Zwischen dem klagenden Versicherungsnehmer und dem beklagten Versicherer besteht ein Krankenversicherung‑Gesundheitsversicherungsvertrag, dem die AVB für die Krankheitskosten‑ und Krankenhaustagegeldversicherung (AVB‑1995/Fassung Juli 2017) sowie die Besonderen Versicherungsbedingungen (BVB) für die Krankheitskostenversicherung Krankengeldtarif für unselbstständig und selbstständig Erwerbstätige MIK 28/16_060 zugrunde liegen. Es wurde ein tägliches Krankengeld von 60 EUR ab dem 29. Tag der 100%‑igen Arbeitsunfähigkeit vereinbart.
Seit Beginn des Versicherungsvertrags befand sich der Versicherungsnehmer mehr als 364 Tage innerhalb von drei Versicherungsjahren im Krankenstand, weshalb der Versicherer Leistungen für den Krankenstand ab 26.12.2020 unter Verweis auf die maximale Leistungspflicht nach Pkt VI. (3) BVB ablehnte.
Unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“ sieht Pkt II. (1) der BVB vor: „Bei einer durch Krankheit oder Unfall hervorgerufenen völligen (100%-igen) Arbeitsunfähigkeit wird nach Ablauf der vereinbarten Karenzzeit für die Dauer der völligen (100%‑igen) Arbeitsunfähigkeit und Einschluss der Sonn‑ und Feiertage ein vereinbartes Krankengeld pro Tag geleistet. Die Karenzzeit beträgt 28 Tage.“
Pkt VI. (3) sieht unter "Beendigung der Versicherung" vor, dass "Leistungen […] für längstens 364 Tage innerhalb von drei Versicherungsjahren erbracht [werden]. In diesem Fall kann der Versicherer den Vertrag zum Ende des Monats, in dem die Leistung für 364 Tage erbracht wurde, kündigen."
Aus Pkt I. im Zusammenhalt mit II. BVB folgt nach dem Wortlaut grds ein Anspruch auf Krankengeld für die Dauer der völligen Arbeitsunfähigkeit unter Berücksichtigung der vereinbarten Karenzfrist. Unter der Überschrift „Beendigung der Versicherung“ werden durchschnittlich sorgfältige Leser:innen thematisch auch nur Regelungen über die Beendigung des Versicherungsverhältnisses erwarten und gerade keine Einschränkung der unter der entsprechenden Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“ enthaltenen Leistungsbeschreibung. Keine andere Überschrift lässt vermuten, dass in den BVB eine weitere Umschreibung der Leistungen (va in Form einer Leistungsbegrenzung) bei aufrechtem Versicherungsverhältnis vorgenommen wird. Die Vertragsparteien des Versicherers werden daher davon ausgehen, dass es zu diesem Thema keine besondere Bestimmung in den BVB gibt. Auf gar keinen Fall werden sie eine Begrenzung der Leistung bei Fortbestehen des Vertragsverhältnisses unter der Überschrift „Beendigung der Versicherung“ vermuten oder gar suchen.
Die Leistungsbegrenzung in Pkt VI. (3) BVB ist damit ungewöhnlich und unwirksam nach § 864a ABGB. Der Anspruch des Kl auf Erbringung des Krankengeldes besteht für die Dauer seiner völligen Arbeitsunfähigkeit.