Es gehe im Verordnungsentwurf nicht um ein Werbe- und Produktverbot, sondern lediglich darum, dass Aussagen auf Lebensmitteln der Wahrheit entsprechen, so Edda Müller vom deutschen Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) in einer Pressemitteilung zum Health Claims Entwurf.
Ein besonderes Problem seien Claims auf sogenannten Kinderlebensmitteln. "Fettreiche, gezuckerte, ballaststoffarme Süßigkeiten ohne einen ernährungsphysiologisch "gesunden Wert" werden mit Aussagen wie "Ohne Fett" oder "mit Vitamin C" beworben. "Dies soll Kindern und Eltern über ihre Bedenken gegen die Produkte hinweghelfen." Viele dieser Produkte hätten statt einer positiven Botschaft eher den Slogan "mit der extra Portion Zucker und Fett" verdient.
"Warum kann die Industrie ein Bonbon nicht einfach als das verkaufen, was es ist - ein Bonbon und kein gesundes Nahrungsmittel?", wundert sich Edda Müller. Man müsse diese Produkte ja nicht verteufeln, solle sie aber auch nicht zu Heilsbringern machen.
Der europäische Verbraucherverband BEUC zeigte sich in einer Stellungnahme als schwerst enttäuscht vom Abstimmungsergebnis, weil der Ausschuss auch das vorgesehene Zulassungsverfahren für gesundheitsbezogene Angaben durch ein zahnloses Meldeverfahren ersetzt hat - damit liegt die Beweislast für die (Un)Wahrheit einer solchen Angabe nicht mehr beim Hersteller sondern bei den Verbraucherorganisationen.
"Das EU-Parlament will nun, dass für fette, salzige, süße oder kalorienreiche Produkte Gesundheitswerbung möglich sein soll", beanstandet die Expertin der Arebiterkammer, Petra Lehner. Das Parlament habe die strikt vorgesehene wissenschaftliche Absicherung von gesundheits- und krankheitsbezogenen Angaben aufgeweicht. Die Verwender - und nicht ein unabhängiges Expertengremium - sollen entscheiden, ob eine Angabe ausreichend belegt ist. Verbrauchern bliebe nur übrig, sich auf die Wahrheit der getätigten Aussagen zu verlassen. "Das fördert den Wildwuchs, macht seriöse Angaben von unseriösen nicht unterscheidbar und somit für Konsumenten nicht nutzbar", befürchtet Lehner. "Verbraucher essen ohnehin zu viel, zu fett, zu salzig und zu süß, daher ist es unverantwortlich, wenn Lebensmittel, die weniger häufig gegessen werden sollten, durch Gesundheitswerbung noch interessanter gemacht würden", so die AK Expertin.
Nun seien Gesundheitsministerin Rauch-Kallat und die EU-Kommission am Zug. Die EU-Kommission ist für Nährwertprofile, im EU-Rat gibt es dafür noch eine Mehrheit. "Die Gesundheitsministerin muss sich für die Verankerung der Nährwertprofile in Brüssel stark machen", bekräftigt Lehner, "in Österreich von einer Gesundheitsoffensive zu reden und in Brüssel der völligen Freigabe von Gesundheitswerbung für Alkohol, Süßigkeiten, fetten Snacks und Limo zuzustimmen, wäre scheinheilig."
Der vzbv geht im Rahmen seiner Kinderkampagne (www.kinderkampagne.de) gegen irreführende Gesundheitsangaben, vor allem auf Kinderlebensmitteln, vor. Der Verein für Konsumenteninformation hat erst kürzlich "das einzige Kindermilchprodukt, in dem Kristallzucker durch die natürliche Süße aus Früchten ersetzt wurde" wegen irreführender (Gesundheits-)Werbung geklagt.