Zum Inhalt

Urteil: OGH-Urteil: Massenschadensklausel unzulässig

Der Oberste Gerichtshof folgt dem kürzlichen EuGH-Urteil und erklärt die Massenschadensklausel von Rechtsschutzversicherungen für unzulässig.

Ein Konsument hatte eine Rechtsschutzversicherung abgeschlossen, in den dazugehörigen Versicherungsbedingungen war in Artikel 6.7.3. folgende Klausel enthalten:

"Genießen mehrere Versicherungsnehmer zur Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen Versicherungsschutz aus einem oder mehreren Versicherungsverträgen und sind ihre Interessen aufgrund der gleichen oder einer gleichartigen Ursache gegen den/die selben Gegner gerichet, ist der Versicherer berechtigt, seine Leistung vorerst auf die außergerichtliche Wahrnehmung der rechtlichen Interessen der Versicherungsnehmer und die Führung notwendiger Musterprozesse durch von ihm ausgewählte Rechtsvertreter zu beschränken.
Wenn oder sobald die Versicherungsnehmer durch die Maßnahme nicht ausreichend gegen einen Verlust ihrer Ansprüche, insbesondere durch drohende Verjärung, geschützt sind, übernimmt der Versicherer darüber hinaus die Kosten für Gemeinschaftsklagen oder sonstige gemeinschaftliche Formen außergerichtlicher und gerichtlicher Interessenwahrnehmungen durch von ihm ausgewählte Rechtsvertreter."

Durch die Insolvenz des Wertpapierdienstleistungsunternehmens AMIS wurde der Konsument geschädigt, er forderte in der Folge Rechtsschutzdeckung für die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen in einem Strafverfahren gegen Organe von AMIS und in einem Amtshaftungsprozess gegen die Republik Österreich, weiters die Feststellung, dass die Vereinbarung der Beschränkung der freien Anwaltswahl in Art. 6.7.3. ARB rechtsunwirksam sei.

Die Versicherung wandte ein, dass es sich beim AMIS Fall um einen klassischen Massenschaden handeln würde und daher im Sinn der Kostenersparnis (auch im Interesse des Versicherungsnehmers) keine freie Anwaltswahl möglich sei. Außerdem würden bereits verschiedene Musterprozesse geführt, weshalb der Deckungsanspruch auch im Sinn des Art. 8.1.5.3. der Versicherungsbedingungen noch nicht fällig sei.

Art. 8.1.5.3. der Rechtsschutzversicherungsbedingungen lautet: "Verlangt der Versicherungsnehmer Versicherungsschutz, ist er verpflichtet, soweit seine Interessen nicht unbillig, insbesondere durch drohende Verjährung beeinträchtigt werden, vor der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen die Rechtskraft eines Strafverfahrens oder eines anderen Verfahrens abzuwarten, das tatsächliche oder rechtliche Bedeutung für den beabsichtigten Rechtsstreit haben kann, oder vorerst nur einen Teil der Ansprüche geltend zu machen und die Geltendmachung der verbleibenden Ansprüche bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Teilanspruch zurückzustellen."

Der OGH unterbrach das Revisionsverfahren bis zur Entscheidung des EuGH, ob die gängige Massenschadensklausel dem Art. 4 der Richtlinie 87/344/EWG widerspricht. Nachdem der EuGH im September 2009 diese Frage dahingehend entschieden hatte, dass die freie Anwaltswahl auch bei einem Massenschaden zwingend ist (vgl. VRInfo 2009 H 10, 4) setzte der OGH nunmehr das Verfahren fort und bestätigte die zusprechenden Urteile der Vorinstanzen. Demnach ist die Massenschadensklausel in Art. 6.7.3. der ARB 1998 im Hinblick auf die Einschränkung der freien Anwaltswahl unzulässig.

