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Urteil: BGHS Wien verurteilt BAWAG im Zinsenstreit

Als Ersatz für eine unwirksamen Zinsanpassungsklausel ist das arithmetische Mittel zwischen 3-Monats-VIBOR/EURIBOR und der Sekundärmarktrendite Emittenten das vernünftigste Mittel. Dies sogar dann, wenn das Gericht feststellt, dass dieser Parameter für die beklagte Bank betriebswirtschaftlich keinen sinnvollen Ausgleich darstellt.

Das Bezirksgericht für Handelssachen gab dem Feststellungsbegehren der klagenden Kreditnehmer statt, dass der aus dem Kredit aushaftende Saldobetrag um die - aufgrund der unwirksamen Zinsanpassungsklausel - von den Kreditnehmern zu viel bezahlten Zinsen zu reduzieren sei.

Zwischen den Klägern und der Beklagten wurde im Jahr 1994 ein Verbraucherkredit vereinbart. Die Rückzahlung des Kredites sollte in 180 monatlichen Pauschalraten erfolgen; die letzte Rate sollte im Jahr 2009 fällig sein. Die dem Kreditvertrag zugrundliegenden Kreditbedingungen enthielten folgende Klausel: "Die Bank ist berechtigt, nach Ablauf von zwei Monaten ab Vertragsabschluss den Zinssatz entsprechend zu erhöhen, wenn sich die Einlagen-, Geld- oder Kapitalmarktzinssätze oder Refinanzierungskosten erhöhen oder kredit- oder währungspolitische Maßnahmen Änderungen am Kreditmarkt bewirken."

1998 wurde auf Initiative der Beklagten die ursprünglich vereinbarte Zinsanpassungsklausel auf eine "Zinsgleitklausel neu" geändert; diese sah unter anderem Folgendes vor: "Wir werden den Zinssatz für diesen Kredit wie folgt senken oder erhöhen: Grundlage hiefür ist die Veränderung des 3-Monats-VIBOR und der SMR. Aus diesem beiden Werten werden wir einen Mischzinssatz im Verhältnis 50:50 errechnen."

Die Kläger begehrten die Zahlung von € 3.567,17 wegen der Leistung von - aufgrund einer unwirksamen Zinsgleitklausel - überhöhten Zinsen, in eventu die Feststellung und Ausstellung von berichtigten Kontomitteilungen und zwar auf € 24.586,29 statt der € 28.153,45 und zwar aus dem Titel der Bereicherung und des Schadenersatzes.

Die Beklagte wandte im Verfahren ein, dass sie die Kreditzinsen zulässigerweise entsprechend der Entwicklung des Zinsniveaus auf dem Kapitalmarkt und ihrer Refinanzierungssituation im Rahmen des billigen Ermessens angepasst habe. Wäre die Beklagte bei Vertragsabschluss davon ausgegangen, dass die Zinssätze zwingend und automatisch nach bestimmten Zinsparametern fix anzupassen sei, wäre der Kredit anders kalkuliert worden. Die Beklagte habe immer über ausreichend flüssiges Geld verfügt und stelle dieses primär in großen Mengen der öffentlichen Hand zu SMR-Konditionen zur Verfügung. Soweit auf die eigene Refinanzierungskostensituation zurückgeführte Zinsänderungen einer Bank marktkonform seien, seien diese vom Willen der Bank unabhängig. Parameter des kurzfristigen Geldmarktes wie zB der VIBOR oder EURIBOR seien aufgrund der besonderen Situation der Beklagten am Bankenmarkt daher ohne jede Relevanz für die Festsetzung und Anpassung des Zinssatzes.

Das Gericht entschied, dass die bei Vertragabschluss vereinbarte Klausel bereits aufgrund mangelnder Bestimmtheit gegen § 6 Abs 1 Z 5 KSchG verstößt und daher unwirksam ist. Die Unwirksamkeit der Zinsanpassungsklausel bewirkt die Teilnichtigkeit ex tunc: Die gesetzwidrige Klausel ist nichtig, nicht aber der gesamte Vertrag. Ein vertragliches Regelungsbedürfnis der in der nichtigen Klausel behandelten Ordnungsfrage ist zu bejahen; die Parteien wollten keinen Fixzinssatz. Das ersatzlose Wegfallen der nichtigen Bestimmung scheidet aus.

Als Behelf der ergänzenden Vertragsauslegung ist zunächst der hypothetische Parteiwille heranzuziehen. Die Suche nach einer angemessenen Regelung habe sich daran zu orientieren, was redliche und vernünftige Parteien bei angemessener Berücksichtigung der Interessen beider Teile vereinbart hätten, wenn sie sich bei Vertragsschluss der Ungültigkeit der von ihnen gewollten Zinsanpassungsklausel bewusst gewesen wären. Die Frage, was redliche und vernünftige Parteien vereinbart hätten, könne erst beurteilt werden, wenn feststeht, was mit den in der tatsächlich bei Vertragabschluss vereinbarten Klausel angeführten Umständen gemeint gewesen sei und ob es für die damit gemeinten Umstände objektive Parameter gebe.

