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Urteil: OLG Linz: 30-jährige Vertragsbindung von Cordial Ferienclub-AG ist rechtswidrig

Der VKI führt - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - eine Unterlassungsklage gegen die Cordial Ferienclub AG, ein Unternehmen der Imperial-Gruppe, deren AGB für Beherbergungsverträge mit Verbrauchern einen Kündigungsausschluss und eine Vertragsdauer von 30 Jahre normieren. Das LG Linz gab dem VKI bereits im August letzten Jahres vollinhaltlich Recht. Das OLG Linz als Berufungsgericht hat nun bestätigt: Eine 30-jährige Bindung des Verbrauchers ist unzulässig.

Die Cordial Ferienclub AG ist im Time-sharing Bereich tätig und betreibt Hotels, deren Zimmer sie den Kunden im Rahmen von Teilzeitnutzungs- bzw Beherbergungsverträgen (vgl zur Vergleichbarkeit beider Vertragstypen zB 6 Ob 104/01i) zur Verfügung stellt. Die Vertragspartner kaufen nach dem System Urlaubspunkte, womit sie in den kommenden 30 Jahren Hotels der Cordial AG nach einem Punktesystem nutzen können. Allerdings sollten sie auch für 30 Jahre gebunden werden: Die Verträge enthalten Klauseln, wonach der Kunde den Vertrag nur dann vorzeitig auflösen kann, wenn Cordial seinen Vertragsverpflichtungen trotz schriftlicher Aufforderung wiederholt nicht ordnungsgemäß nachkommt.

Nachdem sich Cordial gegenüber Verbrauchern, die die vorzeitige Auflösung der Verträge anstrebten, unter Berufung auf ihre AGB-Klauseln weigerten, eine ordentliche oder außerordentliche Kündigung zu akzeptieren, reichte der VKI - im Auftrag des Konsumentenschutzministeriums - Unterlassungsklage ein. Nachdem das LG Linz in erster Instanz die Rechtsansicht des VKI bereits im August 2013 bestätigt hat, wurde die dagegen von der Beklagten erhobene Berufung nun vom OLG Linz abgewiesen:

1. Die inkriminierten Klauseln schließen ein ordentliches Kündigungsrecht des Verbrauchers aus und das Recht auf außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund insofern erheblich ein, als eine vorzeitige Auflösung nur aus einem der Sphäre der beklagten Partei entstammenden wichtigen Grund möglich ist, nicht aber auch bei Vorliegen eines wichtigen Grunds auf Seiten des Verbrauchers (uB Krankheit, Verletzung etc). Darin liegt eine massive Beeinträchtigung der Rechtsposition des Verbrauchers im Verhältnis zur beklagten Partei: Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG.

2. Ausreichenden Ausgleich für die fehlende ordentliche Kündigungsmöglichkeit stellen weder das Weitergaberecht an Dritte noch das den Verbrauchern eingeräumte Rückverkaufsrecht dar: Die Möglichkeit zur Veräußerung der Teilzeitnutzungsrechte ist unzumutbar, weil sich die Verbraucher dafür keiner Vermarktungsorganisation bedienen können und eine rasche sowie verlustfreie Verwertung kaum möglich ist (vgl 1 Ob 176/98p). Das im Vertrag geregelte Rückverkaufsrecht an die Bekl ist für den Vertragspartner gleichermaßen wirtschaftlich wertlos, weil es zum Einen an Bedingungen geknüpft ist (10% Quote in Hinblick auf das Volumen der Neuverkäufe pro Geschäftsjahr), deren Vorliegen für den Verbraucher nicht ohne Weiteres überprüfbar ist. Zum Anderen wird als Basis für die Berechnung des Rücknahmepreises der zum Rückkaufstichtag gültige Punktepreis und davon ausgehend der Barwert der Vertragslaufzeit abdiskontiert nach Sekundärmarktrendite zum Kaufjahr herangezogen, weshalb mit massiven (Wert-)Verlusten zulasten des Verbrauchers zu rechnen ist.

3. Die überlange Bindung des Verbrauchers an den Vertrag für eine Dauer von 30 Jahren ist sittenwidrig und verstößt gegen § 6 Abs 1 Z 1 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB und § 6 Abs 3 KSchG. Die für die Frage der Angemessenheit der Vertragsdauer vorzunehmende Abwägung schutzwürdiger Interessen beider Parteien je nach den Einzelheiten des konkreten Vertrags käme (nur) im Bereich einer (maximal erlaubten) 10-15jährigen Bindungsfrist in Betracht.

