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EuGH: Keine „Erheblichkeitsschwelle“ für immateriellen Schadenersatz nach der DSGVO

Im Vorlageverfahren in der Rechtssache „Österreichische Post“ stellt der Europäische Gerichtshof erstmals klar, dass bei DSGVO-Verstößen kein „Strafschadenersatz“ zusteht, immaterielle Schäden aber unabhängig von ihrer Schwere zu ersetzen sind. Die Haftung darf nicht auf „erhebliche Schäden“ beschränkt werden. Es handelt sich um das erste Urteil des Europäischen Gerichtshofs zur Haftung nach der DSGVO. 

Im Anlassfall begehrt der vom „Post-Datenskandal“ betroffene österreichische Kläger einen Betrag iHv € 1.000 zum Ersatz seines immateriellen Schadens. Die Österreichische Post AG hatte im Rahmen einer statistischen Hochrechnung zu den Parteiaffinitäten der österreichischen Bevölkerung ermittelt, dass der Kläger eine hohe Affinität zur FPÖ aufweise, wobei die gespeicherten Daten nicht an Dritte weitergegeben wurden. Der Kläger hatte nicht in die Verarbeitung seiner personenbezogenen Daten eingewilligt, war über die Speicherung seiner Daten „massiv verärgert“ und brachte vor, die Rechtsverletzung habe bei ihm einen Vertrauensverlust sowie ein Gefühl der Bloßstellung ausgelöst. Die ihm zugeschriebene politische Affinität sei eine „Beleidigung“, „beschämend sowie kreditschädigend“.

Die Gerichte erster und zweiter Instanz hatten die Klage mit der Begründung abgelehnt, dass der geltend gemachte immaterielle Schaden nicht „erheblich“ genug sei, um ersetzt zu werden. Der Oberste Gerichtshof hatte den EuGH im April 2021 um Vorabentscheidung ersucht, ob für den Zuspruch von Schadenersatz nach Artikel 82 DSGVO die DSGVO-Verletzung als solche ausreicht, ob eine „Erheblichkeitsschwelle“ eingezogen werden kann und welche unionsrechtlichen Vorgaben für die Bemessung des Schadenersatzes bestehen (Beschluss vom 15.4.2021, 6 Ob 35/21x).

Der Generalanwalt hatte in seinen Schlussanträgen vom Oktober 2022 keinerlei Bedenken gegen die Einziehung einer Erheblichkeitsschwelle durch die nationalen Gerichte. Die Schlussanträge waren von Verbraucherschutzorganisationen massiv kritisiert worden. So sind Ersatzansprüche von den nationalen Gerichten in vielen Fällen unter Verweis auf die mangelnde "Erheblichkeit" der erlittenen Gefühlsschäden abgewiesen worden. Auch in einem vom VKI im Auftrag des Sozialministeriums geführten Verfahren gegen die Österreichische Post war der immaterielle Schadenersatz verneint worden, weil die Erheblichkeitsschwelle nicht erreicht sei.

Der EuGH hat nun entschieden, dass der bloße Verstoß gegen die DSGVO nicht ausreicht, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, für den Ersatz immaterieller Schäden aber keine Erheblichkeitsschwelle eingezogen werden darf. Er stützt sich dafür auf Wortlaut und Zweck von Art 82 und die Kohärenz der Haftungsregelung. Damit sind auch „geringfügige“ Schäden ersatzfähig.

Die Bemessung und Höhe des Ersatzanspruchs unterliegt nationalem Recht, muss aber den unionsrechtlichen Grundsätzen der Effektivität und Äquivalenz genügen. Die Modalitäten des nationalen Rechts dürfen die Ausübung des Rechts auf Schadenersatz demnach nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren. Ferner muss eine vollständige und wirksame Entschädigung für den erlittenen Schaden gewährleistet sein.

EuGH 4.5.2023, C‑300/21, Österreichische Post AG

Die Presseaussendung des VKI finden Sie hier

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