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Urteil: OGH zu Zalando AGB

Der VKI klagte im Auftrag des Sozialministeriums die Zalando SE (ehem AG) (Sitz in Deutschland) wegen derer AGB bzw Datenschutzerklärung (aus 2012). Der OGH hat nun 7 Klauseln für unzulässig erklärt.

Anzuwendendes Recht

Auf die gegenständlichen Klauseln ohne datenschutzrechtlichen Bezug ist österreichisches Recht anzuwenden (siehe OGH 2 Ob 155/16g; C-191/15, VKI/Amazon EU). Die Zalando AG richtet sich mit ihrer Website, die eine Top-Level-Domain .at aufweist, (auch) an österreichische Kunden (s Art 6 Abs 1 Rom I-VO).

Bzgl der datenschutzrechtlichen Klausel gilt anderes: Da die Beklage in Österreich keine Niederlassung hat, kommt nicht österreichisches Datenschutzrecht zur Anwendung. Für die datenschutzrechtlichen Fragen ist deutsches Recht anwendbar. Dieses ist hier aber irrelevant, weil die betroffenen Klauseln schon aus anderen Gründen zu untersagen sind (näher unten).

Laut OGH sind 7 der 8 revisionsgegenständlichen Klauseln gesetzwidrig

Klausel 1: Ein Beschaffungsrisiko wird von uns nicht übernommen, auch nicht bei einem Kaufvertrag über eine Gattungsware. Wir sind nur zur Lieferung aus unserem Warenvorrat und der von uns bei unseren Lieferanten bestellten Warenlieferung verpflichtet. (6.11 . in AGB)
Die Überwälzung des Lieferrisikos ist nicht der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB entzogen. Beim Kaufvertrag besteht die Kardinalpflicht in der Sachverschaffung. Eine Überwälzung dieses Risikos auf den Verbraucher muss unzulässig sein, vor allem, wenn betriebsinterne Faktoren hineinspielen. Wird eine Ware beworben, so erwartet der Verkehr, dass sie im Zeitpunkt des Erscheinens der Werbeankündigung (schon und noch) vorrätig ist.

Klausel 2: Die Verpflichtung unsererseits zur Lieferung entfällt, wenn wir trotz ordnungsgemäßem kongruenten Deckungsgeschäft selbst nicht richtig und rechtzeitig beliefert werden und die fehlende Verfügbarkeit nicht zu vertreten haben, Sie hierüber unverzüglich informiert haben und nicht ein Beschaffungsrisiko übernommen haben. (6.12. in AGB)
Die Klausel ist intransparent. Der Begriff des kongruenten Deckungsgeschäfts ist ein Fachbegriff, unter dem sich der typische Kunde eines Modeportals nichts vorstellen kann und der auch in den AGB nicht erklärt wird.
Zudem widerspricht die Klausel 6.12 der Klausel 6.11. Bei dieser wälzt die beklagte Partei das Beschaffungsrisiko generell auf den Kunden ab, die Klausel 6.12 schränkt es auf bestimmte Voraussetzungen ein. Nach der Unklarheitenregel (§ 915 ABGB) würde zwar Klausel 6.12 vorgehen. Muss aber erst die Unklarheitenregel bemüht werden, ist die Klausel 6.12 intransparent.
Schließlich ist die Klausel 6.12 insoweit missverständlich, als sie zwar - im Ergebnis - einen Aspekt der Beschaffungspflicht regelt, andererseits aber voraussetzt, dass die beklagte Partei keine solche übernommen hat.

Klausel 3: Dauert das Leistungshindernis in den vorgenannten Fällen über einen Zeitraum von mehr als 4 Wochen nach den ursprünglich geltenden Lieferzeiten an, so sind Sie zum Rücktritt vom Vertrag berechtigt. Weitergehende Ansprüche, insbesondere auf Schadenersatz, bestehen nicht. (6.13. in AGB)
Die Angemessenheit der Nachfrist nach § 918 ABGB ist aufgrund der Umstände des einzelnen Falls zu beurteilen.
Hier würde die bedungene Lieferzeit von fünf Tagen auf 28 Tage fast versechsfacht. Während die beklagte Partei kein (berechtigtes) Interesse hat, am Vertrag festzuhalten, zumal der Verbraucher die Ware 30 Tage nach Lieferung ohne Angabe von Gründen zurückstellen kann, liegt es im berechtigten Interesse des Verbrauchers, in angemessener Frist zurückzutreten, um seine Vorleistung möglich rasch zurückzuerhalten und die eingetroffene Ware nicht wieder zur Post bringen und rücksenden zu müssen.
Die Haftungsfreizeichnung verletzt § 6 Abs 1 Z 9 KSchG, weil auch vorsätzlich und grob fahrlässig verursachte Schäden erfasst sind.

Klausel 4: Verbraucher können Ihre Vertragserklärung gemäß § 5e Konsumentenschutzgesetz (KSchG) innerhalb von 7 Werktagen ohne Angabe von Gründen in Textform (zB Brief, Fax, E-Mail) oder - wenn Ihnen die Sache vor Fristablauf überlassen wird - durch Rücksendung der Sache widerrufen. (7.1. in AGB)
Ein solcher Rücktritt kann auch mündlich erklärt werden. Die Klausel verstößt nach der wegen der zwischenzeitlichen Rechtsänderung erforderlichen doppelten Prüfung gegen § 13 Abs 1 FAGG bzw § 5e Abs 1 KSchG.

