Recht, ließ aber die ordentliche Revision an den Obersten Gerichtshof zu.

Das OLG Wien fällte damit eine interessante Entscheidung zur Auslegung der Per-se-Verbote im Anhang des UWG, der mit der Umsetzung der UGP-Richtlinie 2005/29/EG in das österreichische Recht eingefügt wurde. Er enthält eine Liste irreführender und aggressiver Geschäftspraktiken, die jedenfalls verboten sind, womit eine einheitliche Regelung von Geschäftspraktiken in der gesamten Europäischen Union erzielt werden soll.

Umstritten ist die Frage, ob Geschäftspraktiken, die unter ein Per-se-Verbot fallen, zusätzlich anhand der Generalklauseln der §§ 2 und 1 UWG zu beurteilen sind. Der überwiegende Teil der Lehre lehnt diese Ansicht ab.

Das OLG Wien setzte sich mit den Lehrmeinungen auseinander und kam zu dem Schluss, dass eine Geschäftspraktik, die unter - im gegenständlichen Fall - die Ziffer 20 des Anhangs zum UWG fällt, nicht zusätzlich im Hinblick auf ihre Irreführungseignung zu prüfen ist.

Schon das Erstgericht hatte die beanstandete Werbung als irreführend und als Verstoß gegen Z 20 des Anhangs zum UWG beurteilt. Gemäß diesem stellt die Beschreibung eines Produktes als "gratis", "umsonst" "kostenfrei" oder ähnlich, obwohl der Umworbene weitergehende Kosten zu tragen hat als jene, die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidlich sind, jedenfalls eine irreführende - und damit verbotene - Geschäftspraktik dar. Gemäß Art 2 lit c der UGP-Richtlinie bzw. § 1 Abs 4 Z 1 UWG bezeichnet der Begriff "Produkt" jede Ware oder Dienstleistung, einschließlich Immobilien, Rechte und Verpflichtungen (was Kredite daher umfasst).

Allerdings verneinte das Erstgericht in der Folge das Vorliegen der Wiederholungsgefahr, weil die Beklagte im Verfahren angeboten hatte, die Erweckung des unrichtigen Eindrucks, sie biete ihren Kunden die Finanzierung des Kaufpreises über zinsenlose Kredite an, etwa durch die blickfangartig hervorgehobene Ankündigung "0% Zinsen", in Zukunft zu unterlassen, wenn die Inanspruchnahme des Kredites tatsächlich mit Entgelten (..) verbunden ist, und (in Einschränkung des Klagebegehrens) "sofern darauf nicht ausreichend deutlich hingewiesen wird".

Der VKI lehnte dieses Vergleichsanbot im Hinblick auf diesen einschränkenden Zusatz ab, und zwar mit dem Argument, dass ein Gratisangebot, bei dem zusätzliche Kosten anfallen, kein Gratisangebot mehr darstellt, und dem Per-se-Verbot im Anhang zum UWG nicht zu entnehmen ist, dass es darauf ankommt, ob der Unternehmer auf anfallende Kosten deutlich hinweist oder nicht.

Die überwiegende Lehre ist der Meinung, dass der Anhang der UGP-Richtlinie (bzw. zum UWG) unabhängig vom Vorliegen weiterer Voraussetzungen, etwa der Irreführungseignung oder der Beeinflussung der Entscheidungsfreiheit der KonsumentInnen zu prüfen ist. So sei die Schaffung der Rechtsgleichheit auf den verschiedenen Märkten ausgewiesenes Ziel der UGP-RL, weshalb die innerstaatlichen Gerichte infolge richtlinienkonformer Auslegung nationaler Gesetze dazu verpflichtet seien, die im Anhang zum UWG übernommenen Per-se-Verbote der Richtlinie ernst zu nehmen und sie nicht dort auszuhöhlen, wo dies der europäische Gesetzgeber nicht wünsche.

Das OLG Wien schloss sich der Ansicht an, dass die in den Z 1-23 Anhang zum UWG geregelten Tatbestände ohne weitere Prüfschritte jedenfalls als irreführende Geschäftspraktiken anzusehen sind.

Im vorliegenden Fall bedeutete dies, dass die inhaltlich unrichtige Ankündigung "0% Zinsen" gegen das Per-se-Verbot der Z 20 des Anhangs zum UWG verstößt, das die Beschreibung eines Produktes als "gratis", "umsonst","kostenfrei" oder ähnlich, obwohl der Umworbene weitere Kosten zu tragen hat als die im Rahmen des Eingehens auf die Geschäftspraktik und für die Abholung oder Lieferung der Ware unvermeidbaren, inkriminiert. Die zitierte Bestimmung stelle allgemein nur auf die unrichtige "Beschreibung" des Produkts mit den aufgezählten oder ähnlichen Begriffen ab. Nachdem davon auszugehen sei, dass der Gesetzgeber im Hinblick auf die große Anlockwirkung und Irreführungsgeneigtheit von Gratisangeboten ein absolutes Verbot postulieren wollte, könne selbst ein deutlicher Hinweis auf etwaige Zusatzkosten die mögliche Irreführung bei Verwendung von Begriffen wie "gratis" nicht beseitigen. Das Vergleichsanbot der Beklagten sei daher nicht ausreichend gewesen, um die Wiederholungsgefahr zu beseitigen.

Das OLG ließ die ordentliche Revision an den OGH zu, weil zur gegenständlichen Rechtsfrage noch keine höchstgerichtliche Judikatur existiert.

OLG Wien, 16.11.2009, 30 R 23/09m
LG St. Pölten, 9.2.2009, 2 Cg 194/08b
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Klagsvertreterin: Dr. Anne Marie Kosesnik-Wehrle, RAin in Wien

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