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Urteil: Verkehrssicherungspflichten - Bank haftet für Schaden aus Raubüberfall auf Kundin

In seiner Berufungsentscheidung erklärte das OLG Wien die Bank für eine auf eine Kundin getätigten Überfall für haftbar, da die Bank vertragliche Verkehrssicherungspflichten nicht erfüllte. Das Erstgericht (siehe VRInfo 2/2005) hatte der Kundin noch ein Mitverschulden angelastet, das Berufungsgericht verwarf jedoch diese Rechtsansicht.

Eine junge Frau benötigte für einen Hauskauf € 28.000 in bar. Nach Vorsprache in einer Filiale der Bank wurde der Frau mitgeteilt, sie könne das Geld in zwei Tagen beheben. Bei der Transaktion wurde die Frau offenbar von einem Mann beobachtet, welcher Mitglied einer Bande für "Bank-Anschlussdelikte" war und der über ein Handy seine drei Komplizen über den Vorfall informierte. Kurz nach Verlassen der Bank wurde die junge Frau überfallen und der Geldbetrag entwendet.

Das Erstgericht beanstandete die mangelnden Sicherheitsvorkehrungen in der entsprechenden Filiale - die Filiale bestand im wesentlichen aus einem einzigen, offenen Raum mit zwei Schaltern, die keinerlei Sichtschutz aufwiesen, sodass es prinzipiell jeder in der Bank aufhältigen Person möglich gewesen wäre, die Transaktionen im Schalterbereich einzusehen. Ebenfalls hätte die Frau - auch aufgrund der Tatsache, dass es in dieser Filiale bereits mehrfach zu ähnlichen "Bank-Anschlussdelikten" gekommen war - auf die drohende Gefahrenlage aufmerksam gemacht werden müssen. Dennoch sah das Erstgericht auch ein Mitverschulden der jungen Frau darin, dass sie für den Weg nach Hause nicht ein Auto bzw. Taxi verwendete, weshalb ihr nur die Hälfte des Klagsbetrages zugesprochen wurde.

Das OLG Wien stellte zunächst klar, dass die Bank eine allgemeine bzw. im konkreten Fall eine vertragliche Verkehrssicherungspflicht treffe, welche auch unerlaubte und vorsätzliche Eingriffe Dritter umfasse. Voraussetzung ist jedoch, dass die Möglichkeit der Verletzung von Rechtsgütern Dritter bei objektiver sachkundiger Betrachtung zu erkennen ist und dass der Gefahr durch zumutbare Maßnahmen begegnet werden kann. So hätte die Frau bereits beim ersten Vorsprechen in der Filiale auf die Sicherheitsgefährdung hingewiesen bzw. hätten ihr entsprechende Sicherheitsvorkehrungen - etwa die Behebung in einem abgetrennten Raum - angeboten werden müssen. Dabei hat die Bank sowohl für die Verletzung der Aufklärungspflicht ihrer Mitarbeiter als auch für die Organisation des Geschäftsablaufes - die mangelnde Ausstattung der Filiale - einzustehen.

Ein Mitverschulden der jungen Frau verneinte das OLG Wien: Zum einen konnte im Verfahren nicht gezeigt werden, dass etwa die Verwendung eines Taxis zum Entfall des Überfalls geführt hätte. Zudem erscheine es nicht gerechtfertigt, der Frau zuzumuten Kosten aufzuwenden um sich vor einem Überfall zu schützen, dessen Ursache darin liegt, dass ein allfälliger Täter von der Bargeldabhebung Kenntnis erlangt, weil die Bank nicht entsprechende Schutzmaßnahmen trifft. Weiters transportierte die Frau das Geld in einem Umschlag, den sie sich in den Hosenbund steckte und ihr T-Shirt darüber gezogen hat. Ein Transport des Geldes unmittelbar am Körper sei die sicherste Möglichkeit, so das OLG Wien. Nach Abwägung erweise sich daher das Verschulden der Bank als derartig überwiegend, dass ein allfälliges Mitverschulden der Frau vernachlässigt werden könne.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

OLG Wien 19.1.2005, 2 R 270/04x

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Klagsvertreter: Dr. Eduard Wegrostek, Rechtsanwalt in Wien

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