Der beklagte Gutachter erstattete im Auftrag der Constantia Privatbank AG (nunmehr Aviso Zeta Bank AG) insgesamt sieben Gutachten über Immofinanz-Aktien. Ihm war dabei bekannt, dass zwischen der Bank und der Immofinanz AG enge geschäftliche Beziehungen und auch personelle Verflechtungen bestanden. Die vom Beklagten erstatteten Gutachten sollten die grundsätzliche Eignung der Aktien zur Mündelgeldveranlagung darstellen. Der Gutachter ging davon aus, dass die von ihm erstellten Gutachten dazu Verwendung finden würden, um auf geeignete Weise die Veranlagung von Mündelgeldern zu erreichen.
Nach Meinung des Sachverständigen waren im gegenständlichen Gutachten Aktien der Immofinanz AG damals zur Veranlagung von Mündelgeld geeignet, sofern die Veranlagung im Rahmen eines sinnvollen Portfoliomix erfolgte. Dabei war zu berücksichtigen, dass bei Veranlagungen das Ziel der Risikostreuung bei gleichzeitiger Ertragsoptimierung sinnvoller Weise nur im Rahmen einer Diversifikation in verschiedene Veranlagungen, die unterschiedliche Risikoverläufe aufweisen, erreichbar war.
Eine obsorgeberechtigte Mutter von zwei minderjährigen Kindern, die aus einer Erbschaft über Vermögen verfügen, wandte sich im Frühjahr 2004 an ihren Vermögensberater und erzählte ihm, dass sie Geld für die Kinder mündelsicher zu veranlagen habe. Der Berater riet ihr daraufhin, eine Anlage mit einer guten Rendite zu kaufen. Nach einer Rückfrage bei der zuständigen Pflegschaftsrichterin wandte sich die Mutter nochmals an den Berater. Der teilte ihr mit, dass es ein Gutachten gebe, das bestätigte, dass die Immofinanz-Aktien mündelsicher seien. Daraufhin faxte der Berater an die Mutter die Seiten 25 und 26 des Gutachtens des Beklagten vom 28. Oktober 2003. Sie erhielt nur diese beiden Seiten zur Verfügung gestellt. Nach Übermittlung dieser Unterlagen genehmigte das Pflegschaftsgericht die Veranlagung von jeweils 2.500 EUR pro Kind in Immofinanz-Aktien, ohne ein weiteres Gutachten einzuholen. Die Mutter, der bewusst war, dass es sich bei den ihr vom Berater übermittelten zwei Seiten nur um einen Auszug des Gutachtens handelte, erkundigte sich beim Berater nicht über die Möglichkeit, das gesamte Gutachten zu übermitteln. Zum 16. August 2004 kaufte die Mutter für ihre Kinder Immofinanz-Aktien zu einem Kurs von 6,66 EUR, wofür inklusive Spesen jeweils 2.500 EUR zu zahlen waren.
Der OGH bestätigte die Vorinstanzen, verneinte die Haftung des Gutachters und führte aus:
Für den Vermögensschaden eines Dritten, der durch ein fahrlässig erstelltes Privatgutachten verursacht wurde, haftet der Gutachter nur dann, wenn der Gutachtensauftrag erkennbar auch die Interessen des Dritten mitverfolgte bzw. das Gutachten die Schaffung einer Vertrauenslage für den Dritten (mit-)bezweckte. Ein im Auftrag einer Immobilien-AG (hier Immofinanz-AG) erstelltes, erkennbar für Werbezwecke gedachtes Privatgutachten über die Mündelsicherheit der Aktien hat ohne Zweifel auch den Zweck, eine Vertrauenslage für Anleger zu schaffen. Der Umstand, dass das Pflegschaftsgericht die Anlage von Mündelgeld in den Immobilienaktien entgegen § 230e Abs. 1 ABGB ohne Anhörung eines Gerichtssachverständigen allein aufgrund des Privatgutachtens genehmigte, schließt die Haftung des Gutachters nicht aus.
Die Richtigkeit des Gutachtens ist ex ante anhand der im Zeitpunkt seiner Erstellung vorhandenen Erkenntnisquellen zu beurteilen. Die wirtschaftlichen Entwicklungen der letzten Jahre, die zum starken Kursverfall der verfahrensgegenständlichen Immobilienaktien führten, waren im Jahr 2003 nicht vorhersehbar.
Der Gerichtssachverständige kann sich bei seiner gutachterlichen Stellungnahme zur Mündelsicherheit iSd § 230e Abs. 1 ABGB auf die öffentlich zugänglichen Erkenntnisquellen (Jahresabschlüsse, Prüfberichte, Börsenstatistiken, Branchenstatistiken und Presseberichte) beschränken; eine umfassende Bewertung der Vermögensanlage ist nicht erforderlich. Auch ein Privatgutachter verletzt seine Sorgfaltspflichten nicht, wenn er bei der Befundaufnahme nur die öffentlich zugänglichen Quellen heranzieht. Relevante Zweifel hätten allenfalls aufgrund von Presseberichten oder einschlägigen Publikationen entstehen können. Derartiges wurde vom behauptungspflichtigen Kläger aber nicht vorgebracht.
Das Urteil ist rechtskräftig.
OGH 04.08.2010, 3 Ob 79/10d
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Klagevertreter: Kanzlei Deinhofer, Petri und Wallner, Rechtsanwälte in Wien