Der weitere Einwand der Rechtsschutzversicherung, dass im Sinn des Art. 8.1.5.3. der ARB im Hinblick auf diverse laufende Musterprozesse eine Wartepflicht bestehe, wurde vom OGH alleine bereits deswegen zurückgewiesen, weil gerade nicht festgestellt werden konnte, dass die Versicherung den Konsumenten über derartige Musterprozesse informiert hätte. Allerdings sei es zutreffend, dass es zur Vermeidung einer kostenverursachenden Mehrgleisigkeit angezeigt sein könne, ein Verfahren bis zur Beendigung eines Musterprozesses zu unterbrechen. Dass die gerichtliche Geltendmachung der Schadenersatzansprüche im Hinblick auf andere Verfahren unterbleiben hätte können, wurde aber von der Rechtsschutzversicherung im Verfahren nicht einmal behauptet.

Im Jahr 2008 hatte der OGH die Massenschadensklausl inhaltlich noch gebilligt und keinen Verstoß gegen das Transparenzgebot des § 6 Abs 3 KschG bzw. keine gröbliche Benachteiligung gesehen (vgl.: OGH 23.9.2008, 4 Ob 128/08).

OGH 28.10.2009, 7 Ob 68/09i
Volltextservice
Klagevertreter: Neumayer, Walter & Haslinger Rechtsanwälte Partnerschaft in Wien

Lesen Sie mehr:

Diesen Beitrag teilen

Facebook Twitter Drucken E-Mail

Das könnte auch interessant sein:

VKI: OGH beurteilt Kreditbearbeitungsgebühr der WSK Bank als unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums die WSK Bank wegen unzulässiger Klauseln in ihren Kreditverträgen geklagt. Jetzt liegt die Entscheidung des Obersten Gerichtshofes (OGH) vor: Dieser beurteilt diverse Gebühren und Spesenklauseln in den Kreditverträgen als unzulässig, darunter auch die Kreditbearbeitungsgebühr in Höhe von 4 Prozent. Betroffene Kund:innen der WSK Bank haben nach Ansicht des VKI Rückforderungsansprüche.

Timesharing-Anbieter Hapimag – 48 Klauseln unzulässig

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte die Hapimag AG wegen unzulässiger Klauseln in den AGB ihrer Timesharing-Verträge geklagt. Die Hapimag ist eine Aktiengesellschaft mit Sitz in der Schweiz, die ihren Mitgliedern Ferienwohnungen, Apartments und Hotels zur Verfügung stellt. Der VKI beanstandete 48 Bestimmungen in Geschäftsbedingungen, Reservierungsbestimmungen, Buchungsinformationen und den FAQs des Unternehmens. Das Handelsgericht Wien (HG Wien) erklärte nun alle 48 angefochtenen Klauseln für unzulässig. Wichtigster Aspekt des Urteils: Verbraucherrechtliche Bestimmungen kommen trotz „Aktionärsstatus“ der Kund:innen zur Anwendung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Unzulässige Gebühren der Unicredit

Der VKI hatte im Auftrag des Sozialministeriums die UniCredit BAnk Austria AG wegen mehreren Gebühren geklagt. Das OLG Wien hat fast alle der eingeklagten Klauseln für unzulässig erklärt.

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Krankengeldversicherung: Geltungskontrolle

Ist eine Leistungsbeschränkung für das Krankentagegeld in den Bedingungen für eine Krankengeldversicherung nicht unter der Überschrift „Leistungsvoraussetzungen“, sondern im Kapitel „Beendigung der Versicherung“ enthalten, ist sie ungewöhnlich und damit unwirksam.

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Unzulässiger Deckungsausschluss: Hoheitsverwaltungsklausel

Der VKI hatte die ARAG SE Direktion für Österreich wegen drei Ausschlussklauseln in den Allgemeinen Bedingungen für die Rechtsschutz-Versicherung (ARB 2020) geklagt. Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH war nur noch eine Klausel davon, nämlich die sog Hoheitsverwaltungsklausel.

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Unzulässiger Stornoabzug bei UNIQA-Lebensversicherung

Der VKI hatte die UNIQA Österreich Versicherungen AG geklagt. Inhalt der Klage waren 18 Klauseln aus den AVB für Lebensversicherungen. Während der VKI bereits in den Unterinstanzen die Mehrzahl der Klauseln rechtskräftig gewonnen hatte, waren noch drei Klauseln Gegenstand des Verfahrens vor dem OGH. Der OGH bestätigte nun auch die Gesetzwidrigkeit dieser Klauseln.

unterstützt durch das

Sozialministerium
Zum Seitenanfang