Es geht um folgenden Sachverhalt:
„Die Beklagte ist eine der größten Konzertveranstalterinnen in Österreich und veranstaltet das jährlich stattfindende „Nova Rock-Festival“. Dabei tritt sie regelmäßig in ganz Österreich mit Verbrauchern im Sinne des § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt.
Von Verbrauchern wurde beim „Nova Rock-Festival“ 2024 bei Ausgabe des Zutrittsbands abhängig vom jeweiligen Ticket und den mitgebrachten Gegenständen ein „Müllpfand“ bzw eine „Müllabgabe“ von EUR 20 in bar eingehoben, wovon maximal EUR 10 bei Rückgabe eines mindestens halbvollen Müllsacks inklusive Beleg bei den Abgabestellen auf ein „Cashless Band“ zurückgebucht wurden.
Die jährlich etwa 200.000 Besucher:innen des Festivals können zwischen unterschiedlichen Ticketkategorien wählen. Es gibt Tickets für einzelne Festivaltage (Tageskarten) und Tickets für die gesamte Festivaldauer (Festivalpässe). Darüber hinaus haben Besucher:innen die Möglichkeit, für die Dauer des Festivals auf dem Festivalgelände zu campen. In diesem Zusammenhang bietet die Beklagte ihren Besuchern auch mehrere – moderne und glamouröse – Alternativen, nämlich (i) Glamping, (ii) Zelthotels und (iii) Green Camping. Die Optionen Zelthotel und Glamping bieten Besucher:innen abgesperrte Areale, in denen man in Zelthotels oder bereits hergerichteten „glamourösen Zelten“ übernachten kann. In diesen Arealen gibt es eine besondere Abfallinfrastruktur, der jedoch auch höhere Ticketkosten gegenüber Normaltickets gegenüberstehen.
Beim „Green Camping“ erhalten Ticketinhaber Zutritt zu einem gesonderten Areal, in dem eine besonders ökologisch-orientierte Community kaum bis keinen Müll produziert und dessen Fokus darauf liegt, Besucher:innen mit umweltbewusster Gesinnung die Möglichkeit zu geben, sauber und ruhig übernachten zu können. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung und der jahrelangen Erfahrung der Beklagten, dass Besucher:innen, die am Festivalgelände campieren oder gar übernachten, mehr Müll am Festivalgelände hinterlassen als jene, die das Festival ohne Campingausrüstung nur tagsüber besuchen. Es wäre daher aus Sicht der Beklagten nicht sachgerecht, das Müllpfand bzw den Müllbeitrag undifferenziert von sämtlichen Besucher:innen zu verlangen; unabhängig davon, ob sie das Festivalgelände mit oder ohne Campingausrüstung nutzen, sodass sie die im folgenden genannten Regelungen traf.
Auf der Website der Beklagten www.novarock.at befanden sich unter der Rubrik FAQ zumindest bis zum Zeitpunkt des Nova Rock-Festivals 2024 folgende Klauseln:
Unter der Überschrift „MÜLLPFAND“:
„Bitte helft mit, die Umwelt zu schützen und haltet euren Campingplatz sauber! Der Müllpfand beträgt € 20,- (vor Ort in bar zu bezahlen) davon werden euch € 10 auf euer Cashless Band zurück gebucht, wenn ihr einen mindestens halbvollen Müllsack inklusive Beleg bei den Abgabestellen zurückbringt. Wer ein Zelt oder einen Rucksack dabei hat, gilt ungeachtet des Tickets als Camper*in, d.h. es wird Müllsackpfand eingehoben. Keine Rückgabe ohne Pfandbon möglich!“
Unterhalb der Überschrift „GREEN CAMPING, ZELTHOTEL, GLAMPING“:
„Alle Green Camper*innen, Glamper*innen und Zelthotelnutzer*innen sind vom Müllpfand und Müllbeitrag ausgenommen.“
Unter der Überschrift „TAGESKARTEN“:
„• für jene Tageskarten-Besitzer*innen, die an dem Tag einchecken möchten, für den ihr Ticket gilt (z.B. Samstag Tagesticket, Check In am Samstag), und Camping Equipment mitbringen: € 20,- Müllpfand & Müllbeitrag sind
zu bezahlen.
