Das spanische Recht sieht vor, dass der Richter bei einer nichtigen Vertragsklausel den Vertrag nach dem Grundsatz von Treu und Glauben anpassen kann. Nach einer anderen spanischen Regelung dürfen die Verzugszinsen bei einem Hypothekarkredit das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes nicht übersteigen. In den Ausgangsverfahren betrugen die Verzugszinsen 18%, 25% bzw 22,5% und überstiegen das Dreifache des gesetzlichen Zinssatzes. Sie waren nach Ansicht des spanischen Gerichts daher missbräuchlich iSd Art 3 der RL 93/13/EWG (Klauselrichtlinie).
Die Frage war nun, wie das nationale Gericht mit diesen gesetzwidrigen Zinssätzen zu verfahren hat: ob es - wie die spanische Regelung besagt - den Vertrag anpassen sollte, dh den Zinssatz neu berechnen sollte und zwar so, dass er der gesetzlichen Vorschrift entspricht, oder ob die Regelung mit den missbräuchlichen Verzugszinsen ganz wegfällt.
Nach Art 6 der Klauselrichtlinie sind missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen für Verbraucher unverbindlich. Für den EuGH bedeutet dies, dass die nationalen Gerichte eine missbräuchliche Vertragsklausel für unanwendbar zu erklären haben, damit sie den Verbraucher nicht bindet, ohne dass sie befugt wären, deren Inhalt abzuändern (Banco Español de Crédito, C-618/10; Asbeek/Jahani, C-488/11). Art 6 der Klauselrichtlinie steht einer nationalen Rechtsvorschrift entgegen, wonach das nationale Gericht, wenn es die Nichtigkeit einer missbräuchlichen Klausel in einem Verbrauchervertrag feststellt, durch Abänderung des Inhalts dieser Klausel den Vertrag anpassen kann. Die Möglichkeit für das nationale Gericht, eine missbräuchliche Klausel durch eine dispositive nationale Vorschrift zu ersetzen, ist auf die Fälle beschränkt, in denen die Ungültigerklärung der missbräuchlichen Klausel das Gericht verpflichten würde, den Vertrag insgesamt für nichtig zu erklären, wodurch der Verbraucher Konsequenzen ausgesetzt würde, die derart sind, dass er dadurch bestraft würde (Rz 33).
In den Ausgangsverfahren kann die Nichtigerklärung der in Rede stehenden Vertragsklauseln jedoch keine negativen Konsequenzen für den Verbraucher haben, da die Beträge mangels Erhöhung durch die Anwendung der von diesen Klauseln vorgesehenen Verzugszinsen zwangsläufig geringer sein werden.
EuGH 21.1.2015, verb Rs C-482/13 (Unicaja Banco), C-484/13, C-485/13 und C-487/13 (Caxabank)
Anmerkung:
Bereits im Jahr 2012 hatte der EuGH ausgesprochen, dass Vertragsklauseln in Verbraucherverträgen, die iSd RL 93/13 (Klauselrichtlinie) missbräuchlich sind, von den nationalen Gerichten nicht eingeschränkt oder abgewandelt aufrecht erhalten werden dürfen; das Gericht hat deren Anwendung gegenüber dem Verbraucher schlicht auszuschließen (EuGH 14.6.2012, C-618/10 [Banco Espanol de Crédito]).
Der OGH stellte in der Folge der Banco Espanol-Entscheidung deutlich fest, dass eine geltungserhaltende Reduktion missbräuchlicher Klausel in Verbraucherverträgen unzulässig ist (OGH 24.1.2013, 2 Ob 22/12t; 17.2.2014, 4 Ob 229/13z).
Bei der geltungserhaltenden Reduktion wird versucht, eine gesetzwidrige Klausel dadurch aufrecht zu erhalten, dass ihr Anwendungsbereich soweit eingeschränkt wird, dass sie doch dem Gesetz entspricht.
In der Folge stellte sich die Frage, ob nach der EuGH-Rechtsprechnung eine gesetzwidrige Klausel durch das dispositive Recht ersetzt werden kann und ob weiterhin eine ergänzende Vertragsauslegung möglich ist.
Unter einer ergänzenden Vertragsauslegung versteht man eine Auslegungsmöglichkeit, bei der eine gesetzwidrige Klausel durch eine Bestimmung ersetzt wird, die dem übereinstimmenden hypothetischen Parteiwillen entspricht.
Der EuGH sagt nun ganz klar, dass das nationale Gericht eine gesetzwidrige Klausel nur ausnahmsweise durch eine dispositive Gesetzesregel ersetzen darf, nämlich nur dann, wenn der gänzliche Wegfall der missbräuchlichen Klausel den Wegfall des gesamten Vertrages bedeuten würde, und der Verbraucher dadurch bestraft würde.
Dies war in einem Verbraucherkreditvertrag, der eine gesetzwidrige Umrechnungsklausel in einem Fremdwährungskredit enthielt, der Fall: Dort ließ der EuGH den Ersatz durch eine dispositive Regelung zu, weil sonst der Vertrag zur Gänze weggefallen wäre und der Verbraucher dadurch sofort den gesamten Kreditbetrag zurückzahlen hätte müssen (30.4.2014, C-26/13 [Kásler, Rábai/OTB]). ]). Bereits dort betonte der EuGH mehrmals, dass dies nur in einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens gelte.
Die Konsequenz aus der neuen EuGH-Entscheidung wird wohl sein, dass - von der der gerade genannten Ausnahme abgesehen - die nationalen Gerichte eine gesetzwidrige Klausel nicht mehr durch das dispositive Recht ersetzen dürfen und dass auch die ergänzende Vertragsauslegung in Verbraucherverträgen (Unternehmer-Verbraucher) nicht mehr zulässig ist.