Die Beklagte und ihr damaliger Ehegatte hatten 2004 einen Kredit bei der klagenden Bank aufgenommen und die Kreditvereinbarung gemeinsam mit ihrem Mann unterzeichnet. Eine Kreditsumme in der Höhe von über € 45.000 wurde über Kreditvermittlung bei der klagenden Bank aufgenommen, wobei die Ehefrau und Mutter von zwei Kindern als Raumpflegerin damals ein durchschnittliches Monatseinkommen von ca € 500 netto bezog. Der Ehegatte war als Fernfahrer tätig und verdiente knapp € 1600 monatlich. Er hatte aus anderen Krediten monatliche Rückzahlungsverpflichtungen iHv € 270. Nachdem er bei mehreren Kreditinstituten vergeblich versucht hatte, einen Kredit zu erhalten, wandte er sich an einen Kreditvermittler. Dieser verschafft ihm gegen eine Provision von rund € 3000 einen Kredit bei der klagenden Bank. Die Beklagte Frau und ihr damaliger Ehegatte unterfertigten die Kreditvereinbarung jeweils als Kreditnehmer. Das Geld wurde ua für einen PKW Audi A 6 (€ 16.500) und einen LKW (mit welchem sich der Ehemann selbständig machen wollte, rund € 15.000) verwendet. Die Ehe wurde 2007 einvernehmlich geschieden. Der Ehemann verpflichtete sich, die Kreditrückzahlung allein zu übernehmen, die Beklagte haftete nach § 98 EheG als Ausfallsbürgin. Die Bank klagte nun einen Teilbetrag bei der Frau ein, zumal ein gegen den Mann eingeleitetes Exekutionsverfahren erfolglos geblieben war.
Das Erstgericht hatte dem Klagebegehren stattgegeben, das Berufungsgericht wies es zur Gänze ab.
Das Höchstgericht gab nun dem Klagebegehren der Bank statt, und führte dazu aus:
1. Es liege kein Interzessionsgeschäft nach § 25 c KSchG vor:
Zur Abgrenzung zwischen echter Mitschuld und Interzessionsgeschäft bestehen grundsätzlich zwei unterschiedliche Judikaturlinien. Nach den Materialien zu § 25 c KSchG bzw der daraus begründeten Linie (die mit 7 Ob 65/04s eingeleitet wurde) wird die Interzedenteneigenschaft des Mithaftenden und damit § 25 c KSchG dann ausgeschlossen, wenn dem Mithaftenden die Kreditaufnahme (auch) zugute kommt. Nach der anderen Meinung (3 Ob 111/08g; 3 Ob 1/09g) ist ein Eigeninteresse an der Kreditaufnahme bloß ein Indiz für den Vertragswillen nach Begründung einer echten Mitschuld. Entscheidend sei vielmehr der Parteiwille, der sich aus den Umständen des Vertragsabschlusses ergebe. Maßgeblich sei das Innenverhältnis der beiden Schuldner bzw dessen Erkennbarkeit für den Gläubiger. Eine materiell fremde Schuld sei dadurch charakterisiert, dass dem zahlenden Interzedenten ein Regressanspruch gegenüber dem Schuldner zustehe. Im gegenständlichen Fall spiele dieser Widerspruch zwischen den Judikaturlinien keine Rolle, da die Beklagte nach der Kreditvertragsurkunde keine Bürgschaftsverpflichtung geschlossen habe, sondern gemeinsam mit ihrem Mann als Kreditnehmerin die Vereinbarung getroffen habe. Die Beklagte hätte daher behaupten und beweisen müssen, dass sie in Wahrheit lediglich als Interzedentin aufgetreten sei. Außerdem nahm das Gericht ein (zumindest iHv 21% der Kreditsumme vorliegendes) Eigeninteresse der Beklagten an, da die Anschaffung des PKWs und einer Kücheneinrichtung dafür sprechen würden. Die Beklagte könne sich daher nicht auf die Rechtsfolge der Haftungsbefreiung bei Verletzung einer Aufklärungspflicht der Bank nach § 25 c Satz 2 KSchG berufen.
2. Es liege keine Sittenwidrigkeit der Haftungserklärung der Beklagten vor:
In einem ersten Schritt prüfte der OGH, ob ein krasses Missverhältnis zwischen Haftungssumme und wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit des Mithaftenden vorliege. Dieses bejahte das Gericht im konkreten Fall - das Eigeneinkommen der Beklagten (€ 500 netto monatlich) steht zur Gesamtkreditbelastung (mehr als € 70.000) in einem objektiven Missverhältnis. Ist von einem solchen "krassen Missverhältnis" als objektives Element auszugehen, seien die weiteren Umstände innerhalb eines beweglichen Systems zu analysieren, die in einer Gesamtschau zur Antwort auf die Frage nach der Sittenwidrigkeit beitragen solle. Diese maßgeblichen Kriterien seien dabei 1. die inhaltliche Ausgestaltung der Mithaftung, 2. die Umstände des Zustandekommens infolge verdünnter Willensfreiheit des Mithaftenden und 3. die Kenntnis bzw fahrlässige Unkenntnis dieser Faktoren durch den Kreditgeber.
In einer Gesamtwürdigung der Umstände bei Abschluss des Kreditvertrages (nach den von der Rspr für das Interzessionsgeschäft entwickelten Grundsatz, das hier nicht vorliege) sei im gegenständlichen Fall nicht von einer Sittenwidrigkeit auszugehen: Neben der konkreten vertraglichen Ausgestaltung der Mithaftung (inkl der absoluten Höhe der Verpflichtung), der Überschaubarkeit des Risikos überhaupt für den Mithaftenden und der finanziellen Situation des Hauptschuldners, sei weiters die geschäftliche Erfahrenheit des Mithaftenden, dessen etwaige Überrumpelung oder Ausnützung einer seelischen Zwangslage zu betrachten. Im gegenständlichen Fall verneinte der OGH auf Grundlage dieser Gesamtschau eine Sittenwidrigkeit der Haftung der Beklagten: Die Annahme einer verdünnten Willensfreiheit der Beklagten bei Vertragsschluss sei vom festgestellten Sachverhalt nicht gedeckt, die Beklagte war darüber informiert, wofür und in welchem Ausmaß ein Kredit aufgenommen werden sollte, eine Überrumpelung der Mithaftenden sei nicht anzunehmen.
OGH 20.4.2010, 1 Ob 39/10g