• für jene Tageskarten-Besitzer*innen, die an dem Tag einchecken möchten, für den ihr Ticket gilt (z.B. Samstag Tagesticket, Check In am Samstag), und kein Camping Equipment mitbringen: € 20,- Müllpfand & Müllbeitrag sind nicht zu bezahlen.
Danke für euer Verständnis“
Und schließlich unter der Überschrift „VIP TICKETINFO“:
„Bei dem Kauf eines VIP Tickets sind folgende Leistungen inkludiert:
• Zutritt zu den Tribünen bei den Stages und des VIP
Bereiches
• Eigener Parkplatz
• Eigener Campingplatz“
Es war nicht möglich, die auf der Website der Beklagten unter der Rubrik „FAQ“ vorformulierten Klauseln vor dem Festivalbesuch abzulehnen bzw war ein ausdrückliches Zustimmen zu dieser Regelung des Festivalveranstalters nicht vorgesehen.
Beim Nova Rock-Festival 2024 stand vor Ort bei der Bandausgabe ein großes Plakat mit der Aufschrift „€ 20,-
MÜLLPFAND/BEITRAG BEREIT HALTEN HAVE € 20,- WASTE DEPOSIT/CONTRIBUTION READY“.
Das „Müllpfand“ bzw der „Müllbeitrag“ von insgesamt EUR 20 wurde von Besucher:innen des Festivals bei Eintritt auf das Festivalgelände bar bezahlt. EUR 10 wurden jedenfalls einbehalten („Müllbeitrag“). Eine zusätzliche Leistung – neben der Leistung der Müllentsorgung – stand der Zahlung nicht gegenüber. Die restlichen EUR 10 konnte der Besucher:in zurückerhalten, wenn er einen „halbvollen“ Müllsack inklusive Beleg retournierte („Müllpfand“). Diesfalls wurden EUR 10 auf ein Cashless Band zurückgebucht.
Durch die Beseitigung des Mülls im Rahmen des Festivals entsteht der Beklagten ein gewisser Aufwand. Durch die Zahlung des Müllbeitrags bzw spätere Rückzahlung des Müllpfands werden Besucher:innendazu animiert, ihren Müll einzusammeln und tragen somit aktiv zum Umweltschutz bei.
Mit Schreiben vom 27.05.2024 mahnte der Kläger die Beklagte im Bezug auf die Passagen betreffend „Müllpfand“ in ihren AGB bzw FAQ ab und forderte die Abgabe einer Unterlassungserklärung im Sinn des Urteilsbegehrens zu Punkt 1.) samt Vertragsstrafenvereinbarung, wobei eine Vertragsstrafe von EUR 1.400 pro Klausel und pro Zuwiderhandeln gefordert wurde. Die Beklagte gab die geforderte Unterlassungserklärung nicht ab, nahm die genannten Klauseln aber nach der Abmahnung und noch vor Einbringung der gegenständlichen Klage von ihrer Website.