Im konkreten Fall stellt laut Gericht die Berücksichtigung der "Zinsgleitklausel neu" der beklagten Partei zum Zeitpunkt der Krediteinräumung für die beklagte Partei mit Blick auf ihre Refinanzierungssituation betriebswirtschaftlich keinen sinnvollen Ausgleich dar. Es sind nämlich zum Zeitpunkt der Krediteinräumung die Geld- und Kapitalmarktverhältnisse in Bezug zu der Refinanzierungssituation des Institutes entsprechend der gewährten Laufzeiten zu gewichten.

Das Argument der Beklagten, dass bei einer Zinsänderung auf ihre konkrete Refinanzierungssituation bzw. Refinanzierungskosten Bedacht genommen werden könne, stelle allerdings auf Parameter ab, die alleine vom Willen der Beklagten abhängig sind, von ihr auch selbst bestimmt wurden und für den Verbraucher nicht nachvollzogen werden können. Die einseitige Betrachtung der konkreten für den Verbraucher-Kreditnehmer ungünstigen Refinanzierungssituation der Beklagten im Konkreten würde nicht der Interessenlage beider Vertragspartner und deren hypothetischen Parteiwillen gerecht werden.

Im Rahmen der Vertragsinterpretation und -ergänzung führt dies daher dazu, dass lediglich der für die "Zinsgleitklausel neu" herangezogene Parameter des arithmetischen Mittels zwischen 3-Monats-VIBOR (ab 1999 EURIBOR) und Sekundärmarktrendite Emittenten gesamt zum Tragen kommt und "als vernünftiges Mittel" heranzuziehen ist.

Weiters führte das Gericht an, dass eine Bereicherung des Darlehensgebers wegen überhöht verrechneter und vom Darlehensnehmer geleisteter Zinsen erst mit Tilgung aller Rückzahlungsansprüche des Darlehensgebers eintreten kann. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung war die Rückzahlung des Kreditvertrages noch nicht abgeschlossen, da die Laufzeit erst im Jahr 2009 endet. Es kann daher im konkreten Fall bislang von einer Bereicherung der Bank noch gar nicht gesprochen werden. Eine Bereicherung der Bank tritt somit erst ein, wenn der Kunde Leistungen erbringt, obwohl seine Verbindlichkeit bei korrekter Verrechnung bereits getilgt wäre, also erst gegen Ende der Laufzeit in der "Überzahlungsphase". Ein allfälliger Anspruch der Kläger ist daher noch nicht verjährt, da die Bereicherung noch nicht eingetreten ist; der Beginn der Verjährung setzt nämlich ganz grundsätzlich das Entstehen des Anspruches voraus.

Der Umstand, dass die Bank noch nicht bereichert ist, hat zur weiteren Konsequenz, dass dem Kreditnehmer bis zur "Überzahlung" mangels Schadens auch kein schadenersatzmäßiger Leistungsanspruch, sondern nur ein allfälliger (Feststellungs-)anspruch auf Berichtigung der Verrechnung zustehen kann. Unter dem Aspekt des Schadenersatzes kann daher bis zur "Überzahlung" nur ein Anspruch auf Berichtigung und Feststellung des korrekten Tagessaldos, sowie auf Feststellung der Unverbindlichkeit der von der Bank vorgenommenen unrichtigen Zinsanpassung bzw. Feststellung der richtigen Zinsanpassung und des korrekten aktuellen Zinssatzes, nicht aber auf Leistung (also Rückzahlung) zu viel gezahlter Zinsen bestehen.
Das Vereinbaren einer gesetzwidrigen Vertragsbestimmung stelle in der Regel eine rechtswidrige und schuldhafte Handlung der Bank dar.  Das Gericht ging daher im konkreten Fall davon aus, dass der Rechtsgrund des Schadenersatzes eine taugliche Anspruchsgrundlage für das konkrete Feststellungsbegehren ist.

Das Klagebegehren auf Zahlung der € 3.567,17 wurde zwar abgewiesen. Dem Feststellungsbegehren, dass die Kläger entgegen der unrichtigen Saldomitteilungen nicht € 28.153,46, sondern lediglich € 24.586,29 schuldeten, wurde stattgegeben.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

BG HS 21.03.2006, 7 C 485/02b
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Klagevertreter: Dr. Alexander Klauser, RA in Wien

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