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Urteil: EuGH: Reduktion aller Kosten bei vorzeitiger Kreditrückzahlung

Zahlt ein Verbraucher seinen Kredit vorzeitig zurück, hat er das Recht auf die Ermäßigung sämtlicher ihm auferlegten Kosten, so auch auf Ermäßigung der laufzeitunabhängigen Kosten.

Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-RL (2008/48/EG) sieht vor, dass im Falle einer vorzeitigen Kreditrückzahlung der Verbraucher das Recht hat auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits, die sich nach den Zinsen und den Kosten für die verbleibende Laufzeit des Vertrags richtet.

Die Anlassfälle betrafen das polnische Recht: Dort ist vorgesehen, dass bei vorzeitiger Rückzahlung, die Gesamtkosten des Kredits um die Kosten ermäßigt werden, die den Zeitraum betreffen, um den die Laufzeit des Vertrags verkürzt wurde, auch wenn der Verbraucher sie vor der Rückzahlung getragen hat. In den Anlassfällen sahen die Kreditverträge die Zahlung einer Provision an die Bank vor, deren Höhe nicht von der Laufzeit des Vertrags abhängig war.

Fraglich war nun, ob hier das in Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-RL vorgesehene Recht des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei dessen vorzeitiger Rückzahlung auch auf die Kosten bezieht, deren Höhe nicht von der Laufzeit des Vertrags abhängig sind.

Art 3 lit g der RL definiert den Begriff "Gesamtkosten des Kredits" als sämtliche Kosten, einschließlich der Zinsen, Provisionen, Steuern und Kosten jeder Art - ausgenommen Notargebühren -, die der Verbraucher im Zusammenhang mit dem Kreditvertrag zu zahlen hat und die dem Kreditgeber bekannt sind. Diese Definition enthält demnach keine Beschränkung hinsichtlich der Laufzeit des in Rede stehenden Kreditvertrags.

Um den Schutz der Verbraucher zu gewährleisten, haben die Mitgliedstaaten gem Art 22 Abs 3 der RL sicherzustellen, dass die Vorschriften, die sie gemäß dieser Richtlinie verabschieden, nicht durch eine besondere Gestaltung der Verträge umgangen werden können. Die Wirksamkeit des Rechts des Verbrauchers auf Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits wäre indessen beeinträchtigt, wenn sich die Ermäßigung des Kredits auf die Berücksichtigung nur der Kosten beschränken könnte, die vom Kreditgeber als von der Vertragslaufzeit abhängig ausgewiesen wurden, da die Kosten und ihre Aufschlüsselung einseitig von der Bank bestimmt werden und die Kostenabrechnung eine gewisse Gewinnspanne enthalten kann.
Wenn man die Möglichkeit einer Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits nur auf ausdrücklich mit der Vertragslaufzeit zusammenhängende Kosten beschränkte, würde dies darüber hinaus, die Gefahr mit sich bringen, dass dem Verbraucher zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kreditvertrags höhere einmalige Zahlungen auferlegt werden, da der Kreditgeber versucht sein könnte, die Kosten, die von der Vertragslaufzeit abhängig sind, auf ein Minimum zu reduzieren.

Ferner kann die Einbeziehung der Kosten, die nicht von der Vertragslaufzeit abhängig sind, in die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits den Kreditgeber nicht in unangemessener Weise benachteiligen. Seinen Interessen wird dadurch Rechnung getragen, dass Recht auf eine Vorfälligkeitsentschädigung hat. Außerdem erhält er den Kreditbetrag früher zurück, so dass dieser ggf für den Abschluss eines neuen Kreditvertrags zur Verfügung steht.

Art 16 Abs 1 der RL ist daher dahin auszulegen ist, dass das Recht des Verbrauchers auf die Ermäßigung der Gesamtkosten des Kredits bei vorzeitiger Kreditrückzahlung sämtliche dem Verbraucher auferlegten Kosten umfasst.


EuGH 11.9.2019, C-383/18 (Lexitor)

Anmerkung:
Die österreichische Umsetzung sieht in § 16 Abs 1 VKrG vor, dass sich im Falle einer vorzeitigen Rückzahlung die laufzeitabhängigen Kosten verhältnismäßig verringern.

In einer richtlinienkonformen Interpretation von Art 16 Abs 1 der Verbraucherkredit-RL könnte man § 16 Abs 1 VKrG so auslegen, dass dies keine abschließende Regelung ist und schon bisher die laufzeitunabhängigen Kosten bei vorzeitiger Rückzahlung zu Unrecht nicht verhältnismäßig zurückgezahlt wurden.

Zur Klarstellung und allgemeinen Rechtssicherheit sollte § 16 Abs 1 VKrG, genauso wie § 20 Abs 1 HIKrG, schnell im Sinne der aktuellen EuGH-Entscheidung an die Verbraucherkredit-RL angepasst werden.

Eine solche Klarstellung könnte etwa darin bestehen, dass in § 16 Abs 1 VKrG eine zeitanteilige Abrechnung aller Gesamtkosten des Kredits (§ 2 Abs 5 VKrG) angeordnet wird. Das Gleiche gilt für § 20 Abs 1 HIKrG mit Verweis auf die Gesamtkosten im Sinne von § 2 Abs 9 HIKrG.

Für die Zukunft bedeutet dies, dass fortan bei vorzeitiger Rückzahlung eines Kredites auch die laufzeitunabhängigen Kosten, wie vor allem die Kreditbearbeitungsgebühr, entsprechend zu reduzieren und damit zurückzuzahlen sind.

Das Urteil im Volltext.

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