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EuGH relativiert Verbrauchererschutz im Verfahren gegen Amazon

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) relativiert den Verbraucherschutz im Verfahren gegen Amazon. Klauseln sind bei grenzüberschreitenden Geschäften im Fall einer Rechtswahl nach dem Recht des Unternehmerstaates zu beurteilen. Nur zwingende Verbraucherschutzvorschriften bleiben anzuwenden.

Amazon EU S.à.r.l. mit Sitz in Luxemburg (kurz Amazon) betreibt mit der Webseite www.amazon.de im Internet einen Versandhandel und richtet diesen auch auf österreichische Kunden aus. In Österreich besteht keine formelle Niederlassung.

Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) hatte im Auftrag des Sozialministeriums 11 Klauseln in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Amazon in der Fassung 2012 beanstandet und Verbandsklage eingebracht. Beanstandet wurde eine Rechtswahlklausel, daneben aber auch etwa Klauseln zum Rücktrittsrecht, zur Datenübermittlung und zu Verzugszinsen.

Nach Ausschöpfung aller Instanzen befasste sich der Oberste Gerichtshof (OGH) mit dem Fall und legte die Sache im April 2015 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) mit einigen offenen Fragen zur Vorabentscheidung vor. Zu beantworten ist dabei vom EuGH vor allem, welches Recht bei der Prüfung von Klauseln im Verbandsverfahren Anwendung findet, wenn grenzüberschreitende Geschäfte betroffen sind.

Der EuGH folgt den Schlussanträgen des Generalanwaltes nur teilweise und legt fest, dass Vertragsklauseln im Fall einer Rechtswahl durch den Unternehmer primär nach dem Recht seines Unternehmenssitzes zu beurteilen sind. Nur zwingende Verbraucherschutzvorschriften bleiben aufrecht. Rechtswahlklauseln, also die Vereinbarung etwa des luxemburgischen Rechts im Fall von Amazon, müssen allerdings klar zum Ausdruck bringen, dass diese zwingenden Regelungen zu beachten sind.

Dies bedeutet, dass ein Untermnehmer bei grenzüberschreitenden Geschäften grundsätzlich vereinbaren darf, dass jenes Recht zur Anwendung kommt, das an seinem Unternehmenssitz gilt. Verbraucherverbände können das nicht beansstanden und müssen das fremde Recht bei der Prüfung berücksichtigen. Was jeweils als zwingende Regelung anzusehen ist, kann zudem im Einzelfall unklar sein.

Das stellt bei grenzüberschreitenden Geschäften eindeutig einen Rückschritt im Verbraucherschutz dar. Der kollektive Rechtschutz durch Verbraucherverbände wird in Europa dadurch erschwert.

EuGH 28.7.2016, VKI / Amazon, C-191/15

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