Am 27. 10. 2000 kam der Kläger samt Gattin und Tochter in die Geschäftsräumlichkeiten der beklagten Bank, um Geld anzulegen. Es folgte ein Beratungsgespräch im Zuge dessen der Anlageberater auch ein Anlegerprofil erstellte. Der Kläger teilte dem Berater ausdrücklich mit, dass er ein möglichst geringes Risiko eingehen wolle, insbesondere kein Kapital verlieren möchte. Es sollte aber ein möglichst hoher Zinsertrag erzielt werden.
Im Anlegerprofil wurde betreffend Risikobereitschaft "geringes Risiko" angekreuzt. Als Zweck der Veranlagung gab der Kläger dem Berater bekannt, das angelegte Geld der Tochter zum Hausbau zur Verfügung stellen zu wollen. Im Anlegerprofil wurde dies unter dem Punkt "Aufbau einer eisernen Reserve zur Vermögensbildung etc." festgehalten. Die Anlagedauer wurde im Anlegerprofil mit "mittelfristig (3-5 Jahre) angegeben.
Der Kläger hatte schon zuvor in Anleihen investiert (10,75 % verzinste Pemex-Anleihen und mit 8,5 % verzinste Anleihen der ungarischen Nationalbank); dieser Umstand wurde unter dem Punkt "Erfahrung mit Veranlagung" im Anlegerprofil vermerkt. Dennoch war der Kläger unerfahren, da er sich mit dem Thema Anleihen auch früher nicht näher auseinandergesetzt sondern in Wertpapierangelegenheiten stets der beklagten Bank vertraut hatte.
Nachdem das Anlegerprofil erstellt war, wurde dem Kläger die Anlage in Form eines Sparbuches oder von Aktien vorgeschlagen. Beide Möglichkeiten wurden vom Kläger abgelehnt, die Aktien wegen des hohen Risikos des Kapitalverlustes, das Sparbuch wegen zu geringen Zinsertrag.
Daraufhin bot der Berater Argentinienanleihen mit einer Verzinsung von 9,25% an, obwohl er die von internationalen Ratingagenturen erstellten Bewertungen dieser Anleihen kannte.
Die Agentur "Standard & Poor’s " wies zum Oktober des Jahres 2000 ein Rating mit "BB/CW-Neg/B" auf, was zumindest auf ein erhöhtes Risiko hinwies. Der Kläger wurde allerdings weder auf das Rating selbst noch über die Bedeutung aufgeklärt. Bezüglich Risikoträchtigkeit der gegenständlichen Anleihen teilte der Berater lediglich mit, dass das Risiko höher sei als bei österreichischen Bundesanleihen, wobei er aber das Risiko für Staatsanleihen generell für niedrig hielt. Auf die Möglichkeit des Kapitalverlustes wurde der Kläger jedenfalls nicht hingewiesen.
Der Kläger erhielt am selben Tag den Evidenzbeleg über den Ankauf von Anleihen der Republik Argentinien mit einem Nennwert von € 13.000 zur Unterschrift vorgelegt. In der Mitte des Beleges befand sich der Hinweis "Risiko hoch". Auf Nachfrage des Klägers, was das zu bedeuten habe, antwortete der Berater, dass es lediglich zu einer geringeren oder verspäteten Zinsausschüttung kommen könne. Im Vertrauen auf die Angaben des Beraters unterzeichnete der Kläger den Beleg.
Durch den Staatsbankrott im Jahr 2001 hat die Republik Argentinien den Schuldendienst eingestellt. Anleger müssen mit einem Kapitalverlust von bis zu 90 % rechnen.
Da die Abschichtung im vorliegenden Fall erst 2004 erfolgt, war der Schaden zwar absehbar, konnte aber noch nicht konkret beziffert werden. Mit Unterstützung des VKI (im Auftrag des BMSG) wurde daher eine Feststellungsklage gegen die Bank eingebracht, wonach diese für den Schaden haften sollte, der dem Kläger aus der mangelhaften Beratung entsteht.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und führte aus, dass der Anleger im Sinne der Wohlverhaltensregeln des Wertpapieraufsichtsgesetzes (WAG) über allgemeine und spezielle Risken vollständig aufzuklären sei. Zu den speziellen Risken zählen allgemein das Währungs-, Kurs-, Zins- und Bonitätsrisiko. Dabei würden den Ratings große Bedeutung zukommen. Bei unerfahrenen Anlegern müsse die Rating-Bewertung erklärt werden. Die Bank treffe diesbezüglich eine Aufklärungspflicht.
Der Anlageberater sei aber überhaupt nicht auf ein Bonitätsrisiko der Republik Argentinien eingegangen. Der Umstand, dass der Kläger zuvor schon Anleihen gekauft hatte, berechtige nicht davon auszugehen, dass der Anleger erfahren sei und über derartige Risken Bescheid wisse. Auch die Antwort auf die Frage, was der Hinweis "Risiko: hoch" im Evidenzbeleg bedeute, erweckte beim Anleger nicht das Gefühl, dass er den Ausfall des eingesetzten Kapitals zu befürchten habe. Es sei auch nicht davon auszugehen, dass der Kläger durch Unterfertigung des Evidenzbeleges plötzlich seine Risikobereitschaft geändert habe.
Dass die Angaben im Anlegerprofil - wie von der Bank behauptet - "overruled" seien, käme schon deshalb nicht in Betracht, weil zwischen dem Unterschreiben des Anlegerprofils und dem Auftrag zum Ankauf der Anleihen ein unmittelbarer zeitlicher und örtlicher Zusammenhang bestand. Der Anlageberater konnte daher nicht davon ausgehen, dass der Kläger den Auftrag nach reiflicher Abwägung des Risikos erteilt habe. Vielmehr hätte er den Kläger noch einmal befragen müssen, ob er wirklich eine Anlageform mit der Bewertung "Risiko: hoch" wählen will; spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte er den Kläger auf das Rating der Argentinienanleihen und über den Umstand, dass der Käufer auch Kapital verlieren könne, aufklären müssen.
Aus diesen Gründen wurden die Sorgfalts- und Aufklärungspflichten des § 13 WAG gegenüber dem Kläger zumindest leicht fahrlässig verletzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
HG Wien 7.4.2004, 26 Cg 118/03f-8