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Urteil: Gesetzwidrige Tatsachenbestätigungen in AWD Gesprächsnotizen

Der VKI hatte den AWD - neben der Sammelklage-Aktion - (im Auftrag des BMASK) auch auf Unterlassung der Verwendung von Klauseln in den Gesprächsnotizen geklagt und nun in zweiter Instanz weitgehend Recht bekommen.

Das OLG bejahte erst einmal hinsichtlich aller Klauseln die Wiederholungsgefahr (da zum Teil nur bedingte oder abgeänderte Unterlassungserklärungen abgegeben worden waren) und hielt damit das Klagebegehren für zulässig. Außerdem folgte es nicht den Argumenten der Beklagten, dass derartige Gesprächsnotizen keiner Klauselkontrolle unterliegen würden. Vielmehr ist auch hierbei von Vertragsformblättern auszugehen, die Inhalt (und nicht bloß Dokumentation) des Vertrages durch Vereinbarung mit dem Verbraucher werden und damit der AGB-Kontrolle im Verbandsverfahren unterliegen.

Folgende Textpassagen dieser "Gesprächsnotizen" sind laut OLG Wien unzulässig:

1. Außerdem wurde ich von meinem Wirtschaftsberater über folgende Punkte aufgeklärt: Gebühren/Verwaltungskosten, Kursschwankungen, Bindefrist-, Verfügbarkeit, Renditeerwartung, Ausgabeaufschlag, Euro-Umstellung, Währungsrisiko, steuerliche Behandlung von Kapitalerträgen, Belastungen bei vorzeitiger Beendigung, Produktemittent (Insolvenzrisiko), Rückkaufswert.

Die Klausel verstößt gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG analog, da zwar keine formelle Beweislastvereinbarung getroffen wurde, der Konsument aber eine Wissenserklärung abgibt, die zumindest im Ergebnis den Wirkungen einer entsprechenden Vereinbarung nahe kommt. Das OLG stützt sich dabei auf die Ausführungen des OGH zu § 6 Abs 1 Z 11 in 3 Ob 12/09z. Die Bestätigung ändere im vorliegenden Fall zwar nicht die grundsätzliche Beweislastverteilung, der Kunde müsse aber nach Unterzeichnung der Klausel darüber hinaus beweisen, dass die Dokumentation möglicherweise nicht dem tatsächlichen Gesprächsverlauf entsprochen habe. Außerdem ist die Klausel intransparent, so das OLG: für den Verbraucher sei nicht überschaubar, was konkret er durch Unterfertigung der Klausel bestätigt und welche Folgen diese Tatsachenbestätigung für die Geltendmachung seiner Rechte in Zukunft haben könnte.

2. Mündliche Zusagen wurden nicht getroffen.

Auch diese Klausel befand das OLG als iSd § 6 Abs 1 Z 11 unzulässige Tatsachenbestätigung. Außerdem sei sie aus den gleichen Gründen wie Klausel 1 intransparent. Überdies verstößt sie gegen § 10 Abs 3 KSchG, wonach die Rechtswirksamkeit formloser Erklärungen des Unternehmers oder seiner Vertreter zum Nachteil des Verbrauchers nicht ausgeschlossen werden kann.

3. Mein Wirtschaftsberater hat mich über das mir gesetzlich zustehende Rücktrittsrecht aufgeklärt, wonach ich berechtigt bin, binnen einer Woche ab dem heutigen Vertragsabschluss von diesem Vertrag zurückzutreten.

Die Klausel ist intransparent und verstößt gegen die gesetzliche Anordnung des § 3 KSchG. Weder wird auf die Schriftform hingewiesen, die für die Rücktrittserklärung des Verbrauchers notwendig ist; noch erfährt der Verbraucher dadurch, dass bei Unterbleiben der Übergabe der in § 3 KSchG vorgesehenen schriftlichen Information die angesprochene Wochenfrist bei Vertragsabschluss gerade nicht zu laufen beginnt.

4. Allerdings haftet der AWD für solche Umstände, die sich auf meine persönlichen finanziellen Verhältnisse, auf mein persönliches Anlageverhalten und auf meine Anlageziele beziehen, nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, nicht jedoch auch für leichte Fahrlässigkeit. Auf eine diesbezügliche weiter gehende Nachforschungspflicht verzichte ich ausdrücklich.

Da die Klausel "schon sprachlich nicht mit der erforderlichen Eindeutigkeit nachvollziehbar" ist, befand das Gericht sie wegen Intransparenz für unzulässig. Überdies wäre die Klausel dann iSd § 879/3 ABGB gröblich benachteiligend, wenn sich die Beklagte mit der Formulierung von der Haftung für eine leicht fahrlässige Verletzung der ihr obliegenden Pflichten aus dem Beratungsvertrag (bzw der in § 13 Z 3 WAG normierten Pflichten) befreien will.

