Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) ging im Auftrag des Sozialministeriums gegen die weltweit tätige Einkaufsgemeinschaft Lyoness mit einer Verbandsklage rund um die "erweiterten Mitgliedsvorteile" vor und erreichte ein erfreuliches Urteil.
Alle 61 beanstandeten Klauseln wurden vom HG Wien für gesetzwidrig und unzulässig erklärt.
Das Rechtsverhältnis zwischen der Beklagten und ihren Kunden ist in den AGB und den ZAGB aus 2012, aber auch - mit teils anderer Nomenklatur in den AGB aus 2009, 2008 und 2007 geregelt.
Im Grunde beruht das Geschäftsmodell der Beklagten auf zwei Stützen, nämlich den Mitglieder der Einkaufsgemeinschaft (auch Kunden genannt) und den Partnerunternehmen. Bei den Partnerunternehmen handelt es sich um Dienstleister, Händler usw., die mit der Beklagten Kooperationsvereinbarungen abgeschlossen haben. Diese verpflichten sich, der Beklagten bei jedem Einkauf eines Mitglieds eine vertraglich vereinbarte Vermittlungsprovision ("Spanne" bzw. "Rabatt") zu leisten, aus der die Beklagte in weiterer Folge ihren Mitgliedern bestimmte Vorteile gewährt.
Durch jeden Einkauf, den die Mitglieder der Beklagten bei einem Partnerunternehmen tätigen, können sie verschieden Vorteile lukrieren. So erhalten Mitglieder etwa nach jedem Kauf einen bestimmten Prozentsatz des Preises von Waren rückvergütet ("cash back"). Gleiches gilt bei jedem Einkauf eines von ihnen direkt oder indirekt geworbenen Mitglieds ("Freundschaftsbonus").
Daneben gibt es noch "erweiterte Mitgliedsvorteile" für Prämienmitglieder (vormals Businesskunden). Die Verbandsklage des VKI richtet sich nun gegen Klauseln dieser erweiterten Mitgliedsvorteile, wie die "Treueprämie", den "Treuebonus", die "Treuegutschrift", die "Partnerprämie", die "Volumenprämie", das "Karrieregeschenk", den "Volumenbonus", die "Bonuseinheiten", und die "Einheiten-Umbuchung". Allen Vergütungen ist gemeinsam, dass sie vom Einkaufsvolumen der Mitglieder abhängig sind. Die "erweiterten Mitgliedsvorteile" hängen - wie "cash back" und "Freundschaftsbonus" - auch mit dem Einkaufsvolumen zusammen, doch kommen bei Ihnen noch zusätzliche Faktoren ins Spiel, wie etwa eine zeitliche Komponente oder auch die Höhe der Vermittlungsprovision. Eine direkte Leistung der Partnerunternehmen an die Mitglieder der Beklagten erfolgt nicht.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass die "erweiterten Mitgliedsvorteile" ausschließlich unternehmerisch tätigen Mitglieder zu Gute kämen, das Regelwerk transparent sei und für ihre Kunden ausschließlich mit Vorteilen verbunden sei.
Das Gericht ließ diese Einwände nicht gelten und gab dem Klagebegehren vollinhaltlich statt.
1.) Verbrauchergeschäft
Das HG Wien hatte sich zunächst mit der Frage zu befassen, ob sich die erweiterten Mitgliedsvorteile auch an Verbraucher richten. Selbst nach dem Vorbringen der Beklagten können Verbraucher iSd KSchG Anzahlungen bis maximal EUR 2.000,-- leisten. Damit nehmen Verbraucher mit ihren Zahlungen auch an den "erweiterten Mitgliedsvorteilen" teil.
2.) erweiterten Mitgliedsvorteile für Premiummitglieder (vormals Businesskunden)
Das Gericht stellte treffend fest, dass alle 61 Klauseln nicht den von der Judikatur zu § 6 Abs 3 KSchG entwickelten Vorgaben gerecht werden.