Das Urteil ist rechtskräftig. Die ordentliche Revision wurde mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zugelassen.

OLG Linz 9.12.2013, 6 R 179/13f
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Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, RA in Wien

Praxistipp:
1. Verbraucher, die aus dem Beherbergungsvertrag aussteigen wollen, können diesen - jedenfalls nach Ablauf von 10-15 Jahren - ordentlich kündigen, bei Vorliegen eines wichtigen Grunds auch außerordentlich = fristlos und mit sofortiger Wirkung. Aus Beweisgründen empfehlen wir, das Kündigungsschreiben eingeschrieben zu schicken und die Kündigung zum nächstmöglichen Kündigungstermin zu erklären. Wir gehen davon aus, dass für die (ordentliche) Kündigung eine Kündigungsfrist von 14 Tagen (analog § 1116 ABGB) bzw maximal einem Monat (analog § 986 Abs 2 ABGB) einzuhalten ist.

2. Nach wirksamer Kündigung des Vertrags stehen dem Kunden in Hinblick auf das bei Vertragsschluss im Voraus für die gesamte 30-jährige Vertragslaufzeit entrichtete Entgelt Rückzahlungsansprüche gegen Cordial zu. Nach welcher Methode die Berechnung des Rückzahlungsbetrags erfolgt, ist noch ungeklärt. Der VKI führt derzeit einen Musterprozess gegen Cordial, um diese Frage klären zu lassen. Zu 1 Ob 176/98h hatte der OGH auf den hypothetischen Kaufpreis für die bis zur Kündigung zurückgelegte Vertragsdauer anhand der internen Kalkulation des Unternehmers abgestellt. Ausdrücklich klargestellt hat der OGH dabei allerdings, dass er diese Berechnungsmethode nur deswegen für erforderlich hält, weil es sich im zugrunde liegenden Fall um eine außerordentliche Kündigung aus wichtigem Grund handelte, der ausschließlich in der Sphäre des Kunden angesiedelt war.

Wir gehen daher davon aus, dass diese - dem Kunden schon aufgrund der ihm iaR weder bekannten noch nachprüfbaren internen Kalkulation des Unternehmers nachteilige - Berechnungsart nicht auf Fälle einer ordentlichen Kündigung nach Ablauf der gesetzlich maximal zulässigen Bindungsdauer übertragbar ist. Vielmehr führt der Wegfall der unzulässigen Klauseln hier zu einer vertraglichen Lücke, die ihre Ursache in der Verwendung einer missbräuchlichen Klausel hat. Schon aufgrund des von Art 7 Abs 1 Klausel-RL (93/13/EWG) geforderten Abschreckungseffekts (vgl C-618/10, C-488/11) sind daher bei Schließung dieser Lücke primär die Interessen des durch das Gesetz geschützten Verbrauchers zu berücksichtigen. Könnte der Time-Sharing-Anbieter darauf vertrauen, dass er im Fall der Verwendung einer missbräuchlichen Vertragsklausel, die den Verbraucher unangemessen lange an den Vertrag binden will, selbst in denjenigen Fällen, in denen sich der übervorteilte Verbraucher dagegen wehrt, nicht schlechter gestellt würde, als er bei Verwendung einer gesetzeskonformen Regelung stünde, bestünde für den Unternehmer aber kein Abschreckungseffekt und kein Anreiz zur Gesetzestreue.

Daraus folgt: UE ist bei ordentlicher Kündigung durch den Verbraucher jener Teil des vom Kunden bei Vertragsabschluss vorausbezahlten Entgelts zurückzuerstatten, der auf die Zeit nach dem Ablauf der zulässigen Bindungsdauer entfällt. Dies entspricht folglich einer zeitanteiligen Abrechnung.

3. Wurde Ihre schon in der Vergangenheit erklärte Kündigung von Cordial unter Verweis auf Vertrag und AGB-Klauseln seinerzeit nicht akzeptiert, stehen Ihnen in Hinblick auf die seither im fälschlichen Glauben einer Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung entrichteten Zahlungen ferner Schadenersatz- und Bereicherungsansprüche zu. Wir empfehlen diesbezüglich, Cordial zur Rückzahlung dieser Beträge aufzufordern.

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