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Entfall des FAGG-Rücktrittsrechts nach Leistungserbringung durch Makler

Eine Immobilienmaklerin begehrte Provision für die Vermittlung einer vom Beklagten gekauften Liegenschaft. Der Beklagte verweigerte die Zahlung mit der Begründung eines Rücktritts nach FAGG. Der Klage wurde stattgegeben; es lag eine Ausnahme vom Rücktrittsrecht (gemäß § 18 Abs 1 Z 1 FAGG) vor.

Der Beklagte verfasste am 25.3.2019 ein E-Mail an die Immobilienmaklerin, in dem er sein Interesse an einem Besichtigungstermin bekundete, um Kontaktaufnahme ersuchte und weitere Informationen zum Objekt erbat. Die Klägerin beantwortete diese Anfrage per E-Mail, nannte darin die Objektdaten, wies auf die Provisionspflicht im Fall der Vermittlung hin und übersandte in einem die Belehrung über Rücktrittsrechte und ein Musterwiderrufsformular. Am 28.3.2019 unterzeichnete die Beklagte bei einem Besichtigungstermin ein Formular der Immobilienmaklerin, das ua den Satz enthielt: „Der Interessent (...) fordert das Maklerunternehmen auf, vor Namhaftmachung der Immobilie, unter Verlust des Rücktrittsrechts laut § 11 FAGG vorzeitig tätig zu werden.“ Bei einem zweiten Besichtigungstermin am Folgetag unterfertigte der Beklagte ein Kaufanbot, das die Klägerin dem Verkäufer weiterleitete. Der Beklagte verweigerte die Bezahlung der Provision und erklärte im Juni 2019 den Rücktritt mit der Begründung, die ihm erteilte Rücktrittsbelehrung entspreche nicht den Vorgaben des FAGG.

Der Verbraucher hat nach § 18 Abs 1 Z 1 FAGG kein Rücktrittsrecht bei Fernabsatz- oder außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Verträgen über Dienstleistungen, wenn der Unternehmer – auf Grundlage eines ausdrücklichen Verlangens des Verbrauchers nach § 10 sowie einer Bestätigung des Verbrauchers über dessen Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei vollständiger Vertragserfüllung – noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 FAGG mit der Ausführung der Dienstleistung begonnen hatte und die Dienstleistung sodann vollständig erbracht wurde. Ein Verlangen nach sofortiger Vertragserfüllung bei Dienstleistungen gemäß § 10 FAGG liegt dann vor, wenn der Verbraucher wünscht, dass der Unternehmer noch vor Ablauf der Rücktrittsfrist nach § 11 mit der Vertragserfüllung beginnt. In diesem Fall muss der Unternehmer den Verbraucher dazu auffordern, ihm ein ausdrücklich auf die vorzeitige Vertragserfüllung gerichtetes Verlangen – im Fall eines außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrags auf einem dauerhaften Datenträger – zu erklären.

Hier ist jedenfalls von einem rechtzeitigen solchen Verlangen auszugehen:

Der Beklagte hat mit seinem E-Mail vom 25.3.2019 die Klägerin zur Übermittlung von Informationen über die Liegenschaft und Vereinbarung eines Besichtigungstermins aufgefordert. In einem solchen Fall, wenn der Verbraucher von sich aus eine Vertragserfüllung vor Ablauf der Rücktrittsfrist verlangt, bedarf es keiner gesonderten Aufforderung des Unternehmers, weil ihr in diesem Fall kein eigenständiger Wert.

Das nach § 10 FAGG maßgebliche Verlangen auf vorzeitige Vertragserfüllung ist nicht auf die Erteilung der jedermann zugänglichen Information (hier die Namhaftmachung der Kaufgelegenheit), sondern auf die Erbringung der weiteren Dienstleistungen eines Maklers gerichtet, die letztlich zum Abschluss des vermittelten Vertrags führen sollen. Erst mit einem verbindlichen Kaufanbot nimmt der Käufer die Abschlussgelegenheit und damit die provisionspflichtige Leistung des Maklers in Anspruch.

Der Beklagte hat die Klägerin per E-Mail, also auf einem dauerhaften Datenträger iSd § 3 Z 5 FAGG aufgefordert, ihm umgehend Informationen über die streitgegenständliche Liegenschaft zukommen zu lassen und eine Besichtigung zu ermöglichen, die er schon am übernächsten Tag in Anspruch genommen hat. Selbst wenn man im E-Mail des Beklagten noch kein formgerecht bestätigtes Verlangen iSd § 10 FAGG erblicken wollte, war die unterschriftliche Bekräftigung des Wunsches und der Bestätigung der Kenntnis vom Verlust des Rücktrittsrechts bei der ersten Besichtigung nicht verspätet.

Die Frage, ob die Klägerin ihre weiteren gesetzlichen Informations- und Aufklärungspflichten über das Rücktrittsrecht vollständig – insbesondere im Hinblick auf die Nennung der Kontaktdaten – erbracht hat, kann bei diesem Ergebnis dahingestellt bleiben. § 18 Abs 1 Z 1 FAGG enthält kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal dahingehend, dass der Ausschluss des Rücktrittsrechts die Einhaltung von in § 18 Abs 1 Z 1 FAGG nicht genannten Informationspflichten voraussetze.

OGH 18.12.2020, 8 Ob 45/20f

Das Urteil im Volltext.

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