Die Beklagte bedient sich in ihren AGB und ZAGB eines unübersichtlichen Regelwerks, welches durch zahlreiche Verweise, Weiter- und Rückverweise jede Überblickbarkeit verliert und letztlich als intransparent iSd § 6 Abs 1 KSchG bezeichnet werden muss. Das von der Beklagten geschaffene System, das beträchtliche Zahlungen vereinnahmt, umverteilt, zurückbehält und wieder ausschüttet, ist in seinen Verästelungen nicht zu verstehen und nicht nachzuvollziehen. Dass das Vergütungssystem der Beklagten nicht weniger als elf verschiedene, wenngleich teils ähnlich klingende "Vergütungen" ausweist, ist schon vom Ansatz her bedenklich.
Hinzu tritt der Umstand, dass sich mehrfach keine Begriffserklärungen im Regelwerk finden.
Worin zB das "binäre System, vergleichbar einer Baumstruktur", besteht, wird nicht wirklich abschließend erklärt und entspricht nicht dem gesetzlichen Gebot, dem Verbraucher ein zutreffendes, klares Bild seiner vertraglichen Position zu vermitteln (Klausel 4).
Auch bei genauerem Studium der AGB und ZAGB lässt sich nicht erkennen, wie das Treueprogram der Beklagten in seiner Gesamtheit funktioniert und welche Geldflüsse es im Einzelnen gibt.
Zudem suggeriert die Verwendung des Wortes "Gutschrift", dass der gutgeschriebene Wert einen Vermögensbestandteil des Mitglieds darstellt, was aber nicht der Fall ist, zumal jedenfalls nur Bruchteile von "Einheiten" ausgeschüttet werden (Klausel 6).
Wie das Mitglied an die Gutschrift gelangt, bleibt ebenfalls offen (Klausel 12).
Dass und warum stets zwei Stränge mit Einheiten zu befüllen sind, bleibt unerklärt. Ebenso bleibt im Dunklen, welche Beträge ein Mitglied zu erwarten hat (Klausel 7).
Was unter einem "kontinentalen" oder "nationalen Treueprogramm" zu verstehen ist, insbesondere worin der Unterschied besteht, bleibt völlig offen. Dass es zusätzlich noch ein "persönliches Treueprogramm gibt, macht die Verwirrung komplett (Klausel 18).
Dem Mitglied wird ein zumindest reichlich unklares Bild seiner vertraglichen Position vermittelt.
3.) Beendigung des Vertragsverhältnisses - Rückerstattung "Anzahlungen/Teilzahlungen":
Auch jene Klauseln, die die Beendigung des Vertragsverhältnisses durch das Mitglied regeln, sind gem. § 879 Abs 3 ABGB nichtig. Hier wird das Recht des Kunden, geleistete "Anzahlungen/Teilzahlungen" zurückzuerhalten, in sachlich nicht nachvollziehbarer und vorallem im weitgehenden Ermessen der Beklagten liegenden Gründen beschränkt. Die Stornobedingungen der Beklagten erweisen sich nicht nur als undurchsichtig, sondern auch als gröblich benachteiligend. Dies umso mehr, als die Beklagte ihr System als risiko- bzw. kostenlos beschreibt.
Das Urteil ist nicht rechtskräftig. (Stand 16.2.2015)
HG Wien 13.02.2015, 39 Cg 26/13m
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Klagevertreter: Dr. Eric Breiteneder, RA in Wien
Anmerkung: Im Übrigen bestätigten schon mehrere (rechtskräftige) Urteile die Rücktrittsvoraussetzungen von Businesskunden gegenüber der Einkaufsgemeinschaft Lyoness, die RA Mag. Eric Breiteneder im Auftrag mehrerer Kläger erwirken konnte:
- LG Krems 30.6.2013, 6 Cg 34/13d: Rücktritt nach § 5e KSchG und Nichtigkeit der Verträge, weil das Geschäftsmodell der Beklagten einem Schneeballsystem so ähnlich ist, dass die darauf bezüglichen Bestimmungen zumindest analog anzuwenden sind.
- BG Amstetten 12.8.2013, 30 C 125/12i: Rücktritt nach § 27 KSchG (Vorauszahlungskäufe)
- BGHS Wien 26.3.2014, 17 C 582/13g: Rücktritt nach § 5e KSchG und § 27 KSchG
Aus juristische Seite beschäftigt Lyoness nicht nur die Zivilgerichte. Seit Frühjahr 2012 ermittelt die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Causa.