5. (…) Über die nachstehend aufgelisteten Risiken wurde ich von meinem Wirtschaftsberater ausführlich und ausdrücklich aufgeklärt: Unternehmensrisiko (zB Managementfehler, Geschäftsentwicklung, Akquisitionen); Immobilienrisiko (zB Standort, Zustand, Vermietung, Erträge, Verwertbarkeit, Streuung); Liquiditätsrisiko (zB Börsencrash, keine Käufernachfrage); Zinsrisiko (zB höhere Finanzierungskosten infolge steigender Zinsen); Risiko des Teil- oder Totalverlustes des investierten Kapitals (zB Insolvenz); Währungsrisiko (zB niedrigere Erträge und höhere Finanzierungskosten in Fremdwährung); rechtliche Rahmenbedingungen (zB Besteuerung, sonstige gesetzliche Auflagen und Änderungen); politische Rahmenbedingungen (zB politischer Umsturz, revolutionäre Ereignisse, Krieg); wirtschaftliche Rahmenbedingungen (zB Osteuropa, Konjunktur); Risiko der zukünftigen Marktentwicklung, Wettbewerbsrisiko (zB höhere Anschaffungskosten bei höherer Nachfrage) (..)

Auch diese Klausel ist wegen Intransparenz und einem Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG unwirksam. Die Klausel ist nicht geeignet, den konkreten Inhalt des im Einzelfall geführten Beratungsgespräches zu dokumentieren. Es werde somit - so das OLG Wien - eine Tatsachenbestätigung geschaffen, die den Verbraucher in eine schlechtere Beweislage bringe.

6. Ich nehme zur Kenntnis, dass die Beratung und Aufklärung bzgl der gewählten Kapitalanlage auf der Grundlage der von mir gegebenen Angaben, Wünsche und Bedürfnisse erfolgte.

Die Klausel gibt zwar eine Selbstverständlichkeit wieder; das Gericht befand sie allerdings auch verwirrend, da suggeriert werde, dass die dem Verbraucher erteilte Beratung und Aufklärung nicht anders hat erfolgen können. Wegen Intransparenz sei sie daher unzulässig.

7. Bevor ich diese Gesprächsnotiz unterschreibe, habe ich die Mandantenhinweise auf der Rückseite mit den erläuternden Hinweisen gelesen. Sie enthalten Informationen zum Rücktrittsrecht.

Wegen Verstoßes gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG ist die Klausel unzulässig.

8. Mein Wirtschaftsberater hat mich über die von mir gewählte Kapitalanlage, unter Zugrundelegung der von mir gemachten Angaben umfassend aufgeklärt. Sämtliche von mir gestellte Fragen wurden von meinem Wirtschaftsberater zufriedenstellend beantwortet.

Wegen Verstoß gegen § 6 Abs 1 Z 11 KSchG ist auch diese Klausel unzulässig: Von dem zu Belehrenden könne in der Situation ja gar nicht überblickt werden, ob die ihm erteilte Aufklärung umfassend gewesen sei. Überdies ist die Klausel intransparent, weil sie geeignet ist, dem Verbraucher eine unrichtige Vorstellung seiner rechtlichen Position zu verschaffen.

9. Mit meiner Unterschrift habe ich diese Mandantenhinweise zur Kenntnis genommen, verstanden und akzeptiert.

Das OLG zitiert in diesem Zusammenhang 9 Ob 15/05d und erachtet auch diese Klausel gesetzwidrig iSd § 6 Abs 1 Z 11 KSchG. Den Verbraucher treffe durch die in der Klausel enthaltene Tatsachenbehauptung eine Erschwerung seiner Rechtsdurchsetzung: Er müsse nämlich dartun, dass er ungeachtet dieser Bestätigung etwa in Wahrheit keine Möglichkeit gehabt hat, die AGB zur Kenntnis zu nehmen. Überdies ist die Klausel intransparent, da sie dem Konsumenten ein schlechteres Bild von seiner Vertragsposition vermittelt, als sie tatsächlich sein kann.

10. Mir wurden die genannten Risiken von meinem AWD Berater erklärt, und ich bestätige, diese verstanden zu haben.

Auch diese Klausel ziele darauf ab, dem Kunden die Wahrung seiner Rechte für den Fall zu erschweren, dass sich für ihn in der Folge herausstellt, dass die Belehrung unrichtig, unvollständig oder tendenziös gewesen ist. Der Passus widerspreche damit dem Transparenzgebot und stelle überdies eine unzulässige Tatsachenbestätigung dar.

Einzig in der Klausel "...Ferner ist eine Anlage in Aktien/Investmentfonds mit hohem Risiko und starken Wertschwankungen bei nur geringen/keinen Erfahrungen im Investmentbereich nicht zu empfehlen"  sah das OLG einen allgemein formulierten Ratschlag. Dieser Passus sei daher unbedenklich.

Drei Klauseln wurden als weit formulierte Information angesehen und nicht verboten. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Das OLG hat die Revision zugelassen.

OLG Wien, am 24.11.2009 , 15 R 170/09v
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Klagsvertreter: RA Dr. Klauser, Wien

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