Die Beklagte änderte die oben genannten Klauseln zu einem unbestimmten Zeitpunkt, jedenfalls aber nach dem Nova Rock-Festival 2024. Aktuell findet sich auf ihrer Website betreffend den Müllbeitrag unter der Rubrik „INFO/FAQ ALLGEMEINES“ folgende Klausel:
„Der Müllbeitrag von 20 € ist - einmalig für die gesamte Festivaldauer - vor dem erstmaligen Betreten des Festivalgeländes zu bezahlen und kann entweder vor Ort in bar, vorab über das Cashless-System oder vorab auf http://oeticket.com durch Kauf eines „Müllbeitrag-Tickets" erworben werden. Vor Ort bekommst Du von uns einen
Müllsack und einen Pfandbon. Wenn Du einen zumindest halbvollen Müllsack und den Pfandbon bei den Abgabestellen zurückbringst, erhältst Du einen Betrag von EUR 10,-
auf dein Cashless Konto zurückerstattet. Ausgenommen vom Müllbeitrag sind Tageskarten, VIP, Glamping, Zelthotel und Green Camping.“
Das OLG Wien entscheidet wie folgt:
„2.2. Das Erstgericht ist in Beachtung dieser Grundsätze zutreffend davon ausgegangen, dass die in Rede stehende Klausel den Verbrauchern kein klares und umfassendes Bild darüber vermittelt, welche Besucher:innen unter welchen Voraussetzungen das Müllpfand von EUR 20 zu entrichten haben. Die Klausel lässt die Verbraucher weiters darüber im Unklaren, weshalb - ungeachtet der Bezeichnung als „Pfand“ im Fall der Abgabe eines (halbvollen) Müllsacks lediglich die Hälfte des bezahlten Betrags (in Form einer Gutbuchung auf das „Cashless-Band“) rückerstattet wird. Dass es sich bei den restlichen EUR 10 um einen „Müllbeitrag“ handelt, den die Besucher:innen endgültig zu tragen haben, ist der Klausel ebensowenig zu entnehmen, wie eine Erklärung, wofür der „Müllbeitrag“ eingehoben wird. Zutreffend hat weiters schon das Erstgericht darauf hingewiesen, dass die Klausel offen lässt, was unter „Camping Equipment“ zu verstehen ist, die Mitnahme
welcher Rucksäcke die Zahlungspflicht auslöst und was unter einem „halbvollen Müllsack“ genau zu verstehen ist. Dass das Konzept der Einhebung eines Müllpfandes bzw Sondermüllbeitrages international gängige Praxis bei Festivals ist, wie die Berufungswerberin ausführt, tut nichts zur Sache, zumal Klauseln in AGB und Vertragsformblättern im Verbandsprozess objektiv unter Beschränkung auf ihren Wortlaut auszulegen sind, und zwar so, wie sie ein durchschnittlicher Angehöriger des angesprochenen Adressatenkreises versteht (vgl RS0008901).
3. Zutreffend hat das Erstgericht auch einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB bejaht.
3.1. Das Erstgericht hat (unbekämpft) festgestellt, dass der Beklagten durch die Beseitigung des Mülls im Rahmen des Festivals ein gewisser Aufwand entsteht und dass Besucher:innen durch die Zahlung des Müllbeitrags und spätere Rückzahlung des Müllpfands dazu animiert werden, ihren Müll einzusammeln und zum Umweltschutz beizutragen. Ebenso unbekämpft hat das Erstgericht festgestellt, dass der Zahlung eine zusätzliche Leistung – neben der Leistung der Müllentsorgung – nicht gegenüberstand.
3.2. Die Verrechnung von zusätzlichen Entgelten in AGB, denen keine konkreten Zusatzleistungen oder konkrete Kosten gegenüberstehen, die also bloß eine in die AGB „verschobene“ Entgeltverrechnung für ohnehin mit der Erfüllung der Hauptleistung üblicherweise verbundenen Aufwendungen darstellt, ist gröblich benachteiligend im Sinne des § 879 Abs 3 ABGB (RS0123253 [T4, T6]; 9 Ob 18/23x Rz 19; 9 Ob 68/24a Rz 27 mwN).
4. Aus diesem Grund ist mit dem Erstgericht auch ein Verstoß der Klausel gegen § 6c KSchG zu bejahen. Auf die auch insoweit zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts kann verwiesen werden (§ 500a ZPO).“
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
OLG Wien 5 R 22/25d 25.06.2025
Klagsvertreter: Dr Sebastian Schumacher, RA in Wien