Klausel 5: Für dem Kunden im Rahmen der Geschäftsabwicklung zugefügte Schäden haften wir nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit oder bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit der für uns tätigen Erfüllungsgehilfen. Die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ist, ausgenommen bei Personenschäden, ausgeschlossen. Dieser Haftungsausschluss gilt auch für Mangelfolgeschäden. (13. in AGB)
Wenngleich eine Beschränkung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit in AGB grundsätzlich zulässig ist, lässt sich aus § 6 Abs 1 Z 9 KSchG nicht ableiten, diese Bestimmung erlaube jegliche Freizeichnung für leichte Fahrlässigkeit. Eine Klausel, nach der der Ausschluss der Haftung für leichte Fahrlässigkeit - Personenschäden ausgenommen - umfassend sein soll und nicht zuletzt auch eine Freizeichnung bei Verletzung vertraglicher Hauptpflichten für die von einem Unternehmer oder seinen Erfüllungsgehilfen verursachten Schäden erfasst, ist gröblich benachteiligend.

Datenschutzklauseln:
Klausel 6: Wir speichern Ihre Bestell- und Adressdaten zur Nutzung im Rahmen der Auftragsabwicklung (auch durch von uns eingesetzte Auftragsabwicklungspartner oder Versandpartner), für eventuelle Gewährleistungsfälle, für Verbesserungen unseres Angebots und für Produktempfehlungen gegenüber Kunden gemäß des Inhalts unserer Datenschutzerklärung. (15. in AGB)

Klausel 8: Ihre personenbezogenen Daten werden an Dritte nur weitergegeben oder sonst übermittelt, wenn dies zum Zweck der Vertragsabwicklung oder Abrechnung erforderlich ist oder Sie zuvor eingewilligt haben. Im Rahmen der Bestellabwicklung erhalten beispielsweise die hier von uns eingesetzten Dienstleister (wie bspw Transporteur, Logistiker, Banken) die notwendigen Daten zur Bestell- und Auftragsabwicklung. (2.3. in AGB)
Eingangs wurde bereits aufgezeigt, dass datenschutzrechtliche Fragen nach deutschem Recht zu lösen sind. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Bestimmungen des dBDSG kann jedoch unterbleiben, weil sich die Unzulässigkeit der Klauseln nach § 6 Abs 3 KSchG ergibt.
§ 6 Abs 3 KSchG soll auch verhindern, dass der Verbraucher nicht klar erkennt, ob in den Klauseln eine Zustimmung zur Datenweitergabe oder eine bloße Information liegt. Es bleibt auch unklar, um welche konkreten Daten es sich handelt und an wen diese gelangen sollen. Damit bleibt für den Verbraucher völlig unbestimmt, welchen Maßnahmen er durch den Vertragsabschluss mit der beklagten Partei zustimmt.

Zulässig ist laut OGH folgende Klausel

Klausel 7 Sollten einzelne Bestimmungen des Vertrages einschließlich dieser Regelungen ganz oder teilweise unwirksam sein oder werden oder sollte der Vertrag eine nichtvorhergesehene Lücke aufweisen, bleibt die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen oder Teile solcher Bestimmungen unberührt. Anstelle der unwirksamen oder fehlenden Bestimmungen treten die jeweiligen gesetzlichen Regelungen. (18. in AGB)
Nach st Rsp hat die Nichtigkeit einer Klausel nicht die Unwirksamkeit des ganzen Vertrags zur Folge. Scheidet eine nichtige Bestimmung aus dem Vertragstext aus, hat eine Vertragsanpassung zu erfolgen, die sich anhand des dispositiven Rechts, des hypothetischen Parteiwillens und mangels dessen Feststellbarkeit nach redlicher Verkehrsübung orientiert. Das korrespondiert auch mit der Rsp des EuGH, wonach der betreffende Vertrag - abgesehen von der Änderung, die sich aus der Aufhebung der missbräuchlichen Klauseln ergibt - grundsätzlich unverändert fortbestehen muss, soweit dies nach den Vorschriften des innerstaatlichen Rechts rechtlich möglich ist. Vom Obersten Gerichtshof wurde bereits mehrfach die Intransparenz vergleichbarer Klauseln verneint.

OGH 21.12.2017, 4 Ob 228/17h
Klagsvertreter: Dr. Stefan Langer, Rechtsanwalt in Wien

Anmerkung:

Der VKI hatte keine Revision erhoben gegen folgende Klausel:

Klausel 9: Wenn Sie nicht möchten, dass Facebook über unseren Internetauftritt Daten über Sie sammelt, müssen Sie sich vor Ihrem Besuch unseres Internetauftritts bei Facebook ausloggen. (7. in AGB)

Diese wurde vom OLG rechtskräftig für zulässig erklärt.

Das Urteil im Volltext.

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