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EuGH präzisiert Umfang des Verbraucherschutzes bei grenzüberschreitenden Käufen

Verbrauchergerichtsstand liegt auch dann vor, wenn die Internetseite des Händlers für den Vertragsabschluss nicht kausal war. EuGH legt weitere Indizien für eine Ausrichtung der gewerblichen Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedsstaat fest.

Für die Möglichkeit von Verbrauchern, einen ausländischen Gewerbetreibenden vor den inländischen Gerichten zu verklagen, genügt es, wenn das Vertragsanbot nur online erfolgte und der Käufer nicht über die Internetseite des Händlers (sondern über Bekannte) vom Anbot erfahren hatte.

Die Anwendbarkeit des für den Konsumenten vorteilhaften Verbrauchergerichtsstand (= Wohnsitz des Konsumenten) setzt überdies nicht voraus, dass der streitige Vertrag im Fernabsatz abgeschlossen wurde.

Die entscheidende Voraussetzung für die Anwendung von Artikel 15 Abs 1, lit c EuGVVO (Verbrauchergerichtsstand) ist die auf den Wohnsitzstaat des Verbrauchers ausgerichtete berufliche oder gewerbliche Tätigkeit des Unternehmers.

Ausrichten der gewerblichen Tätigkeit auf einen anderen Mitgliedstaat
Der EuGH beschäftigte sich schon mehrmals mit der Frage, welche Kriterien vorliegen müssen, dass Konsumenten Klage gegen die im Ausland sitzenden Unternehmen bei einem Gericht ihres Heimatstaates einbringen können. Aus der bisherigen Rechtsprechung lassen sich folgende (nicht erschöpfende) Anhaltspunkte aufstellen, die die Feststellung erlauben, dass die Tätigkeit des Gewerbetreibenden auf den Wohnsitzmitgliedstaat des Verbrauchers ausgerichtet ist.

Zu diesen Indizien gehören insbesondere

  • die Aufnahme von Fernkontakt
  • der Abschluss eines Verbrauchervertrags im Fernabsatz
  • der Kausalzusammenhang zwischen eingesetztem Mittel des Händlers und Vertragsabschluss
  • der internationale Charakter der Tätigkeit
  •  die Angabe von Anfahrtsbeschreibungen von anderen Mitgliedstaaten aus zu dem Ort, an dem der Gewerbetreibende niedergelassen ist
  •  die Verwendung einer anderen Sprache oder Währung als der in dem Mitgliedstaat der Niederlassung des Gewerbetreibenden üblicherweise verwendeten Sprache oder Währung mit der Möglichkeit der Buchung und Buchungsbestätigung in dieser anderen Sprache 
  • die Angabe von Telefonnummern mit internationaler Vorwahl
  • die Angabe einer Handynummer, die es den in einem anderen Mitgliedstaat wohnhaften potenziellen Kunden ermöglicht, die Kosten für ein Auslandsgespräch zu ersparen
  • die Tätigung von Ausgaben für einen Internetreferenzierungsdienst, um in anderen Mitgliedstaaten wohnhaften Verbrauchern den Zugang zur Website des Gewerbetreibenden oder seines Vermittlers zu erleichtern
  • die Verwendung eines anderen Domänennamens oberster Stufe als desjenigen des Mitgliedstaats der Niederlassung des Gewerbetreibenden und die Erwähnung einer internationalen Kundschaft, die sich aus in verschiedenen Mitgliedstaaten wohnhaften Kunden zusammensetzt.

Es ist Sache des nationalen Richters, zu prüfen, ob diese Anhaltspunkte vorliegen.

EuGH 17.10.2013, C-218/12

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