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Urteil: Unzulässige Zinsreduktion von Wüstenrot bei Bausparern

Wüstenrot kündigte im Okt 2013 per Brief eine Zinsreduktionen auf 0,1% bei Überschreitung der Vertragssumme von Bausparern an. Dabei stützte sich Wüstenrot auf eine unzulässige Klausel. Die Änderung ist daher nicht wirksam. Auch die nach Widerspruch des Kunden gegen diese Änderung vollzogene Kündigung von Wüstenrot ist in der Folge unzulässig.

Die Bundesarbeiterkammer hat erfolgreich gegen Bausparkasse Wüstenrot AG ein Verbandsverfahren bezüglich der Zinsreduktion auf 0,1% geführt:

Wüstenrot schickte im Herbst 2013 an manche Bausparer Schreiben, in denen sie mitteilte,
- dass die Vertragssumme überschritten wurde und dass für diesen Mehrbetrag bloß ein Zinssatz iHv 0,1% zur Anwendung kommt,
- dass die AGB insofern geändert werden, als für diesen, die Vertragssumme übersteigenden Teil, ein Zinssatz festgelegt wurde (3-Monats-Euribor - 1,3 Prozentpunkte; mindestens aber 0,1%).

Weiters teilte Wüstenrot mit, dass die Kunden diesem Schreiben binnen 4 Wochen widersprechen konnten, dass aber Wüstenrot bei Widerspruch seitens der Kunden ein Kündigungsrecht hat.


Bis zu dieser Änderung erhielten die Kunden, die ihre Verträge "überbespart" hatten, im Durchschnitt Zinsen in Höhe von 2,19 % jährlich (Stand: Herbst 2013).

Bausparkasse Wüstenrot AG stützte sich bei diesen Schreiben auf ihre AGB, nach denen sie Änderungen der AGB im Wege einer Erklärungsfiktion (dh bei mangelndem Widerspruch der Kunden nach der Mitteilung über die AGB-Änderung) durchführen konnte.
Weiters ist in den AGB von Wüstenrot folgende Klausel zu finden, dass Wüstenrot bei Widerspruch des Kunden gegen die geplante Änderung berechtigt war, den Bausparvertrag zu kündigen. Auch davon und den Folgen der Kündigung ist der Bausparer in der Mitteilung der Änderung zu verständigen.

Der OGH führte dazu aus:
Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Zulässigkeit einer Klausel auch dann nach § 6 Abs 3 KSchG und § 879 Abs 3 ABGB zu prüfen, wenn sie den formalen Voraussetzungen des § 6 Abs 1 Z 2 KSchG entspricht. Die AGB-Klausel mit einer nahezu unbeschränkten Befugnis zur Vertragsänderung im Wege einer Erklärungsfiktion ist gröblich benachteiligend (§ 879 Abs 3 ABGB).

Das Schreiben von Wüstenrot  vom Herbst 2013, das an alle Bausparkunden gerichtet wurde, deren angesparte Summe die Vertragssumme des Bausparvertrags überschritten hatte, fällt unter den Begriff "Allgemeine Geschäftsbedingungen" bzw "Vertragsformblätter" iS des § 28 KSchG.

Nach herrschender Meinung in Judikatur und Lehre muss eine Zustimmungsfiktion zuvor vertraglich vereinbart worden sein. Der Vertrag muss die Möglichkeit des Widerspruchs und die Frist für dessen Ausübung enthalten. Es reicht daher nicht aus, dass der Unternehmer ohne zugrunde liegende vertragliche Vereinbarung lediglich de facto unter Einhaltung einer angemessenen Frist bei deren Beginn auf die Erklärungsbedeutung des Verbraucherverhaltens und auf die Möglichkeit des Widerrufs hinweist.

Mit der Unzulässigkeit der Zustimmungsfiktion der AGB entfällt die vertragliche Grundlage für die "de-facto-Umsetzung" mit Schreiben vom 28.10.2013.


OGH 23.2.2016, 5 Ob 160/15p
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Klagsvertreter: Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien


Anmerkungen:
Die Zinsreduktion 2013 ist unzulässig, die nach Widerspruch der Kunden erfolgten Kündigung auch. Wüstenrot muss daher unseres Erachtens den betroffenen Kunden die durch dieses Vorgehen entgangenen Zinsen nachzahlen.

In der 2.Hälfte 2015 schickte Wüstenrot ähnliche Schreiben an die Kunden: Der Zinssatz für Kunden, deren Bausparer bereits die vereinbarte Zeit überschritten hatte, wurde auf 0,125% herabgesetzt, diese Änderung wurde wieder über eine Erklärungsfiktion durchgeführt. Kunden, die dem binnen der 2 Monate widersprachen, wurden gekündigt.

Wenn sich Wüstenrot dabei wiederum auf eine grenzenlose Änderungsklausel berief, kommen hierzu die gleichen Folgen zur Anwendung, dh die Mitteilung über die Änderung ist unzulässig und folglich auch die Kündigung seitens Wüstenrot nach erfolgtem Widerspruch der Kunden gegen die Zinssatzänderung.






Das Urteil im Volltext

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